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# taz.de -- Sparmaßnahmen beim Rundfunk: Knick in der Antenne
> Einsparungen im Öffentlich-Rechtlichen treffen besonders junge
> Hörfunkformate. Nicht der beste Weg, um das Interesse junger Menschen am
> ÖRR zu wecken.
Bild: Für junge Radioprogramme sieht es düster aus
Auf der Autobahn nachts um drei. Das Radio läuft, eine beruhigende Stimme
kündigt die nächste Hitparade an. Lichter ziehen schnell vorbei, die Augen
werden schwer. Die Stimme des Moderators dagegen ist hellwach. „Eine gute
Fahrt an alle, die gerade auf dem nach Hause weg sind!“, wünscht er, bevor
das Beste der 80er, 90er und 2000er aus den Boxen dröhnt. Der Heimweg wird
weniger einsam, begleitet durch Nelly Furtados „All Good Things (Come to an
End)“.
Alle guten Dinge gehen zu Ende – so scheint auch die Devise des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die neusten Sparpläne haben es nämlich
vor allem auf den Hörfunkbereich abgesehen. Der [1][Hessische Rundfunk
kündigte bereits vor zwei Wochen] an, massive Einsparungen im linearen
Radioprogramm vornehmen zu wollen: Drei von sechs Wellen sollen wohl
langfristig eingestampft werden, der „Digitalbereich“ soll dagegen
finanziell profitieren. Welche Sender genau betroffen sind, sei noch nicht
entschieden, dass der Sender mit der jüngsten Zielgruppe YouFM sparen muss,
ist aber schon klar.
Nun ziehen auch ZDF und ARD nach, wie die Koordinatorin der
Rundfunkkommission Heike Raab am Freitag verkündete: Spartensender wie Kika
oder ZDFNeo – beide mit vergleichsweise junger Zielgruppe – sein von
Einsparungen betroffen. Aber vor allem der Hörfunkbereich der Sender solle
künftig kleiner werden. Die Beratungen der Rundfunkkomission dazu werden am
Montag fortgesetzt.
Radio kann, was sonst kaum ein Medium vermag. Ob mitten in der Nacht, früh
morgens oder am späten Nachmittag: Es ist immer da, kann sanft in den
Schlaf wiegen, kraftvoll in den Tag schubsen oder in einsamen Stunden
begleiten, ohne dass man ihm die volle Aufmerksamkeit schenken muss.
## Zielgruppe jenseits der 50
Zwar hat sich das Nutzungsverhalten junger Menschen durch Spotify und Co
verändert. Doch dass das Medium Radio keineswegs tot ist und auch unter
jungen Menschen beliebt bleibt, zeigt ein Blick auf die [2][Studie des
Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest aus 2023]: Rund 58 Prozent
der 14- bis 19-Jährigen nutzen das Radio weiterhin regelmäßig als Zugang zu
Musik und Nachrichten.
Dass Öffentlich-Rechtliche nun also Einsparungen bei Radiosendern mit
junger Zielgruppe und mehr Investition in den „Digitalbereich“ ankündigen,
fühlt sich in etwa an, [3][wie wenn der Erfolg rechter Parteien unter
jungen Wähler:innen allein auf Tiktok geschoben wird]. Gegen
Digitalisierung der Öffentlich-Rechtlichen ist sicherlich nichts
einzuwenden. Aber wieder einmal werden junge Menschen als diffuse Masse
charakterisiert, die nur durch das Allheilmittel Social Media erreicht
werden könne. Unklar ist dagegen, was junge Menschen sich tatsächlich vom
ÖRR wünschen.
Denn schon seit Jahren werden die Bedürfnisse junger Menschen im ÖRR
vernachlässigt. So erreichen Radiowellen, die als jung gelten – wie etwa
YouFM – schon jetzt ein Publikum, das im Durchschnitt rund 30 Jahre alt
ist. Die 14- bis 29-Jährigen ansprechen zu wollen, indem man eine große
Digitaloffensive ankündigt, ohne eine konkrete Strategie vorzustellen,
gleicht in seiner Planlosigkeit dem [4][Tiktok-Auftritt von Olaf Scholz].
Zukünftig werden junge Perspektiven im linearen Programm wohl noch weniger
Raum bekommen als ohnehin schon. Die lineare Front wird so vollständig
einer Zielgruppe jenseits der 50 überlassen. Sicherlich nicht die beste
Antwort auf die Frage, wie junge Menschen wieder mehr Vertrauen in den ÖRR
bekommen können.
„All good things come to an end“, singt Nelly Furtado im Radio. Und ja,
doch wenn gute Dinge enden, dann müssen eben bessere beginnen. Um
herauszufinden, was das sein kann, könnte man ja einfach mal die 14- bis
19-Jährigen fragen.
24 Jun 2024
## LINKS
[1] /Weniger-Radio-beim-Hessischen-Rundfunk/!6014845
[2] https://www.lfk.de/forschung/mediennutzungsstudien/minikim-studie-2023
[3] /AfD-Wahlkampf-und-junge-Waehlerinnen/!6013329
[4] /Olaf-Scholz-auf-TikTok/!6001383
## AUTOREN
Joscha Frahm
## TAGS
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Schwerpunkt Pressefreiheit
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