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# taz.de -- Berliner Flüchtlingspolitik: Abschieben und drangsalieren
> Iris Spranger ist „Abschiebeministerin 2024“. Derweil stimmt
> Bürgermeister Wegner ohne Einigkeit im Senat für eine Bezahlkarte für
> Geflüchete.
Bild: Einig gegen Geflüchtete: Kai Wegner und Iris Spranger
Berlin taz | Innensenatorin Iris Spranger (SPD) ist zur
„Abschiebeministerin 2024“ gekürt worden. Laut Jibran Khalil, Koordinator
des Zusammenschlusses „Jugendliche ohne Grenzen“, habe sie sich den
Negativpreis verdient, weil Berlin im vergangenen Jahr 50 Prozent mehr
Menschen abgeschoben hat als noch im Jahr davor. 1.370 Menschen mussten
Berlin 2023 erzwungenermaßen verlassen – nach 897 Abschiebungen im Jahr
2022.
Doch nicht nur das: Im Gespräch mit der taz betont Khalil, dass es noch
eine Reihe weiterer Gründe gab, die dazu führten, dass sich Spranger mit 58
Prozent der Stimmen deutlich gegen den Brandenburger Innenminister Michael
Stübgen (CDU, 26%), den Bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU,
9%) und den Sächsischen Innenminister Armin Schuster (CDU, 7%) durchsetzte.
So treffen die Abschiebungen besonders „Menschen mit
Diskriminierungserfahrungen wie Sinti:zze und Rom:nja“, so Khalil. Fast
700 Menschen wurden allein nach Moldau abgeschoben, darunter sind vor allem
Angehörige der Minderheit.
Khalil kritisierte zudem die „katastrophalen Bedingungen in Unterkünften“,
etwa in Tegel sowie den Umstand, „dass viele [1][geflüchtete Kinder in
Berlin keine Schulplätze haben]“. Hinzu kommt, dass sich Spranger für
Abschiebungen verurteilter Straftäter und islamistischer „Gefährder“ nach
Syrien und Afghanistan einsetzte. „Wenn jemand verurteilt wird, muss er in
Deutschland seine Strafe absitzen“, so Khalil, in den Herkunftsländern
könnte es dagegen passieren, dass entweder keine Strafe verbüßt werden
müsse oder eine unmenschliche Behandlung drohe.
Trotzdem hatten sich die Innenminister:innen darauf geeinigt. In der
Debatte ist zudem die Aufhebung des subsidären Schutzes für Geflüchtete aus
Afghanistan und [2][Syrien], um auch regulär wieder dorthin abschieben zu
können.
Die Preisverleihung in Abwesenheit der Innensenatorin fand am Freitag im
Rahmen einer Gala in Potsdam im Anschluss an einer dreitägige Konferenz von
„Jugendliche ohne Grenzen“ statt. Seit Jahren veranstaltet die bundesweit
agierende Organisation zusammen mit jungen Flüchtlingen parallel zu den
Konferenzen der Innenminister:innen Gegenveranstaltungen mit
Workshops und Protesten.
300 Menschen hatten sich am Donnerstag an einer antirassistischen
Demonstration in Potsdam beteiligt, zu der auch Pro Asyl und der
Flüchtlingsrat Brandenburg aufgerufen hatten. Gemeinsam hatten sie auch die
Brandenburger Flüchtlingspolitik kritisiert. Demnach habe sich bei der
Unterbringung seit 10 Jahren nichts verbessert, es mangele an Personal in
den Behörden und an Wohnraum.
## Senats-Streit um Bezahlkarte
Auf der Konferenz der Ministerpräsident:innen, die ebenfalls in Potsdam
stattfand, wurde die [3][Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge]
beschlossen, die nur noch 50 Euro in bar ausgezahlt bekommen sollen.
Während Thüringen und Bremen Bedenken dagegen angemeldet hatten, gab es von
Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) keinen Widerspruch.
Eine Einigung im Senat gibt es für das Vorgehen nicht. Im Gegenteil:
Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) erneuerte nach dem Beschluss ihren
Widerstand gegen die Pläne. Sie verfolge die „unsägliche Debatte“ um die
Bargeldhöhe mit Sorge, so Kiziltepe. Geflüchteten in Berlin müssten „das
Geld, das ihnen zusteht, zu 100 Prozent selbstbestimmt und ohne
Reglementierung verwenden können“, so die Senatorin.
Jian Omar, Sprecher für Migrationspolitik der Grünen kritisierte: Mit
Wegners Zustimmung mache der Senat „eine Rolle rückwärts in die
gescheiterte Integrationspolitik der 90er“. Damals hätten „Bezahlkarten und
Gutscheine für Geflüchtete kriminelle Strukturen begünstigt, die
Geflüchteten ausbeuteten und ihre Guthaben billiger abkauften“.
Die Linke-Abgeordnete Elif Eralp sprach von „sinnlosem Populismus“, der nur
der AfD helfe. Es sei bewiesen, dass Bargeldauszahlungen keinen
„Pull-Faktor“ für Migration seien. Sie plädierte stattdessen für ein
kostenloses Basiskonto: „Das spart Berlin nicht nur erhebliche Personal-
und Sachkosten, sondern sichert, dass Geflüchtete wie alle anderen Menschen
auch frei über die ihnen zustehenden Leistungen verfügen können und ihre
Menschenwürde gewahrt wird.“
23 Jun 2024
## LINKS
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[3] /Bund-Laender-Beratungen-zu-Migration/!6018700
## AUTOREN
Erik Peter
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Migration
Syrische Flüchtlinge
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Flüchtlingspolitik
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Abschiebung Minderjähriger
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