| # taz.de -- Bezahlkarte für Geflüchtete: Koalition steht vor Konflikt | |
| > Mit seiner Zustimmung zur 50-Euro-Bargeldgrenze übergeht Berlins | |
| > Regierender Bürgermeister (CDU) einen Senatsbeschluss. SPD kritisiert den | |
| > Alleingang. | |
| Bild: Hätte sich an den Senatsbeschluss halten müssen: Kai Wegner bei der Kon… | |
| BERLIN taz | Dass auch Berlin eine Bezahlkarte für Geflüchtete einführen | |
| wird, das [1][hat der Senat bereits beschlossen]. Im Ringen darum, was | |
| genau die Karte können wird, zeichnet sich allerdings ein Konflikt ab | |
| zwischen der Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) und dem Regierenden | |
| Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Denn die Sozialverwaltung von Kiziltepe ist | |
| – bisher – federführend zuständig dafür, wie die Bezahlkarte ausgestaltet | |
| werden soll. | |
| Wegner wiederum hatte bei der Ministerpräsident*innenkonferenz | |
| (MPK) am Donnerstag den Beschluss mitgetragen, dass Flüchtlingen mit der | |
| Karte nur noch 50 Euro in bar ausgezahlt werden sollen. Damit hat sich der | |
| Regierende Bürgermeister über den Beschluss des Senats hinweggesetzt. Dort | |
| hatten die Verantwortlichen ausdrücklich festgelegt, dass die zuständige | |
| Sozialverwaltung über die Höhe von Barauszahlungen entscheiden solle. | |
| „Es entspricht nicht meinem Verständnis einer humanitären | |
| Flüchtlingspolitik, dass Geflüchtete nur 50 Euro Bargeld bekommen sollen“, | |
| betonte Sozialsenatorin Kiziltepe nach Bekanntwerden der MPK-Einigung | |
| erneut. „Der Bargeldbetrag muss Gleichberechtigung und Teilhabe ermöglichen | |
| und rechtssicher festgelegt werden“, sagte sie. Geflüchtete sollten selbst | |
| entscheiden können, wann sie mit Karte zahlen oder mit Bargeld. „Ich setze | |
| mich dafür ein, dass geflüchtete Menschen in Berlin auch weiterhin das | |
| Geld, das ihnen zusteht, zu 100 Prozent selbstbestimmt und ohne | |
| Reglementierung verwenden können, auch in Form von Bargeld“, hieß es von | |
| der Senatorin. Geflüchtete Menschen seien aufgrund ihrer finanziellen Lage | |
| umso mehr auf Bargeld angewiesen, zum Beispiel bei Einkäufen auf Wochen- | |
| und Flohmärkten. | |
| Kiziltepe weiß bei dem Thema ihre Partei hinter sich. „Wir mussten mit | |
| Entsetzen feststellen, dass der Regierende Bürgermeister in der | |
| Ministerpräsident*innenkonferenz nicht nur einer Bezahlkarte für | |
| Asylsuchende zugestimmt hat, sondern auch einer Bargeldauszahlungsgrenze | |
| dieser geplanten Karte in Höhe von 50 Euro“, heißt es in einer | |
| Pressemitteilung der Jusos Berlin gemeinsam mit der AG Migration und | |
| Vielfalt der Berliner SPD. Sie seien erfreut, dass Kiziltepe sich gegen die | |
| Karte ausspreche und erwarteten nun „auch von allen anderen | |
| Senator*innen und Abgeordneten unserer Partei, sich an den | |
| Parteibeschluss gegen die Bezahlkarte und an die dort weiter vorgegebenen | |
| Kriterien zu halten“. | |
| ## Antrag gegen die Karte beim Landesparteitag | |
| In einem Beschluss hatten sich auf dem [2][SPD-Landesparteitag Ende Mai] | |
| die Delegierten gegen die Karte und gegen beschränkte Bargeldzahlungen | |
| ausgesprochen. „Die SPD Berlin bekräftigt ihre Ablehnung des Konzepts einer | |
| diskriminierenden Bezahlkarte für Asylsuchende“, heißt es in dem von den | |
| Jusos eingebrachten und mit Änderungen beschlossenen Antrag. | |
| Asylsuchenden stünden in Deutschland unverhandelbare Leistungen nach dem | |
| Asylbewerberleistungsgesetz zu, eine Einschränkung der selbstbestimmten und | |
| freien Handhabe über diese Mittel würde eine Ungleichbehandlung von | |
| Asylsuchenden gegenüber dem Rest der Bevölkerung darstellen. Es sei klar, | |
| dass mit der Karte Bargeld-Zahlungen an Asylsuchende eingeschränkt werden | |
| sollten, heißt es in dem Antrag. „Die dahinterstehende Argumentation ist | |
| rassistisch und paternalistisch – so soll angeblich Überweisungen ‚ins | |
| Ausland‘ entgegengewirkt werden.“ | |
| Der Antrag fordert die SPD-Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats | |
| auf, sich gegen die Einführung einer solchen Bezahlkarte für Asylsuchende | |
| einzusetzen. Sollte diese trotzdem eingeführt werden, müssten zumindest | |
| „klare Kriterien“ dafür sorgen, dass die Karte „möglichst | |
| diskriminerungsfrei“ bleibe. | |
| Auch in Brandenburg hatte es innerhalb der Koalition aus CDU, SPD und | |
| Grünen [3][Streit um die Bezahlkarte für Geflüchtete] gegeben. Die dortige | |
| Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hatte sich ebenfalls gegen | |
| Beschränkungen bei den Bargeldzahlungen ausgesprochen. Ministerpräsident | |
| Dietmar Woidke (SPD) hatte das Thema daraufhin an sich gezogen und im Mai | |
| mit einer Absichtserklärung auch der 50-Euro-Bargeld-Beschränkung | |
| zugestimmt. | |
| ## Laut Flüchtlingsrat „undemokratisches Verfahren“ | |
| Die Minister*innenpräsident*innenkonferenz (MPK) war als Gremium während | |
| der Coronapandemie zusammengekommen, um sich länderübergreifend über | |
| Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung auszutauschen. Das Gremium ist | |
| verfassungsrechtlich nicht legitimiert. Der Flüchtlingsrat kritisierte | |
| daher, dass die MPK in „undemokratischem Verfahren“ die | |
| Koalitionspartner*innen auf Landesebene schwäche. Es sei oft unklar, | |
| ob etwa der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) die Agenda seiner | |
| eigenen Politik verfolge, oder ob er Koalitionsbeschlüsse einbringe. | |
| Aus Berlins Sozialverwaltung heißt es währenddessen, dass die Debatte um | |
| die Bezahlkarte „kein einziges Problem löse“. Die Bezahlkarte sei kein | |
| Selbstzweck und sie sei überhaupt nicht geeignet, um mit ihr die | |
| Zuwanderung von geflüchteten Menschen zu steuern, „wie es manche | |
| Politiker*innen immer wieder gern behaupten“, teilt die | |
| Sozialsenatorin dazu mit. Es sei unwahrscheinlich, dass die Karte noch im | |
| laufenden Jahr eingeführt werde, heißt es aus der Kiziltepes Verwaltung. | |
| 24 Jun 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Verschaerfte-Fluechtlingspolitik/!5994678 | |
| [2] /Neue-Doppelspitze-der-Berliner-SPD/!6012676 | |
| [3] /Leistungen-fuer-Asylbewerber/!5982579 | |
| ## AUTOREN | |
| Uta Schleiermacher | |
| ## TAGS | |
| Flüchtlingspolitik | |
| Bargeld | |
| Stigmatisierung | |
| Migration | |
| Kai Wegner | |
| Sozialsenatorin | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Migration | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Bargeld | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Einwanderung und Migration: Schluss mit Fluchtnostalgie | |
| Deutschland braucht eine neue Einwanderungskultur. Das linke und grüne | |
| Narrativ, jede und jeder dürfe herkommen, spielt den Rechten in die Hände. | |
| Berliner Flüchtlingspolitik: Abschieben und drangsalieren | |
| Iris Spranger ist „Abschiebeministerin 2024“. Derweil stimmt Bürgermeister | |
| Wegner ohne Einigkeit im Senat für eine Bezahlkarte für Geflüchete. | |
| Verschärfte Flüchtlingspolitik: Kostenexplosion durch Bezahlkarte | |
| Berlin will die Bezahlkarte für Asylbewerber angeblich nur zum | |
| Bürokratieabbau. Doch dafür ist sie etwas sehr teuer, wie eine | |
| Grünen-Anfrage ergibt. | |
| Leistungen für Asylbewerber: Gängeln für die Stimmung | |
| Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) drängt auf Bezahlkarten | |
| für Geflüchtete. Dabei missachtet er Gesetze und bedient Ressentiments. |