| # taz.de -- Oma gegen Rechts: Gabriele Wölke-Rebhan: „Wir können uns nicht … | |
| > Gabriele Wölke-Rebhan gründete in Erfurt die Omas gegen Rechts mit. Warum | |
| > sie dem AfD-Wahlerfolg trotzt und von der Antifa beeindruckt ist. | |
| Bild: Gabriele Wölke-Rebhan | |
| wochentaz: Wie wurden Sie [1][Oma gegen Rechts], Frau Wölke-Rebhan? | |
| Gabriele Wölke-Rebhan: Am 1. Mai 2019 waren Frauen aus Berlin und Hessen | |
| mit Schildern „Omas gegen Rechts“ auf der Demo in Erfurt. Das hat mich | |
| sofort neugierig gemacht. Früher sind wir Omas alleine auf Demos gegangen, | |
| das ist manchmal aber etwas entmutigend – vor allem, wenn man wie ich Witwe | |
| ist. Man kommt von der Demo und hat niemanden, mit dem man reden kann. | |
| Andere fanden die Idee auch gut, und dann haben wir die Omas gegen Rechts | |
| Erfurt gegründet. Inzwischen sind wir über 40 Leute. | |
| Wofür stehen die Omas? | |
| Wir kämpfen für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, eine gerechte und freie | |
| Gesellschaft mit Respekt und Achtung für alle Menschen, unabhängig von | |
| Herkunft, Religion, sexueller Identität. Wir setzen uns für Frauenrechte | |
| und Generationenverantwortung ein. Das ist mit einer rechten Regierung | |
| nicht zu machen, deshalb passt „Omas gegen Rechts“ gut zu uns. Und es fühlt | |
| sich gut an, mit diesem Namen Teil einer [2][Gemeinschaft von inzwischen | |
| über 30.000 Mitgliedern] zu sein. | |
| Was waren dann Ihre ersten politischen Aktionen? | |
| 2019 haben wir zuerst mit anderen aus der Zivilgesellschaft versucht, den | |
| Einzug der Rechten in den Landtag zu verhindern. Dann kam der [3][Schock | |
| mit der Landtagswahl]. Danach standen wir lange Zeit immer montags bis | |
| samstags eine Stunde vor der Staatskanzlei, um zu mahnen. Dort haben wir | |
| auch Demokratiegespräche mit Bürger*innen geführt, woraus sich unser | |
| samstäglicher Info-Stand mitten im Stadtzentrum entwickelte. Dann kam die | |
| Beratungsstelle Ezra auf uns zu und hat uns vom [4][Ballstädt-Prozess] | |
| erzählt. | |
| 2014 hatten Nazis [5][eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt im Landkreis | |
| Gotha überfallen] und einige Leute schwer verletzt… | |
| Das alte Urteil wurde aufgehoben und neu verhandelt. Die Leute aus dem Ort | |
| lebten Tür an Tür mit den Nazis und trauten sich nicht auszusagen, deshalb | |
| sollten wir als Unterstützerinnen kommen. Wie die Justiz hier agierte, | |
| schockierte mich. Die Betroffenen wurden von den Richtern mit Zynismus und | |
| ohne Empathie behandelt, die Täter mit Milde, wenn sie denn einfach | |
| gestehen würden. | |
| Sie haben gesagt, sie seien sehr betrunken gewesen. Das reichte den | |
| Richtern. | |
| Ja, sie pochten auf Gedächtnisverlust! Da dachten wir Omas: Jetzt erst | |
| recht! Als Reaktion auf den Prozess haben wir die Petition „Keine Deals mit | |
| Nazis“ gestartet und bundesweit über 55.000 Unterschriften gesammelt. Zu | |
| dieser Petition gab es dann eine öffentliche Anhörung im Landtag, und seit | |
| Herbst 2023 liegt sie dem Bundestag vor. Wir besuchen noch immer viele | |
| politische Prozesse. Die Betroffenen sollen sich nicht allein gelassen | |
| fühlen. | |
| Sie sind als Omas auch im antifaschistischen Bündnis „Auf die Plätze!“, | |
| unter anderem mit der DGB-Jugend, der Seebrücke und Jugend ohne Grenzen. | |
| Unterstützen die politischen Parteien Sie auch? | |
| Die Linke und die Grünen unterstützen uns. Die anderen nicht und das ärgert | |
| mich furchtbar. Wir werden immer in die linke Ecke gestellt, dabei sind wir | |
| ein parteienunabhängiger Verein. Wir sind zwischen Mitte 50 und über 80. | |
| Wir kommen aus dem Osten und aus dem Westen. Wir sind Christinnen und | |
| Atheistinnen. Wir vertreten humanistische, ethische und damit auch | |
| christliche Werte. Wir sind Demokratinnen – sonst nichts! Zu dieser | |
| Wahrnehmung trägt zum Teil aber auch die Presse bei. Die AfD-Aufmärsche | |
| haben dort immer viel Raum eingenommen im Gegensatz zu unseren Gegendemos, | |
| die oft viel größer waren. Damit wurde suggeriert, wir seien linke Radikale | |
| gegenüber dieser „bürgerlichen Mitte“ und so kamen wir in eine | |
| Schmuddelecke. Das hielt Leute davon ab, mit uns zu demonstrieren. | |
| Für viele Christdemokrat*innen ist die Antifa der Feind. | |
| Ich gebe zu, die jungen Leute der Antifa waren für mich anfangs schon | |
| gewöhnungsbedürftig. Wir Omas gegen Rechts sehen uns aber aufgrund unserer | |
| Lebenserfahrung auch ein wenig in der Aufgabe zu deeskalieren. Mir | |
| imponiert das enorme Engagement der jungen Leute für die Demokratie. Ich | |
| habe noch nie so viel Hilfsbereitschaft erlebt wie von der Antifa. Die | |
| kümmern sich um uns alte Frauen, als wären wir ihre eigenen Omas. Sie | |
| schützen uns vor verbalen, aber auch körperlichen Angriffen, denen wir | |
| teilweise ausgesetzt sind. Das macht sonst keiner! | |
| Wie blicken Sie auf die kommenden Landtagswahlen? | |
| Das letzte Wahlergebnis hat mich erschüttert. Aber wir können uns jetzt | |
| nicht wegducken, auch wenn vieles schwieriger, zum Teil gefährlicher wird. | |
| Ich könnte auch häkeln, demonstrieren ist anstrengend. Ohne meine | |
| Kytta-Salbe und die Wärmepflaster würde ich es nicht aushalten. Aber die | |
| Demokratie ist es mir wert! Wir müssen Haltung zeigen und, wie die Wahlen | |
| beweisen, uns verstärkt den jungen Menschen widmen. Mit unseren beiden | |
| Projekten zur Bücherverbrennung 1933 in Erfurt, wo wir seit vier Jahren mit | |
| der jungen Generation diesen Teil der Geschichte aufarbeiten, wollen wir | |
| sensibilisieren, damit sich so etwas nie wiederholt. Die AfD kann in | |
| bestimmten Positionen viel erreichen, aber sie kann nicht gleich das ganze | |
| Land kaputt machen. | |
| Haben Sie einen Kampfspruch? | |
| Meine Mutter hat immer gesagt: Ein Glück, dass ich das nicht mehr erleben | |
| muss. Ich möchte im Gegenteil sagen: Ein Glück, dass ich das noch erleben | |
| darf, dass wir Demokrat*innen in Thüringen uns gewappnet haben und den | |
| Siegeszug der Rechten stoppen konnten. | |
| 25 Jun 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Omas-gegen-rechts/!5997656 | |
| [2] /Omas-gegen-Rechts/!5982745 | |
| [3] /Nach-der-Wahl-in-Thueringen/!5658340 | |
| [4] /Milde-Strafen-fuer-Ueberfall-in-Ballstaedt/!5784921 | |
| [5] /Prozess-gegen-Neonazis-in-Ballstaedt/!5252958 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gottschalk | |
| ## TAGS | |
| Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
| Schwerpunkt Demos gegen rechts | |
| Schwerpunkt Antifa | |
| Erfurt | |
| Thüringen | |
| Schwerpunkt Landtagswahlen | |
| Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
| Social-Auswahl | |
| IG | |
| Omas gegen Rechts | |
| Thomas Kemmerich | |
| Rechtsextremismus | |
| Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen | |
| wochentaz | |
| Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die FDP im Thüringer Wahlkampf: Thomas Kemmerich hat einen Plan | |
| Er stürzte das Land in die Krise, als er von der AfD zum | |
| Ministerpräsidenten gewählt wurde. Nun hofft Kemmerich, dass ihm die | |
| Geschichte nochmal nutzt. | |
| Omas gegen Rechts Bundeskongress: Widerstand statt Ruhestand | |
| Auf ihrem ersten Bundeskongress in Erfurt positionieren sich die Omas gegen | |
| Rechts als politische Bewegung. Sie wollen mehr Machen statt Fordern | |
| taz Panter Forum in Erfurt: „Ich gehöre zu Thüringen“ | |
| Die Zivilgesellschaft in Thüringen ist bedroht. Das berichtet unter anderem | |
| die Sozialarbeiterin Nour al Zoubi auf dem taz Panter Forum in Erfurt. | |
| Queere Stimme in der sächsischen Provinz: „Es ist Zusammenhalt und Hassliebe… | |
| Ocean Hale Meißner engagiert sich in Döbeln für queere Menschen. Ein | |
| Gespräch über Heimatliebe trotz Nazis und Aktivismus in der Minderheit. | |
| Antifa in Ostdeutschland: Der Frust darf nicht siegen | |
| Es gibt vieles, was die Zivilgesellschaft schon geschafft hat. Sie ist | |
| kreativer geworden, demonstriert weiter und ist wirksam. Ein Gastkommentar. |