| # taz.de -- Umweltschützer über Hochwasser in Bayern: „Ein billiges Ablenku… | |
| > Wer Hochwasser vermeiden will, muss Flüsse renaturieren, sagt | |
| > Naturschutzverbandschef Schäffer. Er kritisiert Bayerns | |
| > Wirtschaftsminister Aiwanger. | |
| Bild: Bei zu viel Wasser hilft auch der Polder nicht mehr, sagt Norbert Schäff… | |
| taz: Herr Schäffer, wenn ich den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert | |
| Aiwanger richtig verstanden habe, sind Sie [1][an der | |
| Hochwasserkatastrophe] schuld. Wie konnten Sie nur? | |
| Norbert Schäffer: Wenn die Situation nicht so traurig wäre, könnte man über | |
| solche Aussagen tatsächlich lachen. Aber im Ernst: Das ist doch nur ein | |
| billiges Ablenkungsmanöver von Hubert Aiwanger, nachdem er selbst das | |
| Hochwassermanagement und den Klimaschutz in vielen Bereichen behindert hat. | |
| Wir fordern seit Langem immer wieder einen nachhaltigen Hochwasserschutz in | |
| Bayern. Wenn Aiwanger uns jetzt den Schwarzen Peter zuschieben will, ist | |
| das einfach nur unanständig. Ein durchsichtiges politisches Manöver [2][vor | |
| der Europawahl]. | |
| Bei dem Vorwurf geht es um Staubing im niederbayerischen Landkreis Kelheim, | |
| das jetzt überschwemmt wurde. Laut Aiwanger geht das auf Ihr Konto – weil | |
| der LBV gegen einen notwendigen Staudamm geklagt hat. | |
| Man muss wissen, was genau da geplant war: Dieser Staudamm sollte ein | |
| riesiges Bauwerk über 700 Meter werden, der über 20 Millionen Euro gekostet | |
| hätte – für insgesamt zehn Häuser. Wir haben auf die beträchtliche | |
| Naturzerstörung durch diesen Damm hingewiesen und Alternativen aufgezeigt: | |
| Man könnte diesen Damm beispielsweise näher an die Ortschaft heranführen, | |
| dann hätte die Donau schon mehr Platz, und der Damm könnte kleiner | |
| ausfallen. Noch kostengünstiger wäre es, die Menschen in den zehn Häusern | |
| abzusiedeln, ihnen andere Häuser im Ort zur Verfügung zu stellen. Man darf | |
| auch nicht vergessen, dass die Leute wissentlich im Überschwemmungsgebiet | |
| gebaut haben – zum Teil noch nach 1999, nachdem es dort schon mal so ein | |
| Hochwasser gegeben hat. So ein Damm würde im Übrigen ebenfalls dazu führen, | |
| dass das Wasser noch schneller die Donau abwärtsschießt. In Regensburg und | |
| Passau würde man sich dann bedanken. Die Behörden haben sich unseren | |
| Vorschlägen aber verweigert und waren nicht bereit, Alternativen zu | |
| überprüfen. Und deshalb wurde unserer Klage dann ja auch 2021 recht | |
| gegeben. So schlecht können unsere Argumente also nicht gewesen sein. | |
| Sie sagen, Aiwanger habe den Hochwasserschutz heruntergeschraubt. Damit | |
| beziehen Sie sich auf seinen anfänglichen Widerstand gegen Flutpolder 2018, | |
| als er mit seinen Freien Wählern in die bayerische Regierung gekommen ist. | |
| Zum Beispiel. Aiwanger hat aber auch die Renaturierung von Mooren | |
| behindert, die [3][Begrenzung der Flächenversiegelung] oder die Einrichtung | |
| von Gewässerrandstreifen. Und dann eben auch den Bau von Poldern. Wir | |
| selbst sind keine bedingungslosen Freunde der Polder, aber Polder sind eine | |
| Möglichkeit, die Hochwasserspitzen zu kappen. Es kommt darauf an, wie sie | |
| gebaut werden. Wir halten es für wichtig, dass der Lebensraum innerhalb der | |
| Polder für regelmäßige Überflutungen fit gemacht wird. | |
| Sie sind also nicht grundsätzlich gegen technischen Hochwasserschutz? | |
| Nein. Natürlich können Polder bei einer Flutkatastrophe helfen. Aber seien | |
| wir mal ehrlich: Wenn das Wasser schon in Deggendorf oder Passau steht, ist | |
| es eigentlich schon zu spät. Wir müssen an den Oberläufen der Flüsse und | |
| Bäche anfangen. Deshalb fordern wir schon seit Jahren beispielsweise eine | |
| Renaturierung von Mooren oder auch kleinen Fließgewässern. Auch die | |
| Gewässerrandstreifen, die im Rahmen des bayerischen Volksbegehrens zum | |
| Artenschutz verbindlich gemacht wurden, helfen natürlich. Jeder Kubikmeter | |
| Wasser, der ein bisschen langsamer abfließt, und jede Tonne Erde, die in | |
| den Feldern bleibt und nicht als Schlamm in den Flüssen landet, hilft. Aber | |
| all diese Maßnahmen hat Aiwanger immer sabotiert. | |
| Eine Renaturierung hätte ja auch noch andere Vorteile … | |
| Selbstverständlich. So fördern die dadurch entstehenden Lebensräume | |
| beispielsweise die Artenvielfalt. Und wenn wir Moore wiedervernässen, | |
| können wir damit große Mengen Kohlenstoff im Boden speichern. Allein im | |
| Donaumoos wird durch das Trockenlegen von Mooren jedes Jahr eine halbe | |
| Million Tonnen CO₂ freigesetzt. | |
| Andererseits ist die Renaturierung von Flüssen ein Prozess, der über | |
| Jahrzehnte geht. Bis dahin fließt – mit Verlaub – sehr viel Wasser die | |
| Donau hinunter. | |
| Das ist richtig. Wir können nicht irgendwo einen Schalter umlegen. Aber | |
| wenn wir noch länger warten, geht es auch nicht schneller. Wir brauchen ab | |
| sofort einen grundsätzlich anderen Umgang mit Wasser. Das Wasser muss mit | |
| vielfältigen Maßnahmen in der Fläche gehalten werden – zum einen, damit es | |
| zu einer Grundwasserneubildung kommt, zum anderen eben, um die | |
| Hochwasserspitzen bei Starkregenereignissen zu kappen. Und vor allem: Wir | |
| müssen das Thema Wasser überall mitdenken. Bei jeder Hofeinfahrt müssen wir | |
| überlegen, ob die tatsächlich gepflastert werden muss oder ob wir sie so | |
| lassen, dass dort bei Starkregen auch mal 30 Liter Regen versickern können. | |
| Das muss sich wie ein roter Faden durch alle Maßnahmen durchziehen. | |
| Den Bewohnern von Staubing hätten die nicht gepflasterte Hofeinfahrt oder | |
| ein paar mehr renaturierte Bäche aber wohl auch nicht geholfen. | |
| Ich habe wirklich sehr großes Mitgefühl mit den Betroffenen der Flut, | |
| natürlich auch mit den Menschen in Staubing. Aber man muss den Leuten dort | |
| in diesem konkreten Fall auch irgendwann mal vermitteln, dass wir viele, | |
| viele Millionen ausgeben, um ganz wenige Häuser zu schützen. Klar müssen | |
| wir solidarisch sein, aber wenn Häuser an Orten gebaut worden sind, wo es | |
| künftig immer wieder zu solchen Katastrophen kommen wird, dann muss die | |
| Empfehlung doch sein: Leute, wir geben euch Geld, damit ihr euch hundert | |
| Meter weiter, etwas höher gelegen, ein neues Haus bauen könnt – anstatt | |
| dass wir dieses Geld in einen völlig unverhältnismäßigen Schutz durch | |
| riesige Dämme stecken. Das wäre auch in Staubing problemlos möglich. | |
| Vielfach sind es ja gar nicht mehr nur die großen Flüsse. Es versinken ja | |
| Orte in den Fluten, die man nie als gefährdet betrachtet hätte. | |
| Wenn es irgendwo in kurzer Zeit 150 bis 200 Millimeter Niederschlag gibt, | |
| dann passieren natürlich Dinge, die nicht vorhersagbar sind. Da können auch | |
| kleine Bäche, die man bis jetzt nicht mit Hochwasser in Verbindung gebracht | |
| hat, plötzlich überlaufen. Und das wird uns [4][infolge der | |
| Klimakatastrophe künftig immer häufiger] passieren. Und so was werden wir | |
| auch nicht ganz verhindern können. Wenn wir aber grundsätzlich anders mit | |
| Wasser umgehen, können wir schon die Wahrscheinlichkeit für | |
| Hochwasserereignisse reduzieren. Und auch die Auswirkungen können wir | |
| minimieren. | |
| 5 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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