# taz.de -- Untersuchungsausschuss „Gehaltsaffäre“: Weil gibt nicht den Sc… | |
> Im Untersuchungsausschuss zum Gehalt der Büroleiterin von | |
> Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist der prominenteste Zeuge | |
> vernommen worden. | |
Bild: Nicht glücklich, kann sich aber immerhin erinnern: Ministerpräsident St… | |
Hannover taz | Der wichtigste Zeuge ist früh dran. Ministerpräsident | |
Stephan Weil steht schon im Sitzungssaal des Parlamentarischen | |
Untersuchungsausschusses, bevor alle Ausschussmitglieder eingetrudelt sind, | |
verbreitet demonstrativ gelassen gute Laune und schüttelt Hände. | |
Anders als andere Politiker in dieser Situation, so viel lässt sich am Ende | |
sagen, leidet er nicht unter umfangreichen Gedächtnislücken. Die CDU wird | |
aber trotzdem finden, dass er nicht alle ihre Fragen wirklich beantwortet | |
hat. Es geht um das Gehalt seiner Büroleiterin und ein bisschen mehr als | |
das. | |
[1][Die Opposition glaubt, Weil und der Chef seiner Staatskanzlei haben | |
deren Beförderung mit der Brechstange durchgesetzt], also rechtswidrig und | |
ohne Rücksicht auf Bedenken von Fachleuten die Änderung einer langjährigen | |
Verwaltungspraxis durchgeboxt, nur um diese eine junge Frau besser bezahlen | |
zu können. | |
Weil und seine SPD behaupten das Gegenteil: Anhand dieses Einzelfalls sei | |
man auf eine grundsätzliche Ungerechtigkeit gestoßen, die man habe | |
beseitigen wollen – auch um die Attraktivität des öffentlichen Dienstes als | |
Arbeitgeber zu steigern. | |
## Loblied auf den zweiten Bildungsweg | |
In der [2][mittlerweile sechsten Sitzung des Untersuchungsausschusses] | |
arbeitet man sich vor allem an drei Komplexen ab. Erstens: Durfte die junge | |
Frau überhaupt so hoch eingestuft und bezahlt werden?Zweitens: Von wem | |
wurde die neue Einstufungsregelung wann und wie angeordnet, durchgesetzt | |
und für wen soll sie wirklich gelten? Drittens: Wer hat entschieden, dass | |
die Höherstufung rückwirkend erfolgen soll und der Büroleiterin damit die | |
beträchtliche Summe von rund 10.000 Euro nachgezahlt werden musste? | |
Vor allem die erste Frage beantwortet Weil sehr klar und sehr | |
sozialdemokratisch: Mit einem Loblied auf diese Mitarbeiterin und vor allem | |
den zweiten Bildungsweg, den sie beschritten hat. | |
Während CDU-Wortführerin Carina Hermann immer wieder kritisiert, man könne | |
doch jemanden „wenige Wochen nach dem Master“ nicht mit einer solchen | |
Spitzenposition betrauen, betont Weil, er habe das als große | |
Ungerechtigkeit empfunden, dass genau solche „atypischen“ Lebensläufe im | |
bisherigen System nicht hinreichend gewürdigt werden konnten. | |
„Ein Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg, also neben der Berufstätigkeit, | |
erfordert so viel mehr an Leistungsbereitschaft, Energie und Willen.“ Und | |
es könne doch auch nicht sein, dass Berufserfahrung, die vor dem Master | |
liege, quasi nicht zähle. | |
## Eine Stelle als Durchlauferhitzer | |
Im Falle seiner Büroleiterin sieht er das so: Die Stelle war praktisch | |
immer schon, mindestens „seit einem Vierteljahrhundert“, mit der | |
Gehaltsstufe B2 AT bewertet. Damit die junge Frau die erreicht, hätte sie | |
nach der geltenden Verwaltungspraxis aber acht bis zehn Jahre warten müssen | |
– weil die Laufbahn analog zum Beamtenrecht nachgezeichnet wird und ihr die | |
nötigen Anrechnungszeiten fehlten. | |
Allerdings: So lange ist eigentlich niemand Büroleiter*in. Der Posten ist | |
quasi ein Durchlauferhitzer, ein Sprungbrett, von dem man sich nach ein | |
paar Jahren auf die nächste Stelle bewirbt. Und weil es eine enge | |
Vertrauensstelle ist, wäre spätestens mit dem Ende der Amtszeit des | |
Ministerpräsidenten ja auch für sie Schluss. | |
Deshalb, sagt Weil, habe er auch die Rückwirkung plausibel gefunden: Anders | |
als Beamte bekommen Angestellte ihre Zulagen eben nur für die Dauer der | |
Tätigkeit und nicht auf Lebenszeit. Die Opposition hält ihm dagegen vor, | |
dass ja kaum jemand nach einem solchen Büroleiterposten gehaltsmäßig wieder | |
nach unten falle. | |
## Einzelfall oder strukturelles Problem? | |
Ganz so klar und leidenschaftlich fällt Weils Vorwärtsverteidigung in den | |
anderen Punkten auch nicht aus. Immer wieder beharrt er darauf, er habe | |
diese Ungerechtigkeit grundsätzlich beseitigen wollen, weil der öffentliche | |
Dienst sonst bald ein Personalproblem kriege. | |
Immer wieder hält ihm die Opposition vor, dass er [3][hier aber nur eine | |
Regelung für eine winzige Spitzengruppe geschaffen habe], während alle | |
anderen Konzepte, um die Landesverwaltung „demografiefest“ zu machen, eher | |
vage blieben. | |
Auch aus den Aktennotizen und Aussagen der Fachabteilungen im | |
Finanzministerium und in der Staatskanzlei lässt sich ablesen, dass es | |
erhebliche Bedenken gab und mehr als eine Person davon ausging, dass es | |
hier vor allem um den Einzelfall ging. | |
Wie viel davon [4][am Ministerpräsidenten kleben bleibt] oder ob sein | |
Staatssekretär demnächst den Hut nehmen muss, bleibt offen. Bis | |
Redaktionsschluss dauerte die Befragung noch an. | |
Bei der Staatsanwaltschaft in Hannover läuft derweil auch noch ein | |
Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Untreue gegen | |
unbekannt. Es stützt sich nach Angaben der Deutschen Presseagentur auf | |
Medienberichte zum Untersuchungsausschuss und zwei Anzeigen von | |
Privatpersonen. | |
15 Jun 2024 | |
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[2] /Gehaltsaffaere-in-Niedersachsen/!6004520 | |
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[4] https://www.stk.niedersachsen.de/startseite/der_ministerprasident/ | |
## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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