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# taz.de -- Untersuchungsausschuss in Hannover: Ein Büro für alle Fälle
> Sind in der Staatskanzlei von Ministerpräsident Weil SPD-Parteitage
> vorbereitet worden? Die niedersächsische CDU fährt neue Vorwürfe auf.
Bild: Hat er sein Büro eingespannt? Ministerpräsident Stephan Weil auf einem …
Hannover taz | Eigentlich dachte man schon, in diesem Parlamentarischen
Untersuchungsausschuss sei alles gesagt. Neunmal hat der bisher getagt, um
aufzuklären, wie die hohe Bezahlung für die Büroleiterin des
Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) zustande kam. Die junge Frau hatte
ziemlich schnell nach ihrem Jobantritt ein außertarifliches B2-Gehalt
erhalten, dabei wurden ihr sogar rückwirkend ab der Probezeit rund 8.200
Euro brutto im Monat gezahlt. Dafür mussten die bisherigen
Beförderungsregeln geändert werden, was im Finanzministerium auf Widerstand
stieß.
Die Sitzungen des Untersuchungsausschusses verloren sich allerdings immer
mehr im Dickicht des komplizierten Besoldungsrechtes und der Frage, wer
wann welchen Aktenvermerk gezeichnet hatte. Doch jetzt ist der CDU noch
einmal ein Paukenschlag gelungen. Irgendwo in den Untiefen der
angeforderten Aktenberge aus der Staatskanzlei haben sie einige E-Mails
aufgetrieben, die zumindest weitere Fragen aufwerfen.
Der größte und wichtigste Vorwurf betrifft dabei die unzulässige
Vermischung von Regierungs- und Parteiarbeit in der Staatskanzlei. Den
Eindruck, dass hier nicht immer sauber getrennt wurde, produziert
ausgerechnet der vorherige Büroleiter Weils. Das geht aus einem
Schriftwechsel hervor, über den die FAZ zuerst exklusiv berichtet hat.
Demnach wurde der ehemalige Büroleiter gebeten, doch einmal eine
Aufgabenbeschreibung zu verfassen, wohl in der Absicht, damit die hohe
Besoldung der Stelle zu rechtfertigen. Und der Ex-Büroleiter ließ sich
nicht lange bitten. Als Büroleiter schreibt er, sei man dafür
verantwortlich, dass „der Ministerpräsident zur richtigen Zeit, mit den
richtigen Menschen, am richtigen Ort ist und die richtigen Informationen
vorliegen hat“.
Dafür müsse man gute Kontakte zu allen möglichen Stellen pflegen: Vom Büro
des Bundeskanzlers bis zum Büro des VW-Aufsichtsratsvorsitzenden, zu den
Abgeordneten der eigenen Fraktion genauso wie zu denen der Opposition und
man sei – und da wird es heikel – Schnittstelle zur Partei. Immerhin ist
der Ministerpräsident ja auch Landesvorsitzender der SPD.
## Ein schwieriges Feld
Grundsätzlich ist das für alle Parteien ein schwieriges Feld. Theoretisch
und juristisch müssen diese beiden Dinge sauber getrennt werden. Rein
praktisch gibt es aber natürlich immer Überschneidungen, weil Termine und
Inhalte abgestimmt werden müssen, aber auch weil das Personal munter hin-
und herwechselt.
Was sich aber mit ziemlicher Sicherheit außerhalb dieser Grauzone bewegt,
sind Dinge, die der Ex-Büroleiter dazu sonst noch so schreibt: Er habe an
Gremiensitzungen teilgenommen oder den MP dazu begleitet und ihm vor
Landesparteitagen oder wichtigen Reden Textbausteine zugeliefert, die der
auch regelmäßig benutzt habe.
Dieser Passus gefiel Staatskanzleichef Jörg Mielke offenbar gar nicht: „Den
parteipolitischen Teil würde ich sehr bewusst in der weiteren Darstellung
nach außen weglassen“, soll er geantwortet haben.
Der Vorgang ist auch deshalb so bemerkenswert, weil Stephan Weil in dieser
Hinsicht einschlägig vorbelastet ist, worauf Carina Hermann (CDU) noch
einmal genüsslich hinweist. 2012 hatte Weil, damals noch Oberbürgermeister
von Hannover zerknirscht zugeben müssen, dass er eine Parteitagsrede von
seiner Sekretärin im Rathaus abtippen ließ.
Hermann, Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion und
Wortführerin im Untersuchungsausschuss, lässt nichts unversucht, um nun
wenigstens den Staatskanzleichef in die Bredouille zu bringen. In ihren
Augen ist dies nämlich nicht die einzige Stelle, an der die öffentliche
Darstellung der Staatskanzlei nicht den Fakten entsprach.
Das gilt zum Beispiel auch für die Behauptung, man habe eine Länderumfrage
gemacht und die Besoldungspraxis sei in den meisten Ländern ähnlich. Erst
im Nachhinein stellte sich heraus, dass überhaupt nur sieben oder acht
Länder befragt wurden.
Oder bei der Behauptung, es seien mindestens zwei weitere Mitarbeiter
anderer Häuser in den Genuss der neuen Beförderungsregeln gekommen. Sie
hätten die Beförderung aber wohl auch nach den alten Spielregeln bekommen.
In den Akten steht außerdem: Die Frage danach, wie viele Personen insgesamt
von der Neuregelung profitiert haben, lässt sich gar nicht seriös
beantworten. Dazu fehlt der Überblick beziehungsweise man hätte alle
Beförderungsfälle einer Vorher-Nachher-Prüfung unterziehen müssen.
Etwas Ähnliches gilt für die vorherige Bezahlung der neuen Büroleiterin.
Sie sei ja irrtümlich davon ausgegangen, dass diese schon auf ihrem vorigen
Posten in Hamburg nach der Stufe EG 15 bezahlt worden wäre und nicht nach
EG 14, beschwert sich die Regierungssprecherin in einer Mail. Das habe sie
auch Journalisten gegenüber so gesagt, das müsse man doch jetzt sofort
korrigieren. Antwort des Ministerpräsidenten: „Darüber würde ich gern
morgen nochmal reden.“
## Unnachgiebig und ungerührt
Staatskanzleichef Jörg Mielke zeigt sich aber auch in seiner zweiten
Befragung durch den Ausschuss unnachgiebig und ungerührt. „Niemand bereitet
den MP auf Parteitage vor, schon gar nicht irgendeine Büroleitung.“ Der
Kollege, lässt er durchblicken, habe da wohl überzogen. Und alles andere
waren eben auch bloß Irrtümer und Missverständnisse und die habe man ja nun
hinlänglich ausgeräumt. Das man unterstelle, hier sei gelogen oder
absichtlich die Öffentlichkeit getäuscht worden, verbitte er sich.
Die CDU will sich eine Vereidigung Mielkes offen halten. Außerdem hat sie
Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft eingelegt, die ein
Ermittlungsverfahren wegen Untreue eingestellt hatte. Eigentlich müsse der
Staatskanzleichef endlich die Verantwortung übernehmen und zurücktreten,
heißt es.
Die Vertreter der Regierungsparteien rollen demonstrativ mit den Augen.
„Natürlich wird in der Staatskanzlei keine SPD-Parteiarbeit gemacht, wie
auch in der vergangenen Legislatur beim stellvertretenden
Ministerpräsidenten Bernd Althusmann (CDU) ganz sicher keine
CDU-Parteiarbeit gemacht wurde“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer
der SPD, Wiard Siebels. Das alles beziehe sich doch nun nur auf die E-Mail
eines Mitarbeiters, der sich selbst attestiere, was er nun alles gemacht
habe.
Und auch aus der Staatskanzlei heißt es: „Der Ministerpräsident hält seine
Reden in aller Regel frei. Davon ausgenommen sind etwa
Regierungserklärungen, zu denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch
Bausteine liefern. Sowohl die Regierungserklärungen als auch
Parteitagsreden schreibt der Ministerpräsident selbst.“
Ob das reicht, um diese neuen Vorwürfe zu entkräften, wird sich zeigen. Am
24. Oktober tagt der Untersuchungsausschuss zum nächsten, dem zehnten Mal.
23 Sep 2024
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Stephan Weil
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Untersuchungsausschuss
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