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# taz.de -- Israel im Nahost-Krieg: Netanjahus Kriegskabinett zerbröselt
> Nach dem Rücktritt von Benny Gantz droht ein weiteres Zerwürfnis. Auch
> Verteidigungsminister Joav Galant könnte sich gegen Netanjahu stellen.
Bild: Vielleicht verlässt auch Verteidigungsminister Joav Galant das Kabinett
Jerusalem taz | Nach einem rund dreiwöchigen Ultimatum an Israels
Regierungschef Benjamin Netanjahu hat Benny Gantz am Sonntagabend die
Reißleine gezogen: Seine Partei [1][National Unity verlässt das
Kriegskabinett] – und damit auch er selbst sowie sein Parteikollege Gadi
Eizenkot. Der gehörte dem Kabinett in beobachtender Funktion an. Aus dem
Dreierbund der stimmberechtigten Mitglieder des Kriegskabinetts wird so ein
Duo: Übrig bleiben Netanjahu und sein Verteidigungsminister Joav Galant.
Der Grund des Schismas: Zu sechs von Gantz als wichtig erachteten Punkten
sollte Netanjahu eine Entscheidung treffen. Er tat dies aber nicht. Dass
Gantz darauf besteht, dass Netanjahu einen Plan für den Gazastreifen nach
dem beabsichtigten Sturz der Hamas vorlegt – wie es einer der Punkte
vorsieht –, ist nachvollziehbar. Auch eine echte Strategie, die noch immer
120 Geiseln aus Gaza zu befreien, scheint weiter zu fehlen. Zwar hatte das
israelische Militär am Samstag vier Geiseln retten können, doch dass dabei
nach palästinensischen Angaben über 270 Menschen getötet wurden, sorgte
wieder für Kritik, vor allem aus dem Ausland.
Neben fünf Punkten, die sich im weitesten Sinne auf den Konflikt zwischen
Israel und den Palästinensern beziehen, stand auf Gantz’ Liste auch ein
innenpolitisches Thema: ein Gesetz, das Männer der ultraorthodoxen
Gemeinschaft in Israel de facto vom Militärdienst befreien würde. Davon
sind sie im Normalfall ohnehin bereits ausgenommen. Die Einberufung, die
sonst alle jüdischen Israelis sowie männliche Drusen betrifft, können sie
durch den Besuch einer religiösen Schule wieder und wieder hinauszögern,
bis sie schließlich das Alter erreichen, in dem sie von der Dienstpflicht
ausgeschlossen werden. Diese Regelung soll nun mit weiter abgesenkter
Altersgrenze Gesetz werden.
Die Opposition läuft Sturm. Laut Berichten der Times of Israel wollte aber
auch Verteidigungsminister Galant noch am späten Montagabend, wenn das
Gesetz zur Abstimmung in der Knesset vorliegt, entgegen der Regierungslinie
mit Nein stimmen. Das käme laut einigen Analysten dem Beginn eines
Zerbrechens der Regierung gleich.
Neben dem Ausdruck seiner Opposition zu Netanjahus Strategielosigkeit hat
Gantz mit seinem Rücktritt auch mit dem Wahlkampf begonnen. Die
Verfehlungen Netanjahus und seiner Regierung will er nicht weiter als
Mitglied des Kriegskabinetts mittragen. Stattdessen will er wohl selbst
Premier werden. In seiner Abschiedsrede am Sonntag rief er zu Neuwahlen
auf.
Ben Gvir will ins Kriegskabinett
Bis diese stattfinden, hat Gantz’ Entscheidung wohl zunächst den
gegenteiligen Effekt von dem, was er mit seinem Rücktritt beabsichtigte.
Die rechtsextremen Kräfte in der Regierung gewinnen nun an Einfluss. Und
die haben erst recht keinen Plan für eine Zivilverwaltung für die
Palästinenser im Gazastreifen nach Ende des Krieges.
Der Times of Israel erklärte ein Vertrauter Gantz’: „Wir hatten keine Wahl,
außer zurückzutreten. Kurzfristig wird nicht viel passieren, aber
langfristig ist es der einzige Weg, die Regierung zu verändern.“ Doch
dafür, dass sich kurzfristig eben doch einiges ändern könnte, möchte nun
Itamar Ben Gvir sorgen, der extrem rechte Minister für innere Sicherheit.
Sofort nach Gantz’ Ankündigung forderte er Netanjahu auf, den nun
freigewordenen Posten im Kriegskabinett mit ihm zu besetzen.
In den vergangenen Monaten ist das Kriegskabinett zur wohl wichtigsten
Entscheidungsmacht in Israel avanciert. Ben Gvir erklärte: Die Gründung des
Kriegskabinetts habe „Macht von der Koalition und von den Ministern
genommen“ und diese ausgeschlossen. Es sei nun an der Zeit, „mutige
Entscheidungen“ zu treffen.
Diese beträfen wohl auch einen Geiseldeal mit der Hamas. Ben Gvir hatte
angekündigt, einem solchen Plan nicht zuzustimmen. [2][Ende Mai hatte
US-Präsident Joe Biden einen Drei-Stufen-Deal vorgestellt.] Sein
Außenminister Antony Blinken ist derzeit erneut in der Region unterwegs, um
für diesen zu werben. Zwar herrscht zwischen der Hamas und Israel noch
immer Uneinigkeit beim Thema Waffenstillstand – doch so gering wie derzeit
waren die Differenzen wohl schon lange nicht mehr.
10 Jun 2024
## LINKS
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[2] /Druck-auf-Regierungschef-Netanjahu/!6014301
## AUTOREN
Lisa Schneider
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