# taz.de -- Geistliche in Mexiko: Rausch oder Verbrechen | |
> In Mexiko rätselt man, ob Bischof Salvador Rangel sich ein paar schöne | |
> Tage gemacht hat oder Opfer von Banden wurde. Beides wäre nicht | |
> ungewöhnlich. | |
Bild: In Mexiko finden am 2. Juni allgemeine Wahlen statt. Der Wahlkampf ist vo… | |
Hat er sich einfach ein paar nette Stunden mit einem Mann gemacht oder | |
wurde er tatsächlich Opfer einer Entführung? Bis heute ist ungeklärt, warum | |
der emeritierte mexikanische Bischof Salvador Rangel Ende April | |
vorübergehend verschwunden war. Zwei Tage lang schien der 78-Jährige wie | |
vom Erdboden verschluckt, dann fanden ihn Rettungssanitäter in einem Motel. | |
Er war bewusstlos und nackt, neben ihm lagen viagraähnliche Pillen. | |
Später, im Krankenhaus, wurden in seinem Blut Reste von Kokain und die | |
gerne als Droge konsumierten Benzodiazepine gefunden. Das und die Tatsache, | |
dass mit seiner Bankkarte mehrmals Geld abgehoben wurde, weise darauf hin, | |
dass Rangel entführt worden sei. Man habe ihn gezielt unter Drogen gesetzt. | |
Sagt die Staatsanwaltschaft. | |
Natürlich sagt das auch der Geistliche selbst, bekräftigt von der | |
mexikanischen Bischofskonferenz. Doch der Gouverneur des Bundesstaates | |
Morelos, in dem der Bischof jetzt lebt, hält daran fest, dass sich der | |
Kirchenmann schlichtweg vergnügt habe und die Party aus den Fugen geraten | |
sei. „Es gibt keine Zeugen, keine Kameras, die zeigen, dass er entführt | |
wurde“, bekräftigte der Landeschef Samuel Sotelo von der Morena-Partei des | |
Präsidenten Andrés Manuel López Obrador. | |
Beide Versionen wären in Mexiko nicht ungewöhnlich. Und eigentlich auch | |
nicht der Erwähnung wert, ginge es nicht um Salvador Rangel. Denn der | |
Kirchenmann, der vor seiner Emeritierung 2022 Bischof im | |
Nachbar-Bundesstaat Guerrero war, hat sich durch seinen guten Draht zur | |
Mafia einen umstrittenen Namen gemacht. | |
Mehrmals vermittelte er zwischen verschiedenen kriminellen Banden sowie | |
anderen Interessengruppen, etwa den kommunalen Selbstverteidigungskräften, | |
die häufig ebenfalls ins kriminelle Geschäft involviert sind. Rangels | |
erklärtes Ziel: die Befriedung der von Morden, Entführungen und Überfällen | |
gezeichneten Region. | |
## Auf gutem Fuß mit den „Ardillos“ | |
Dabei ließ der Bischof keine Zweifel, dass er mit den „Ardillos“ – den | |
Eichhörnchen – auf besonders gutem Fuß stand, während andere Kriminelle | |
schlecht wegkamen. Die, so findet er, seien geordneter und disziplinierter. | |
„Die Ardillos sind sehr gut und die Kommunalen schlecht, oder sagen wir, | |
nicht schlecht, aber nur an Geld interessiert“, sagte er einmal und | |
erklärte, dass die Selbstverteidigungskräfte für Morena agieren würden. | |
Die Eichhörnchen dagegen arbeiteten für die oppositionelle Partei PRI. Nach | |
Rangels Einschätzung spielen diese politischen Interessen eine größere | |
Rolle als das Drogengeschäft. | |
Nach seinem Ausscheiden aus dem heiligen Amt ist der emeritierte Bischof | |
weiterhin in Sachen Vermittlung im Geschäft. Das könnte ihm den Ärger | |
eingebracht haben. Schon vor ein paar Monaten sprach er von Morddrohungen. | |
So gesehen hatte er sogar noch Glück, wenn er denn entführt worden sein | |
sollte. Immer wieder sterben Kirchenvertreter, die in umkämpften Gebieten | |
tätig sind. | |
Vergangenes Jahr traf es zwei Jesuitenpfarrer im nördlichen Bundesstaat | |
Chihuahua. [1][Im südlichen Chiapas] wurde jüngst in der Gemeinde | |
Chicomuselo ein Katechet mitsamt seiner Familie ermordet, nachdem er seine | |
Kirchengemeinde aufgerufen hatte, sich nicht mit der Mafia einzulassen. Im | |
Februar informierten Pfarrer aus der Region, man habe dort hundert Kirchen | |
schließen müssen, weil Kriminelle Schutzgeld fordern. | |
## 32 Kandidaten im Wahlkampf ermordet | |
Vergangene Woche erklärten die Bischöfe von Chiapas, derzeit seien dort die | |
Voraussetzungen für die [2][am 2. Juni stattfindenden Präsidentschafts-, | |
Parlaments-, Gouverneurs- und Kommunalwahlen] wegen der anhaltenden Gewalt | |
nicht gegeben. Das trifft für viele Gegenden zu. Mindestens 32 | |
Kandidatinnen und Kandidaten wurden im Wahlkampf ermordet. | |
Auch der erfahrene Verhandler Rangel macht sich nichts vor. Wie auch immer | |
seine Deals aussahen, sie sorgten vorübergehend für ein bisschen weniger | |
Blutvergießen. Lange hat das nie gehalten. Angesichts der aktuellen Lage | |
lässt er jedoch keine Zweifel: „Das organisierte Verbrechen hat die | |
politische, wirtschaftliche und soziale Lage im Bundesstaat Guerrero im | |
Griff, wir sind in dessen Händen.“ | |
21 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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