# taz.de -- Drogenkartell mischt im Wahlkampf mit: „Wir wissen, wo du lebst“ | |
> Schwere Vorwürfe gegen Ex-Präsidenten: Das mexikanische Sinaloa-Kartell | |
> soll den Wahlkampf von Andrés Manuel López Obrador finanziert haben. | |
Bild: Morgendliche Pressekonferenz des mexikanischen Präsidenten AMLO im Febru… | |
Hat das Sinaloa-Kartell den Wahlkampf des [1][mexikanischen] Staatschefs | |
Andrés Manuel López Obrador finanziert? Mit dieser Frage haben jüngst | |
mehrere Journalist*innen, unter ihnen Anabel Hernández für die Deutsche | |
Welle und Natalie Kitroeff für die New York Times, für Wirbel gesorgt. | |
Dabei ging es nicht um die im Juni in Mexiko anstehenden | |
Präsidentschaftswahlen, zu denen López Obrador ohnehin nicht mehr antreten | |
darf. | |
Dessen Kampagne für den Urnengang im Jahr 2006 sei von der | |
Mafiaorganisation mit Millionen US-Dollar unterstützt worden, schrieb | |
Hernández. Sogar noch 2018, also in der jetzigen Amtszeit des | |
Staatsoberhaupts, habe es Treffen zwischen seinen Vertrauten und Anführern | |
des [2][Sinaloa-Kartells] gegeben, ergänzte die Times. Die Quelle: drei | |
Informanten, „die sich im Thema auskennen“. | |
[3][López Obrador], kurz AMLO genannt, verlor die Wahl 2006 vermutlich | |
aufgrund eines Betrugs seines konservativen Konkurrenten Felipe Calderón. | |
Das ist Geschichte. Die „Enthüllungen“ von 2018 könnten aber angesichts d… | |
anstehenden Wahl, in der López Obrador seine potenzielle Nachfolgerin | |
Claudia Sheinbaum promotet, große Wirkung entfalten. Zumal der | |
Linkspolitiker sich gerne als Saubermann inszeniert, der den Korrupten des | |
alten Regimes den Kampf angesagt hat. | |
Doch die Beweislast ist dünn. Alle Informationen entstammen offensichtlich | |
den Archiven der US-Antidrogenbehörde DEA. Kitroeff selbst erklärt, warum | |
die Recherchen wenig hergeben: „Ein guter Teil der von den Beamten | |
zusammengesammelten Informationen stammt von Informanten, deren Aussagen | |
sich schwer erhärten lassen und gelegentlich inkorrekt sein könnten.“ | |
Hernández sparte sich gleich den Konjunktiv und schrieb von „soliden | |
Beweisen“ und „vertrauenswürdigen Berichten“. Die Kriminellen hätten im | |
Gegenzug für die Zahlungen Schutz vor staatlicher Verfolgung und | |
Mitspracherecht bei der Ernennung des Generalstaatsanwalts erwartet. | |
## Vorwürfe de facto unbewiesen | |
Die de facto unbewiesenen Vorwürfe ließen Kritiker*innen wie den | |
Journalisten Temoris Grecko vermuten, dass die DEA gezielt Infos | |
weitergebe, um auf den mexikanischen Wahlkampf Einfluss zu nehmen. Die | |
US-Behörde habe noch Rechnungen mit López Obrador offen, schreibt er. | |
Zum Beispiel, weil der Staatschef die Handlungsfreiheit der in Mexiko | |
aktiven DEA-Beamten eingeschränkt habe. Doch selbst die US-Regierung legt | |
keinen Wert darauf, den Vorwürfen gegen López Obrador auf den Grund zu | |
gehen. Schließlich ist auch in den USA Wahlkampf, und da braucht Joe Biden | |
AMLO als Verbündeten bei der Eindämmung der Migration. | |
Was auch immer an den Berichten dran ist, für das Sinaloa-Kartell lief nach | |
2006 ohnehin alles besser, nachdem Calderón das Rennen machte. Der | |
Konservative entfachte unter Führung seines Sicherheitsministers Genaro | |
García Luna einen „Krieg gegen die Drogenmafia“, der in erster Linie gegen | |
die Gegner dieser kriminellen Organisation geführt wurde. Und García Luna | |
sitzt jetzt in den USA hinter Gittern, weil er für die Sinaloa-Mafia tätig | |
war. | |
Doch AMLO wäre nicht AMLO, wenn er die Vorwürfe einfach ins Leere hätte | |
laufen lassen. Also veröffentlichte er jüngst auf einer Pressekonferenz die | |
Telefonnummer der New-York-Times-Korrespondentin Kitroeff. | |
## Journalisten leben in Mexiko gefährlich | |
Dass das in einem Land, das zu den tödlichsten für Journalist*innen | |
zählt, auf scharfe Kritik stieß, wollte er nicht nachvollziehen. Soll sie | |
halt ihre Telefonnummer wechseln, fand er. Es gehe schließlich um „die | |
Würde des Präsidenten von Mexiko“. Der Korrespondentin werde „absolut | |
nichts passieren“, versicherte López Obrador, in dessen Amtszeit laut | |
Reporter ohne Grenzen 46 Medienschaffende ermordet wurden. | |
Und beinahe wären es schon 47. Vergangene Woche verschleppten Unbekannte | |
den Journalisten Jaime Barrera. Nur großer öffentlicher Druck sorgte dafür, | |
dass er zwei Tage später wieder freikam. Es sei eine Warnung wegen seiner | |
Berichterstattung gewesen, sagte Barrera und zitierte seine Entführer: „Wir | |
wissen, wo du lebst und wo du und deine Familie sind.“ | |
20 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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