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# taz.de -- Drogenkrieg in Mexiko: Das Grauen ist allgegenwärtig
> Der Drogenkrieg hält Mexiko in Atem. Die Mafia hat überall Gefolgsleute.
> Dagegen richtet nicht mal Präsident Andrés Manuel López Obrador etwas
> aus.
Bild: Mexikos Präsident Andres Manuel López Obrador im Nationalpalast in Mexi…
Eigentlich wollte er nicht mehr schreiben. „Die Welt ist des Wortes nicht
würdig, das ist mein letztes Gedicht“, erklärte Javier Sicilia, nachdem
2011 sein Sohn von Mafiakillern ermordet wurde. „Die Poesie in mir
existiert nicht mehr“, ergänzte er damals.
Jahre später setzte sich der mexikanische Autor in seinem Buch „El
Deshabitado“ (Der Verlassene) doch noch mit dem Tod des Sohnes auseinander,
zunächst widmete er sich dem Kampf gegen die grenzenlose Gewalt in seinem
Land. In der „Bewegung für einen Frieden in Gerechtigkeit und Würde“, die
er mit ins Leben rief, zogen Tausende gegen den Terror durch Mexiko und die
USA.
[1][Der heute 67-Jährige ließ nie Zweifel] an seinem Hass auf die korrupte
politische Klasse, die für die Verhältnisse mitverantwortlich ist.
Angesichts von unzähligen Todesopfern, die der vom damaligen Präsidenten
erklärte „Krieg gegen die Mafia“ schon vor 15 Jahren verursachte, stieß er
auf offene Ohren.
## Tägliche Bedrohungen
Viele hofften, dass durch die Mobilisierungen das Morden, das Verschwinden
und die täglichen Bedrohungen eingedämmt werden. Doch passiert ist: nichts.
Die Gewalt nahm zu, immer mehr Regionen wurden von der organisierten
Kriminalität kontrolliert.
Sicilia war nie optimistisch. Dennoch schöpfte er Hoffnung, als 2018
[2][Andrés Manuel López Obrador] zum Präsidenten gewählt wurde. Mit
Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und der neuen Regierung arbeitete
er Konzepte aus, um Gerechtigkeit zu schaffen, die Straflosigkeit zu
überwinden und die Gewalt einzudämmen. Doch passiert ist wieder: nichts. In
seiner Antrittsrede erwähnte der linke Staatschef das Projekt nicht einmal,
von einer Schwächung der Mafia kann nicht die Rede sein.
Seither teilt der Dichter mit recht unpoetischen Worten gegen den
„Verräter“ López Obrador aus. „Am Ende der Legislaturperiode bist du
gescheitert wie deine Vorgänger, und wie die Mehrheit der Kriminellen in
Mexiko kommst du straflos davon“, schrieb er vergangene Woche. Egal, für
welche Partei man bei den dieses Jahr anstehenden Wahlen stimme, man wähle
die Mafia.
## Tausende wurden vertrieben
Es ist Wahlkampf, und wer die Äußerungen des Präsidenten verfolgt, kann
Sicilias Wut gut nachvollziehen. López Obrador spielt die Lage im
Bundesstaat Chiapas herunter, während dort zwei Kartelle die Bevölkerung in
Schach halten, Tausende ihre Heimatorte verlassen mussten.
[3][Er scheut nicht davor, Menschenrechtsorganisationen zu denunzieren, um
damit auf Kosten der Angehörigen von 43 verschwundenen Lehramtsstudenten
auf Stimmenfang zu gehen]. Und er hält an der Politik der „alternativen
Fakten“ fest. „Wir können nicht erkennen, dass sich die politische Gewalt
hinsichtlich der Wahl entfesselt“, sagte er vor Kurzem.
Diese Arroganz ist bemerkenswert. Wenige Tage zuvor wurde ein
Lokalpolitiker in der Region Veracruz ermordet, fast gleichzeitig traf es
zwei Angehörige des Gouverneurs im Bundesstaat Zacatecas. Laut einem jüngst
veröffentlichten Bericht der Organisation Laboratorio starben seit Juni
2023 bereits 16 Politiker, die sich um ein Amt bewarben, eines gewaltsamen
Todes. Bis Bürger*innen im Juni wählen, wird die Zahl erheblich größer
sein.
Der Einfluss, den die Kriminellen auf die Wahlen nehmen, ist schon jetzt
ein Thema in den Medien. So beschreibt Ex-Geheimdienstchef Guillermo Valdés
Castellanos im liberalen Magazin Letras Libres, wie die Mafia gewaltsam
dafür sorgt, dass Rathäuser mit „ihren Leuten“ besetzt werden.
Sicilia klingt verzweifelt. Er habe verhindern wollen, dass andere dasselbe
Schicksal erleiden wie sein Sohn. „Es gibt keinen politischen Willen, kein
Bewusstsein, nichts“, resümiert er. „Wir können uns nur auf Grauen
stützen.“ Damit spricht er vielen Angehörigen von Gewaltopfern aus dem
Herzen.
19 Feb 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
Kolumne Latin Affairs
Mexiko
Drogenkrieg
Kartell
Andrés Manuel López Obrador
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El Chapo
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