# taz.de -- Verschwundene Studenten von Ayotzinapa: Der Wandel des López Obrad… | |
> Erst war nur Enttäuschung über das gebrochene Versprechen von Mexikos | |
> Präsidenten. Jetzt diffamiert er offen Organisationen für Menschenrechte. | |
Bild: Marsch zum Gedenken an den 9. Jahrestag des Verschwindens der 43 Studenten | |
OAXACA taz | Fünf Jahre, nachdem Mexikos Präsident Andrés Manuel López | |
Obrador bei seinem Amtsantritt die Aufklärung des Verschwindens von 43 | |
Studenten zur Chefsache erklärt hat, ziehen die Angehörigen der Opfer eine | |
ernüchternde Bilanz. Der Staatschef, dem sie ihr volles Vertrauen geschenkt | |
hätten, behandle sie genauso schlecht wie dessen Vorgänger, schrieben sie | |
in einer Erklärung, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Ein Fazit, das | |
einem Bruch gleichkommt. | |
Wenige Tage zuvor hatte López Obrador das Menschenrechtszentrum [1][Centro | |
Prodh], das sich in enger Kooperation mit den Angehörigen um den Fall | |
kümmert, massiv diffamiert. Die Organisation vertusche Tatsachen und agiere | |
im Interesse der Täter, weil sie dem Staat schaden wolle, erklärte der | |
Staatschef. Die Angehörigen fühlten sich verletzt: „Was der Präsident über | |
das Centro Prodh sagte, ist ein Ausdruck der Respektlosigkeit gegenüber | |
uns.“ Der Präsident wolle nicht hinnehmen, dass das Militär in die Tat | |
involviert gewesen sei. Davon wolle er mit seinen Attacken ablenken. | |
Was zunächst nur wie ein Wortgefecht von vielen klingt, ist de facto | |
Ausdruck einer tiefen Zerrissenheit zwischen Menschenrechtsorganisationen, | |
Angehörigen von Verbrechensopfern sowie anderen Aktivist*innen und dem | |
Populisten López Obrador. Kaum ein Tag vergeht, an dem der Präsident nicht | |
gegen Akteure der Zivilgesellschaft hetzt. Doch der jüngste Angriff auf das | |
Centro Prodh, und damit auch auf die Angehörigen der verschwundenen | |
Studenten, bildet einen neuen Höhepunkt dieser Aggressionen. | |
Seit die jungen Männer in der Nacht auf den 27. September 2014 in der | |
südmexikanischen Stadt Iguala von Kriminellen, Polizisten und Soldaten | |
verschleppt wurden, kämpft das Zentrum mit anderen | |
Menschenrechtsorganisationen dafür, die Hintergründe der Tat aufzuklären. | |
Ohne ihre Hilfe wäre möglicherweise nie bekannt geworden, dass bei dem | |
Verbrechen, [2][wie die taz aufdeckte], illegal gelieferte Sturmgewehre der | |
deutschen Firma Heckler&Koch im Einsatz waren. | |
## Die große Enttäuschung über López Obrador | |
„Wir pflegen eine respektvolle und von Vertrauen geprägte Beziehung“, | |
schreiben die Angehörigen über ihr Verhältnis zum Centro Prodh. Präsident | |
López Obrador legte dagegen auf seiner täglichen Pressekonferenz 20 Minuten | |
lang nahe, dass sie von den Aktivist*innen benutzt würden, um andere | |
Interesse zu verfolgen, sprich um ihm zu schaden. Das Centro Prodh | |
verhindere bewusst eine Strafverfolgung. So habe sich das Zentrum zum | |
Beispiel dafür eingesetzt, dass mutmaßliche Täter freigelassen würden, | |
deren Aussagen durch Folter erzwungen wurden. Dieses Vorgehen ist im | |
internationalen Recht festgeschrieben. Abgesehen davon verweisen die | |
Menschenrechtsverteidiger*innen darauf, dass die Freilassung nicht | |
auf ihrer Forderung, sondern auf einer gerichtlichen Entscheidung beruhe. | |
Die Angehörigen fühlen sich vom Präsidenten nicht als eigenständige | |
Subjekte ernstgenommen. Man gebe ihnen zu verstehen, dass sie sich den | |
Organisationen unterwerfen würden, schreiben sie. „Sie denken, dass wir | |
keine eigene Meinung und keine persönlichen Kriterien hätten, um die | |
Ermittlungen einzuordnen.“ | |
Lange Zeit hofften sie darauf, dass [3][López Obrador dafür sorgen könnte], | |
den Verbleib ihrer Söhne aufzuklären. Schließlich hatte der Präsident | |
Schritte in diese Richtung unternommen, während die Strafverfolger unter | |
dessen Vorgänger Enrique Peña alles dafür taten, die Hintergründe zu | |
verschleiern. | |
Doch je mehr deutlich wurde, dass auch das in Iguala stationierte Militär | |
in die Tat verstrickt war, umso weniger konnte oder wollte der Staatschef | |
ausrichten. Bis heute blockiert die Armeeführung die Herausgabe wichtiger | |
Dokumente. Und bis heute wissen die Angehörigen nicht, was mit ihren | |
Liebsten passiert ist. | |
21 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://centroprodh.org.mx/ | |
[2] /Massaker-in-Mexiko/!5343277 | |
[3] /In-Mexiko-verschwundene-Studenten/!5959276 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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