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# taz.de -- Angebot für Geflüchtete in Berlin: Sprachkurs, Praktikum – Job?
> In einem Spezialkurs in Spandau lernen junge Geflüchtete Deutsch – und
> alles für den Berufseinstieg. Sorgen und Probleme bremsen aber einige
> aus.
Bild: Selbstbewusstsein durch Spracherwerb: Teilnehmer des Jugendintegrationsku…
Berlin taz | „Der Film hat keinen Oscar bekommen, obwohl …“ – Die 15 ju…
Männer in dem [1][Deutschkurs] sollen den Satz sinnvoll beenden. „…obwohl
er gut ist“, antwortet einer von ihnen. Der nächste Satz: „Der Film hat
keinen Oscar bekommen, trotzdem …“
Die Schüler aus der Ukraine, Syrien, Afghanistan und Somalia lernen seit
Oktober bei der Gesellschaft für Interkulturelles Zusammenleben (GIZ) in
der Spandauer Altstadt gemeinsam Deutsch. Das Niveau A2 haben sie schon
erreicht, bis zum Spätsommer sollen sie B1 erreichen und ein vierwöchiges
Praktikum absolvieren.
Das dient dazu, [2][die erworbene Sprache im Berufsalltag erstmals
anzuwenden]. Zugleich sollen sie die deutsche Arbeitswelt kennenlernen.
Nicht wenige Schüler, die hier in Spandau Deutsch gelernt haben, bekamen
von ihren Praktikumsbetrieben auch Arbeitsangebote, sagt Biljana Zec, die
bei der GIZ die Deutschkurse koordiniert.
600 Stunden Deutschunterricht bezahlt das [3][Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (Bamf)] normalerweise für einen anerkannten Flüchtling. Doch es
gibt Spezialkurse wie diesen Jugendintegrationskurs, bei denen es 900
Stunden sind. Die Überlegung dahinter: Wer zwischen 17 und 26 Jahre alt
ist, hat noch ein langes Arbeitsleben vor sich und soll von Anfang an mit
dem nötigen sprachlichen Rüstzeug ausgestattet werden.
## An Motivation mangelt es den Geflüchteten nicht
Der Jugendintegrationskurs beinhaltet zudem als einziger Deutschkurs ein
Praktikum. Und es wird im Kurs geübt, wie man einen Lebenslauf und eine
Bewerbung schreibt. Dinge also, die für den Arbeitsmarkt wichtig sind.
Als Nächstes ist Partnerarbeit angesagt. Die Schüler sollen zu zweit
aufschreiben, was sie zuvor über Lautsprecher gehört haben. Lehrer Hien
Doan, ein Germanist aus Vietnam, schlendert von Paar zu Paar und korrigiert
die Texte. Mit fehlender Motivation seiner Schüler hat er keine Probleme.
Eher muss er dafür sorgen, dass die besonders Eifrigen und Schnellen sofort
wieder neue Aufgaben bekommen. „Gerade bei so jungen Menschen muss viel
Dynamik im Kurs sein“, sagt er zur taz.
## Monatelange Wartezeiten
Insgesamt sind rund 70 Prozent der Sprachkursteilnehmer Männer. Die wenigen
Frauen konzentrieren sich eher auf die familienfreundlichen
Vormittagskurse. Auch nachmittags und abends findet Unterricht statt.
Trotzdem ist eine [4][monatelange Wartezeit auf einen Kurs] leider normal,
sagt Biljana Zec. „Das ganze System ist überlastet. Es fehlen Lehrer und
ohne die kann man keine neuen Kurse eröffnen.“ Oft bekommen Asylsuchende
erst die Zulassung zum Kurs, wenn der Asylantrag angenommen wurde. „Und es
dauert dann auch noch, bis das Bamf die Finanzierung der Kurse bewilligt“,
so Zec.
Die Monate der Untätigkeit zehren gerade bei Jugendlichen an den Nerven.
Und es gibt Kursteilnehmer, die weit länger auf einen Deutschkurs warten
mussten. Ein afghanischer Schüler, der seinen Namen nicht in der Zeitung
lesen will, durfte zuerst nur zwei Monate bis A1 lernen. Dann wurde sein
Asylantrag abgelehnt, er wurde obdachlos. Erst drei Jahre später fand er
wieder einen Deutschkurs, der ihm auch finanziert wurde.
## Sorgen um die Familie in Afghanistan
Der Afghane gehört zu den Kursteilnehmern, die Biljana Zec Sorgen bereiten.
Er hat nur eine Übergangswohnung, ist von erneuter Obdachlosigkeit bedroht.
Und er habe Angst um seine Geschwister, die [5][in Afghanistan von den
Taliban verfolgt] würden und dringend aus dem Land raus müssten. „Solche
Problemlagen haben oft zur Folge, dass sich Kursteilnehmer nicht aufs
Lernen konzentrieren können“, sagt sie.
Andere seien von Abschiebung bedroht. Da ist es gut, dass die GIZ nicht nur
ein reiner Sprachkursträger ist, sondern auch Beratungsangebote für
Zugewanderte anbietet, die bisweilen weiterhelfen können.
Dann gibt es noch ein spezielles Spandauer Problem: Ein großer Teil der
Schüler stammt aus dem westlichen Brandenburg, aus Orten, in denen es keine
Deutschkurse gibt. Sie haben nicht selten einen Schulweg von bis zu
eineinhalb Stunden, die Kurszeiten müssen dabei auf die Fahrzeiten der
selten fahrenden Busse angepasst werden.
„Nach 19 Uhr fährt kein Bus mehr“, sagt ein betroffener somalischer
Schüler. Ein Abendkurs schied für ihn deshalb aus. Die Wartezeit auf einen
freien Platz hat das nicht gerade kürzer gemacht – obwohl er, wie andere
auch, sogar verpflichtend Deutsch lernen muss.
Das Niveau der Sprachkurse sei sehr unterschiedlich, sagt Biljana Zec. Das
liege auch daran, dass die Jugendlichen neben Konzentrationsschwierigkeiten
wegen drohender Abschiebung oder sozialer Probleme auch verschiedene
schulische Voraussetzungen aus ihren Herkunftsländern mitbringen. Umso
wichtiger sei daher die Zusammensetzung der Kurse. „Wenn es Leistungsträger
in den Kursen gibt, dann ziehen sie die anderen oft mit“, sagt Zec.
## Die Zusammensetzung der Kurse ist ein Erfolgsfaktor
Die GIZ achte darauf, dass Menschen mit unterschiedlichen Muttersprachen
gemeinsam lernen. Die Binnenkommunikation in der Gruppe erfolge dann
notwendigerweise auf Deutsch. Das bestätigt auch der Ukrainer Dmytro
Lutschenko, der seit rund zwei Jahren in Deutschland lebt. Ein
Pausengespräch mit seinem syrischen Nachbarn sei für ihn wie ein Praktikum,
sagt Lutschenko.
Alle Jugendlichen haben Vorstellungen, welchen Beruf sie einmal ergreifen
wollen: Zahnarzthelfer, S-Bahn-Fahrer, Verkäufer, Logistiker. Doch bis
dahin ist es ein weiter Weg. Denn das Deutschniveau B1, das sie nach fast
zehn Monaten täglichem Deutschkurs erreichen wollen, genügt oft nicht, um
in der Berufsschule zu bestehen.
Für die Arbeit in einem in ihrem Heimatland erlernten Beruf oder [6][für
ungelernte Tätigkeiten etwa in der Gastronomie oder in der Gebäudereinigung
ist es dagegen ausreichend]. Doch auch hier werden die sprachlichen
Anforderungen oft unterschätzt. Denn auch eine Reinigungskraft muss
verstehen, an welchem der oft wechselnden Arbeitsorte sie erwartet wird,
und die verbrauchten Reinigungsmittel selbstständig nachbestellen. Da
schafft der Deutschkurs die Grundlagen, um im Job zu bestehen. Und im
Leben.
Biljana Zec erzählt von einem jungen Mann, der einen Alphabetisierungskurs
begann. „Als er sich anmeldete, guckte er schüchtern auf den Boden und
reichte mir nur sein Handy, über das ich mit dem Bruder sprechen sollte.“
Wenn sie dem Mann heute im Unterrichtsgebäude begegne, grüße er und schaue
sie dabei an. Der Spracherwerb hätte ihm auch Selbstbewusstsein vermittelt.
19 Jun 2024
## LINKS
[1] /Sprachkurse/!t5012450
[2] /Gefluechtete-Auszubildende/!6014016
[3] /Bundesamt-fuer-Migration-und-Fluechtlinge-BAMF/!t5013136
[4] /Jobverlust-durch-Buerokratieversagen/!5980887
[5] /Schwerpunkt-Afghanistan/!t5008056
[6] /Ukrainische-Gefluechtete-in-Deutschland/!5992686
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
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