| # taz.de -- Vormunde für geflüchtete Jugendliche: Bezugspersonen gesucht | |
| > Ehrenamtliche Vormunde erleichtern unbegleiteten geflüchteten | |
| > Jugendlichen das Ankommen. Doch es gibt viel zu wenige – eine Initiative | |
| > will das ändern. | |
| Bild: Vormunde als wichtige Bezugspersonen: Jugendlicher in Wohnheim für unbeg… | |
| Berlin taz | „Ich wäre ohne meine Vormundin nicht da, wo ich heute bin.“ | |
| Anas Homsy (Name geändert) kam 2015 im Alter von 16 Jahren nach Berlin. | |
| Allein, ohne seine Eltern. Er war ein Jugendlicher voller Tatendrang, stand | |
| in der Pubertät, aber nichts ging voran. Er konnte keinen Asylantrag | |
| stellen, weil das System überlastet war. Er bekam keinen Schulplatz, auch | |
| die waren knapp. Er konnte kein Bankkonto eröffnen, hatte kein eigenes | |
| Zimmer, erzählt er. „Nach einem halben Jahr bekam ich eine Vormundin, die | |
| sich um alles kümmerte.“ | |
| Heute studiert Anas Homsy in Berlin. Die ehemalige Vormundin, die bis zu | |
| seiner Volljährigkeit seine persönlichen Sachen regelte, sei, so Homsy, | |
| „noch immer Teil meiner Familie.“ | |
| 3.100 unbegleitete [1][minderjährige Flüchtlinge], also Jugendliche ohne | |
| Begleitung ihrer Eltern, kamen im vergangenen Jahr nach Berlin. In diesem | |
| Jahr rechnet die Jugendsenatsverwaltung mit einer vergleichbaren Zahl. Die | |
| allermeisten von ihnen sind Jungen, denn Mädchen schaffen nur selten den | |
| beschwerlichen Weg über Libyen, das Mittelmeer oder die Balkanroute. | |
| Die wichtigsten Herkunftsländer der Jugendlichen sind Syrien, Afghanistan, | |
| die Ukraine und Benin. Und es ist auch heute so wie 2015: Zuerst werden sie | |
| in Berlin nur geparkt. [2][Sie müssen Monate warten, bis sie einen | |
| Asylantrag stellen und zur Schule gehen dürfen]. Selbst auf die amtliche | |
| Schätzung, ob sie tatsächlich minderjährig sind und damit die Jugendhilfe | |
| für sie zuständig ist, müssen sie oft lange warten. | |
| ## Vormunde können wichtige Ratgeber sein | |
| Gerade in dieser Anfangszeit nach der Ankunft könne ein Vormund helfen, | |
| betont Ronald Reimann vom [3][Projekt „akinda – Berliner Netzwerk | |
| Einzelvormundschaft“]. Reimann wirbt für dieses Ehrenamt, bei dem ein | |
| Erwachsener einem Jugendlichen zur Seite steht. | |
| Die Tätigkeit als Vormund sollte über die unmittelbare Starthilfe | |
| hinausgehen und langfristig angelegt sein, sagt Reimann: „Die Jugendlichen | |
| können damit eine persönliche Beziehung zu einem Erwachsenen aufbauen. Das | |
| ist umso wichtiger, weil auf der Flucht oft Beziehungsabbrüche erlebt | |
| werden.“ | |
| Außerdem erhalten rund 95 Prozent der minderjährigen unbegleiteten | |
| Flüchtlinge in Deutschland einen Schutzstatus, sodass eine langjährige | |
| persönliche Beziehung entstehen kann, die über die Volljährigkeit des | |
| Jugendlichen hinausgeht, mit der die Vormundschaft eigentlich endet. Ein | |
| Vormund kann auch danach noch ein wichtiger Ratgeber sein, beispielsweise | |
| bei der Berufswahl. | |
| ## Wie die Sorge um ein eigenes Kind | |
| Doch vielen unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten bleibt diese Chance | |
| verwehrt. In Berlin mangelt es an Vormunden. Zieht man die Jugendlichen ab, | |
| die einen Verwandten wie die große Schwester oder den Onkel zum Vormund | |
| haben, dann gibt es landesweit lediglich für 218 jugendliche Flüchtlinge | |
| einen Einzelvormund. | |
| „Findet sich kein Einzelvormund, übernimmt ein Jugendamt die Vormundschaft | |
| oder ein Verein oder ein Anwaltsbüro“, erklärt [4][Berlins | |
| Jugendstaatssekretär Falko Liecke (CDU)] das Prozedere. Jedoch entfallen | |
| da oft 50 Jugendliche auf eine Betreuungsperson. Das führt dazu, dass die | |
| Verantwortlichen sich nicht ausreichend um individuelle Anliegen und | |
| Probleme kümmern können. | |
| Jessica Neu hat im vergangenen Herbst die Vormundschaft für einen | |
| geflüchteten Jugendlichen übernommen. Dazu hatte sie sich entschieden, | |
| nachdem ihre Kinder ausgezogen waren. Für Neu gleicht die Sorge um den | |
| 15-Jährigen Jungen ein wenig der um ihre eigenen Kinder – mit dem | |
| Unterschied, dass der Jugendliche nicht in ihrem Haushalt lebt, sondern in | |
| einem Wohnheim. | |
| „Es ist eine tolle Erfahrung, einen Menschen begleiten zu dürfen, der auch | |
| immer etwas fragt“, sagt sie. Zu Weihnachten hätte sie den Jungen in ihre | |
| Familie eingeladen. „Das hat ihm gefallen.“ Ansonsten sei sie für den | |
| Jungen eine Art Fallmanagerin, arbeite mit dem Wohnheim zusammen, mit dem | |
| Jugendamt. Sie hat ihm auch eine Schule gesucht. | |
| Ronald Reimann von akinda schätzt es, wenn Vormunde ihr persönliches | |
| Netzwerk für die Jugendlichen einbringen, sie beispielsweise auf der Suche | |
| nach einem Sportverein oder einem Facharzt unterstützen. „Wir begleiten und | |
| schulen die Vormunde. Sie sind nicht allein.“ Am Dienstagabend organisiert | |
| sein Projekt eine [5][Online-Infoveranstaltung] für Menschen, die sich | |
| vorstellen können, eine Vormundschaft zu übernehmen. | |
| 6 May 2024 | |
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| [1] /Minderjaehrige-Gefluechtete/!t5007823 | |
| [2] /Unbegleitete-minderjaehrige-Fluechtlinge/!5959616 | |
| [3] https://www.akinda-berlin.org/ | |
| [4] /Kinder--und-Jugendhilfe-in-Berlin/!5966350 | |
| [5] https://www.akinda-berlin.org/veranstaltungen/akinda-infoabend-ehrenamtlich… | |
| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
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