Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Populisten bei „Hart aber Fair“: Und jetzt schreien sich alle an
> Die Auftritte von Fabio De Masi (BSW) und Leif-Erik Holm (AfD) bei
> Klamroth erinnern an Trash-Talk à la „Britt“: Geschrei ohne gutes
> Fact-Checking.
Bild: Eine Runde Schreien: Holm (AfD), De Masi (BSW), Gordon Repinski (Politico…
Montagabend, kurz vor halb 12: Wäsche aufhängen, nebenbei läuft ARD.
Aufgeregte Rufe sind zu hören. Ein verzweifelter Moderator versucht die
Gäste zu beruhigen. [1][„Britt – Der Talk“] läuft doch eigentlich am
Nachmittag auf Sat.1, was ist da los? Bei „Hart aber Fair“ startet gerade
ein weiterer erfolgloser Versuch des ÖRR, Rechte und Populisten in einer
Talkshow zu stellen und ihre Argumente zu entkräften. So anders als bei
„Britt“ geht es aber gar nicht zu.
Thema der montäglichen Sendung: „Kampf um Europa: Siegen die Populisten?“.
Um dieser Frage nachzugehen, hat sich Moderator Louis Klamroth gleich zwei
Vertreter populistischer Parteien in die Sendung geholt – [2][Fabio De Masi
vom BSW] und [3][Leif-Erik Holm von der AfD]. Doch auch die meisten übrigen
Gäste – Katharina Barley (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Anton
Hofreiter (Bündnis 90/ Die Grünen), Julia Klöckner (CDU) und der Journalist
Gordon Repinski – schrecken nicht davor zurück, populistisch zuzuspitzen.
Strack-Zimmermann bezeichnet De Masi als Putinversteher, derselbe fragt
gleich zu Beginn, weshalb Politiker ihre Söhne denn nicht selber in die
ukrainischen Schützengräben schicken würden. „Sie zündeln, sie zündeln!�…
ruft Holm Strack-Zimmermann entgegen. De Masi und Strack-Zimmermann
bezeichnen sich wechselseitig als Populisten und Klöckner vergleicht den
demokratischen Sozialisten Pedro Sánchez mit dem ungarischen Autokraten
Viktor Orbán.
Anders ist das bei „Britt“ nicht: Auch hier wird durcheinandergeschrien,
sich gegenseitig beschimpft und höchst emotional argumentiert. Doch während
es dort um die Zukunft belasteter Liebesbeziehung geht, geht es bei
Klamroth um [4][die Zukunft der Europäischen Union]. Dabei könnte er sich
durchaus etwas Gelassenheit bei Moderatorin Britt Hagedorn abschauen: Artet
der Streit bei „Britt“ aus, lehnt sie sich zufrieden zurück und rennt nicht
wie Klamroth hektisch herum und ermahnt erfolglos die Gäste.
## Verspäteter Lügendetektor
Auch inhaltlich gibt es Überschneidungen: Bei „Britt“ wird darüber
gestritten, wer Fremdgänger und wer Liebhaber ist. Bei „Hart aber Fair“
geht es darum, ob EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sich mit
Postfaschistin Melonie verbündet oder eine treue Verteidigerin der
Brandmauer gegen rechts ist.
Fakten-Checks erfolgen bei „Britt“ per „Lügendetektor“, der auf die
mutmaßlichen Fremdgeher gerichtet wird, während sie bei „Hart aber Fair“ …
nächsten Tag nachgeliefert werden. So kann man bei „Britt“ sofort
nachvollziehen, ob der Gast die Wahrheit spricht (theoretisch, denn die
Funktionalität von Lügendetektoren ist leider widerlegt). Gäbe es
funktionierende Lügendetektoren, wäre verzweifelten Moderatoren wie
Klamroth sicher geholfen, denn Faktenchecks, die am nachfolgenden Tag
geliefert werden, gehen meist unter.
So sind die Ressourcen, die der ÖRR für Talkshows bereitstellt, zu denen
Populist:innen eingeladen werden, leider nicht ausreichend, um
Argumente dieser Akteure noch während der Sendung zu widerlegen. Ähnlich
wie bei „Britt“ buhen die die Zuschauer:innen dann auch,
berechtigterweise: Denn Holm war nicht bereit, sich von den Aussagen Krahs
zu distanzieren, [5][die die Verbrechen der SS verharmlosten].
Klamroth dagegen ist kaum etwas vorzuwerfen. Vielmehr schwächelt das Format
an zu vielen Gästen und zu wenig Expertise. So kommt AfD-Mann Holm, obwohl
er sich nicht klar von den SS-Aussagen Krahs distanziert, recht gut weg und
ist nicht mal der größte Schreihals der Runde. Während es bei „Britt“ re…
egal ist, ob die diskutierten Fragen ausgewogen geklärt werden, kommt „Hart
aber Fair“ eine immense Verantwortung zu. Wenn Talkshows wie diese Idioten
eine Bühne bieten und eine extrem unproduktive Gesprächskultur prägen, ist
das, anders als bei Britt nicht lustig, sondern gefährlich und verfehlt den
Auftrag des ÖRR.
28 May 2024
## LINKS
[1] /Britt-die-letzte-deutsche-Daily-Talkerin/!5132774
[2] /Fabio-De-Masi-bei-Europawahl-2024/!6007267
[3] /!5936218/
[4] /Schwerpunkt-Europawahl/!t5533778
[5] /Nach-Relativierungen-der-SS/!6012267
## AUTOREN
Joscha Frahm
## TAGS
Schwerpunkt Europawahl
BSW
Schwerpunkt AfD
Social-Auswahl
Kolumne law and order
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Europawahl
öffentlich-rechtliches Fernsehen
Kolumne Die Woche
## ARTIKEL ZUM THEMA
Der Lügendetektor vor Gericht: Lex Sachsen
„Lügendetektor“ – klingt nach Quacksalberei? So sehen das auch die meist…
Gerichte. Außer in Sachsen. Für Missbrauchsopfer hat das verheerende
Folgen.
Journalistischer Umgang mit AfD: „Man muss perfekt vorbereitet sein“
Das Institut für Rechtsextremismus der Uni Tübingen analysiert rechte
Ideologien. Direktor Rolf Frankenberger über die AfD und den Umgang der
Medien.
Bündnis Sahra Wagenknecht vor der Wahl: Eine Gleichung mit Unbekannten
Die Europawahl wird zeigen: Ist Sahra Wagenknechts Partei ein medialer Hype
oder wird sie zum politischen Faktor?
Hohe Kosten für Politik-Talkshows: Reden ist teuer
Talkshows von Will oder Maischberger im öffentlich-rechtlichen Fernsehen
kosten viel Geld. Vorschlag unseres Kolumnisten: Eine kleine
Polittalk-Pause!
Faktenchecks in Medien: Der Fokus wird verschoben
Journalistische Faktenchecks wollen Tatsachen schaffen. Doch zwei Beispiele
zeigen, dass sie politische Konflikte nicht so einfach entschärfen können.
Berlinwahl, Klamroth und Großbritannien: Das Herz schlägt noch
Die Union bietet bei der Berlinwahl nur Äh und liegt trotzdem vorn. Und im
Mutterland des Klassenkampfes bringt man eine halbe Million auf die Straße.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.