| # taz.de -- Journalistischer Umgang mit AfD: „Man muss perfekt vorbereitet se… | |
| > Das Institut für Rechtsextremismus der Uni Tübingen analysiert rechte | |
| > Ideologien. Direktor Rolf Frankenberger über die AfD und den Umgang der | |
| > Medien. | |
| Bild: Beim TV-Duell zwischen Björn Höcke (AfD) und Mario Voigt (CDU) war das … | |
| taz: Herr Frankenberger, wie hat sich die Berichterstattung über die AfD in | |
| den letzten Jahren verändert? | |
| Rolf Frankenberger: Was ich wahrnehme, sind verschiedene Phasen in der | |
| Berichterstattung. Es beginnt bei der skurrilen neuen Partei, die in sich | |
| zerstritten ist. Dann gibt es die zweite Phase, in der sich die Partei | |
| etabliert hat und in der wir genau hinschauen müssen. Andererseits haben | |
| [1][die Medien der AfD damit auch eine Plattform gegeben], mithilfe derer | |
| sie ihre Produkte verkaufen konnten. Doch es gibt auch eine zunehmend | |
| kritische Berichterstattung. Die mediale Präsenz der AfD ist direkt mit | |
| einem Anstieg der kritischen Berichterstattung über sie verbunden. | |
| Hätte sich die deutsche Medienlandschaft früher und intensiver mit der | |
| Partei beschäftigen müssen? | |
| Tja, das ist eine gute Frage. Die Medien haben sich ja auch zu der Zeit von | |
| [2][Bernd Lucke] und [3][Frauke Petry] schon intensiv mit der Partei | |
| auseinandergesetzt. Ich glaube, man hat sie im politischen Diskurs zunächst | |
| nicht ernst genommen, gerade in der Zeit, in der sie so zerstritten war. Es | |
| wäre vielleicht hilfreich gewesen, mehr über Inhalte zu sprechen und die | |
| extrem rechten Ideen, die schon immer vorhanden waren, aber nicht offensiv | |
| kommuniziert wurden, deutlicher anzusprechen. Aber das können wir jetzt | |
| nicht mehr. | |
| Während die AfD auf TikTok riesige Erfolge und Reichweiten hat, haben die | |
| demokratischen Parteien Social Media zum Großteil verschlafen. Liegt das | |
| daran, dass die AfD eine höhere Medienkompetenz hat? | |
| Erst einmal teile ich diesen Befund. Die [4][AfD macht ihre | |
| Social-Media-Arbeit] sehr professionell. Die Leute, die im Hintergrund | |
| Kampagnen steuern und entwickeln, haben sehr früh erkannt, welches | |
| Potenzial soziale Medien haben. Andere Parteien haben das offenbar lange | |
| nicht ernst genug genommen und wenig Wert darauf gelegt, in diese Formate | |
| überhaupt einzusteigen. Im Umfeld der AfD, der Neuen Rechten und der | |
| Identitären Bewegung gibt es eine enorm hohe Medienkompetenz und gezielte | |
| Schulungen, wie man diese Medien nutzt. Von der AfD ist bekannt, dass sogar | |
| Bundestagsreden unter dem Aspekt der Verwertbarkeit auf Social Media | |
| geschrieben werden. | |
| Diese Verwertbarkeit sieht man auch in den [5][AfD-Auftritten in | |
| öffentlich-rechtlichen Talkshows]. Argumente der AfD werden dann auf Social | |
| Media aus dem Kontext gerissen und stehen für sich. Sind die Auftritte | |
| damit kontraproduktiv? | |
| Das Problem ist vielmehr die Logik der sozialen Medien. Diese Art der | |
| Verwertung würde allen Parteien offenstehen. Das ist nichts, das exklusiv | |
| der AfD vorbehalten ist. Das zielt natürlich auf eine bestimmte, | |
| internetaffine Öffentlichkeit ab, besonders auch auf junge Menschen. Die | |
| Herausforderung ist, dass man dagegenhalten muss, damit solche exklusiven | |
| Bubbles erst gar nicht entstehen können. Und es ist die Aufgabe aller | |
| anderen Parteien, in den sozialen Medien präsenter zu sein und mit ihren | |
| Inhalten und Botschaften dem entgegenzuwirken. | |
| Wäre es dann nicht sinnvoller, die AfD von einem öffentlichen Diskurs | |
| auszuschließen? | |
| Ich bin da sehr zwiegespalten. Auf der einen Seite bedient man mit einer | |
| Ausschließung den Opfermythos, den die AfD ja ohnehin schon ständig für | |
| sich nutzt. Auf der anderen Seite ist es natürlich immer eine Gefahr, wenn | |
| man sich die AfD in Talkshows einlädt. Als Journalist:in muss man sich | |
| auf die AfD doppelt so gut vorbereiten. Ansonsten entgleitet die | |
| Diskussion. Dementsprechend sollte eine Talkshow als journalistisches | |
| Ereignis und nicht als Medienevent gesehen werden. So waren etwa die | |
| Moderatoren des [6][TV-Duells zwischen Höcke und Voigt] in Thüringen sehr | |
| gut vorbereitet. Mario Voigt im Übrigen auch. Wenn man gut vorbereitet ist, | |
| kann man die Leute festnageln und mit einem nüchternen Ton mehr erreichen | |
| als mit einem Ausschluss und einen Kandidaten inhaltlich stellen. | |
| Wie sieht die optimale Berichterstattung über die AfD in den nächsten | |
| Jahren aus? | |
| Live und direkt wäre gut, aber das ist sehr schwierig. Wenn, müssen die | |
| Journalist:innen perfekt vorbereitet und faktenfest sein. Im | |
| Printbereich sollten Zitate direkt eingeordnet und das Gesagte muss | |
| kontextualisiert werden. Wenn die AfD Dinge aus dem Kontext reißt, hört | |
| sich das erst mal gut an für die Partei, aber wenn man die drei Sätze davor | |
| und danach auch noch hinzuzieht, sind sie meist sehr entlarvend. Diese Art | |
| der Kontextualisierung sehe ich als besonders wichtig an. | |
| Medienveranstaltungen sollten auch nicht zu Kampagnen der AfD werden. Die | |
| Handlungsmacht sollte bei den Moderator:innen oder | |
| Journalist:innen liegen. Nicht zuletzt ist es wichtig zu sehen, welche | |
| Themenfelder die AfD besetzt. Welche könnten anders besetzt werden, damit | |
| die AfD dort nicht zum Zuge kommt? Zum Beispiel bei Migration. Was gibt es | |
| dort noch für andere Positionen und Diskurse, die gesellschaftlich | |
| vielleicht viel relevanter sind als die, die die AfD beherrscht? Wir dürfen | |
| die AfD nicht Themen setzen lassen, die sie dann skandalisiert, damit alle | |
| anderen ihnen hinterherrennen. | |
| Läuft man mit einem starken medialen Fokus auf die AfD nicht auch Gefahr, | |
| andere extremistische Strömungen aus den Augen zu verlieren? | |
| Es gibt auch immer noch weiter rechts von der AfD Bewegungen, | |
| Gruppierungen, Vereine und Kleinstparteien, über die man berichten sollte. | |
| Hinzu kommt mit der [7][Werteunion] eine Partei, die sich rechts der | |
| CDU/CSU positioniert und daher journalistisch begleitet und kritisch | |
| betrachtet werden sollte. Denn rechtsextremes Gedankengut diffundiert auch | |
| gerne mal in andere Milieus und möchte sich anschlussfähig machen im | |
| Konservatismus und der bürgerlichen Mitte. Und nicht zuletzt finden wir | |
| Elemente exkludierender Ideologien auch im linken Spektrum. Wir müssen also | |
| breiter schauen und auch rechtzeitig Entwicklungen erkennen und benennen. | |
| 6 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Seng | |
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