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# taz.de -- Umfrage der Europäischen Handelskammer: Pessimistischer Blick auf …
> Sinkende Gewinne, schwieriges Umfeld: Laut der jährlichen
> Geschäftsklimaumfrage haben EU-Firmen noch nie so negativ auf Chinas
> Wirtschaft geblickt.
Bild: Deutliche Worte zu China: Jens Eskelung, Präsident der EU-Handelskammer …
Berlin taz | Für Jens Eskelund ist es der wichtigste Tag im Jahr. „Denn
heute ist der Moment der Wahrheit“, sagt der Präsident der Europäischen
Handelskammer in [1][China]. Am Freitag präsentierte er die Ergebnisse der
alljährlichen Geschäfsklimaumfrage, des wichtigsten Stimmungsbarometers
westlicher Firmen in China. Viel zu feiern gibt es nicht. Denn die von
Eskelund herbeigesehnte Wahrheit, die fällt ziemlich ernüchternd aus.
Kurzum: Noch nie war die Stimmung unter europäischen Unternehmen auf dem
chinesischen Markt derart schlecht. Nur 15 Prozent der befragten
Handelskammermitglieder führen China als Top-Destination zum Investieren an
– ein historisches Rekordtief. Zudem geben 68 Prozent an, dass das
Geschäftsumfeld erneut schwieriger geworden ist, auch das stellt einen
Negativrekord dar. Fast die Hälfte geht zudem von sinkenden Profiten aus.
Die Resultate sind umso erstaunlicher, als dass viele Antworten der
Konzerne selbst während des Lockdown-Jahrs 2022 – also auf dem Höhepunkt
der Null-Covid-Politik – positiver ausfielen. „Ich hatte allgemein
erwartet, dass unsere Mitglieder einen Wendepunkt in Bezug auf ihren
Pessimismus wahrgenommen hätten. Aber das scheint nicht der Fall zu sein“,
sagt Eskelund. Es geht weiter bergab.
Die Worte des dänischen Wirtschaftslobbyisten wurden wissbegierig von
Dutzenden Journalisten aufgenommen, die sich an diesem Vormittag in den
proppenvollen Konferenzraum der Handelskammer eingefunden hatten. Auch
Botschaftsvertreter kamen zahlreich, und erstmals seit der Pandemie
erschien auch wieder ein Vertreter des chinesischen Handelsministeriums.
Während der ersten halben Stunde der Präsentation hob er jedoch kaum den
Blick von seinem Smartphone. Vielleicht fiel die Botschaft, die auf den
Powerpoint-Folien präsentiert wurde, ein wenig zu drastisch aus.
## Zweifelhafte Wachstumsraten
„Die europäischen Unternehmen sind zunehmend besorgt über die chinesische
Binnenwirtschaft“, sagt Eskelund. Auf den ersten Blick mag eine solche
Aussage etwas befremdlich anmuten, schließlich wird das chinesische
Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr voraussichtlich um 5 Prozent wachsen. Doch
wichtig ist der Kontext: Zum einen nehmen die meisten Experten die exakten
Zahlen aus China nicht für bare Münze, sondern werten sie eher als grobe
Stoßrichtung. Zudem sagt das rein numerische Wachstum nur wenig darüber
aus, ob es den Leuten einen wirklich wahrnehmbaren Fortschritt liefert –
und ebenso, ob die europäischen Unternehmen davon profitieren.
„Wir interessieren uns immer weniger für die reinen BIP-Wachstumszahlen –
ob sie nun 4, 5, 7 oder 8 Prozent betragen. Das ist für uns nicht wirklich
relevant. Was für uns zählt, ist die Zusammensetzung des BIP-Wachstums“,
sagt Kammerpräsident Eskelund. Wenn das Wachstum durch stärkeren Konsum
angetrieben würde, dann schlüge sich dies auch in den Bilanzen der
Unternehmen nieder. Wenn Chinas Lokalregierungen jedoch lediglich in
zusätzliche Produktionskapazitäten investieren, für die es bereits jetzt
keine ausreichende Nachfrage gibt, dann sei niemandem geholfen.
Und das schließt auch die chinesischen Firmen mit ein. Denn selbst bei den
Kernindustrien, die Xi Jinping zur nationalen Priorität erhoben hat,
bleiben den Marktführern kaum Profite. Solarzellen sind das beste Beispiel:
Nachdem Xi seine Industriepolitik mit flächendeckenden Subventionen
angekurbelt hat, haben zwar chinesische Produzenten in Windeseile mit
Dumpingpreisen die europäische Branche ausradiert. Doch sie verdienen nicht
daran. „Massive Überkapazitäten in der Produktion haben die Preise für
Solarkomponenten in den freien Fall getrieben“, heißt es in einer
Mitteilung des Analysehauses „Trivium China“: „Die Preise in der gesamten
Solarlieferkette sind unter die Produktionskosten selbst der größten und
kosteneffizientesten Hersteller der Branche gefallen“.
## Überhitzte Märkte
Jeder Industriezweig, den Chinas Staatsführung für ihre Industriepolitik
auswählt, sei in Bezug auf Profitabilität geradezu zum Scheitern
verurteilt, sagt Jens Eskelund. Er bezeichnet den staatlichen Fingerzeig
sogar als „Todeskuss“: Denn sämtliche chinesische Investoren folgen der
politischen Richtung, überhitzen schließlich den Markt – und müssen
schlussendlich von den Lokalregierungen vor einer Pleite gerettet werden.
Gerade für Deutschland ist all dies keine gute Nachricht, denn mit dem
Aufstieg chinesischer E-Auto-Produzenten sieht man nun einen der
wichtigsten heimischen Wirtschaftszweige in direkter Konkurrenz zu Chinas
„nationalen Champions“. Und auch wenn ihr Aufstieg sicherlich eine
Erfolgsstory ist: Bislang schreibt als einziges chinesisches Unternehmen
BYD nennenswerte Gewinne. Alle anderen leiden massiv unter dem derzeitigen
Preiskampf.
Dass sich die Lage aus Sicht der Europäer grundsätzlich bessert, ist
vorerst nicht in Sicht. Denn die allermeisten Kritikpunkte werden von der
chinesischen Seite kategorisch negiert. Überkapazitäten gibt es laut Xi
Jinping und Premier Li Qiang nicht. Sie betonen, dass chinesische Produkte
schlicht wettbewerbsfähiger seien. Dass gleichzeitig heimische
Wirtschaftswissenschaftler, ja sogar das Ministerium für Industrie und
Informationstechnologie zuletzt vor Überkapazitäten in der
Batterieproduktion warnen, verschweigen sie.
Kammerpräsident Eskelund betont nüchtern, dass beide Seiten sich in Ruhe
zusammensetzen müssten, um die Probleme zu besprechen. Doch wichtig sei,
fügt der Manager an, dass man die bestehenden Probleme überhaupt erst
einmal anerkenne. Bislang scheint dies nicht der Fall zu sein.
10 May 2024
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## AUTOREN
Rainer Werner
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