# taz.de -- Ausbeutung von Arbeitsmigranten: Hoch qualifiziert, arm dran | |
> Drei Programmierer aus Syrien, Russland und Marokko rennen erfolglos | |
> ihrem Gehalt hinterher. Vorenthalten hat es ihnen ein Jungunternehmer aus | |
> Bremen. | |
Bild: Wie dieses Leipziger Unternehmen richten viele Start-Ups ihre Räume wohn… | |
An einem Freitag Ende März sitzen drei junge Männer in Bremen in einem | |
Besprechungsraum mit Blick auf die Weser. Mikhail Zotyev aus Russland, mit | |
32 der Älteste der drei, Dihya Anzar aus Marokko und Ahad Joumaa aus | |
Syrien, beide 25 Jahre alt. Im Winter vor einem Jahr kamen sie nach | |
Deutschland, [1][im Gepäck Arbeitsverträge als Programmierer] bei der | |
Bakersoft GmbH. Für das im März 2021 gegründete Bremer Unternehmen haben | |
sie Essensautomaten entwickelt, die sich per App steuern lassen. | |
Sie verdienten zunächst gut, bekamen zwischen 4.500 und 6.000 Euro brutto. | |
Allerdings nur bis April 2023. Danach arbeiteten sie [2][monatelang | |
unbezahlt in ihren Vollzeitjobs]. Das Unternehmen war pleite und zahlte | |
keine Gehälter mehr, auch keine Sozialversicherungsbeiträge. Ihr Geld haben | |
sie bis heute nicht gesehen. Zwar hat das Arbeitsgericht Bremen | |
festgestellt, dass ihr Gehalt nachträglich gezahlt werden muss, | |
Gerichtsvollzieher sind mit der Zwangsvollstreckung beauftragt. | |
Doch ihr ehemaliger Chef, der erst 26-jährige Oliver S., ignoriert | |
Zahlungsaufforderungen. Weil sie keine Hoffnung mehr haben, auf | |
juristischem Weg Gerechtigkeit zu erfahren, suchen sie die Öffentlichkeit. | |
Ihre Darstellung lässt sich anhand von Dokumenten, Aussagen von | |
Kolleg:innen sowie der Stellungnahme ihres Ex-Chefs verifizieren. | |
Ruhig und eloquent erzählen die drei auf Englisch ihre Geschichte. Sie ist | |
ein Beispiel dafür, wie auch gut bezahlte Hochqualifizierte von deutschen | |
Unternehmen ausgebeutet werden. Die taz trifft die drei in den Räumen von | |
„Faire Integration“ in Bremen, einer von 27 über Deutschland verteilten | |
Beratungsstellen, die von der Europäischen Union und dem | |
Bundesarbeitsministerium finanziert werden. | |
Das Büro liegt neben der Beck's-Brauerei, hier können sich | |
Arbeitnehmer:innen aus Ländern außerhalb der EU zu sozial- und | |
arbeitsrechtlichen Fragen beraten lassen. Ausbeutung gebe es in allen | |
Branchen, sagt Petra Simonowsky, Leiterin der Beratungsstelle. „Zu uns | |
kommen aber vor allem [3][Menschen, die in Niedriglohnjobs ausgebeutet | |
werden].“ | |
## Abhängig vom Arbeitgeber | |
Auf den ersten Blick unterschieden sich die drei Männer sehr von ihren | |
anderen Klient:innen, sagt Petra Simonowsky. Die kaum Deutsch oder | |
Englisch sprechen, kein finanzielles Polster haben, nicht selten | |
[4][mittellos auf der Straße landeten]. Gemeinsam sei allen: „Sie sind | |
abhängig vom Arbeitgeber, der sich auf ihre Kosten bereichert.“ | |
Abhängig sind sie, weil ihre Aufenthaltserlaubnis in der Regel an einen | |
konkreten Arbeitsvertrag geknüpft ist. Im Fall einer Kündigung stehen sie | |
nicht nur ohne Geld da. Sie müssen Deutschland verlassen, wenn sie nicht | |
innerhalb von drei, in Ausnahmefällen sechs Monaten eine neue Stelle | |
finden. | |
Das ist derzeit außerhalb der Metropolen selbst für Programmierer mit | |
Hochschulabschlüssen und Arbeitserfahrung schwer. Ahad Joumaa und Dihya | |
Anzar haben noch keinen festen Job gefunden und bitten darum, nicht mit | |
echtem Namen genannt zu werden. Sie wollen potenzielle Arbeitgeber nicht | |
verschrecken. | |
Aufgrund ihrer Abhängigkeit, fehlender Netzwerke und teils in Unkenntnis | |
der deutschen Gesetze ließen viele ausländische Arbeitnehmer:innen | |
mehr mit sich machen als deutsche, sagt Petra Simonowsky. Denn dass | |
Arbeitgeber keinen Lohn zahlen, kommt gar nicht so selten vor, bestätigt | |
Kaarina Hauer von der Arbeitnehmerkammer Bremen. | |
An deren Rechtsberatung können sich alle Arbeitnehmer:innen im Land | |
Bremen wenden, auch Ahad Joumaa hatte sich dort Hilfe gesucht. „Aber die | |
meisten kündigen spätestens nach zwei Monaten ohne Gehalt“, sagt die | |
Juristin. | |
## Kein Betriebsrat | |
Vielleicht hätten dies auch die Bakersoft-Beschäftigten getan, wenn sie | |
ihre Rechte besser gekannt hätten, es in dem Unternehmen einen Betriebsrat | |
gegeben hätte, der sich für sie hätte stark machen können. Doch [5][sie | |
hatten bei einem Start-up angeheuert]. Bei diesen jungen, schnell | |
wachsenden Unternehmen gibt es laut eines Sprechers des Bundesverbands | |
Deutsche Startups, selten eine institutionalisierte | |
Arbeitnehmer:innen-Vertretung mit besonderen Rechten nach dem | |
Betriebsverfassungsgesetz. | |
Typisch für Start-ups ist auch der hohe Anteil an Arbeitnehmer:innen | |
mit ausländischer Staatsbürgerschaft. Der liegt nach [6][einer Untersuchung | |
des Bundesverbands] aus dem Jahr 2022 im Durchschnitt bei 27,5 Prozent, | |
davon stammt wiederum die Hälfte aus europäischen Ländern und ein Viertel | |
aus Asien. In Berlin ist er mit 40,6 Prozent besonders hoch, gefolgt von | |
München mit 36 Prozent. | |
[7][Die Bakersoft GmbH] akquirierte ihr Personal überdurchschnittlich oft | |
im Ausland. Zu ihren besten Zeiten hatte sie 20 Mitarbeiter:innen, | |
zwei Drittel stammten nach Angaben der drei jungen Männer nicht aus | |
Deutschland, sie haben eine Liste mit Namen erstellt. | |
Von diesen seien wiederum acht im Ausland für die Firma tätig gewesen. | |
Diese hätten als erste kein Geld mehr für ihre Arbeit bekommen. Eine | |
33-jährige Software-Ingenieurin aus dem Iran schreibt der taz, sie sei | |
schon in den ersten beiden Monaten des Jahres 2023 nicht mehr für ihre | |
Arbeit bezahlt worden, woraufhin sie kündigte. | |
Ahad Joumaa und Dihya Anzar hatten sich ein halbes Jahr ohne Gehalt | |
hinhalten lassen, Mikhail Zotyev, der eine Führungsverantwortung bei | |
Bakersoft hatte, vier Monate. „Ich bin ein sehr loyaler Mensch“, begründet | |
er dies. Außerdem könne ihr Ex-Chef sich gut verkaufen, sagen alle drei, es | |
fällt auch das Wort „manipulieren“. „Wir haben ihm lange geglaubt“, sa… | |
Dihya Anzar. Oliver S. habe immer wieder Lösungen versprochen, sagen sie. | |
Ein neuer Investor, ein neuer Kunde, alles quasi kurz vor | |
Vertragsabschluss. | |
## Auch emotionale Abhängigkeit | |
Im Gespräch mit den dreien wird deutlich, dass es auch eine emotionale | |
Abhängigkeit gab. Sie sagen, sie seien Oliver S. dankbar dafür, dass er | |
ihnen geholfen habe, nach Deutschland zu kommen. Und dass sie bis April | |
2023 gerne für die Firma gearbeitet hätten. | |
Auch sie waren zuvor in ihren Heimatländern auf Honorarbasis bei seiner | |
Firma beschäftigt, Dihya Anzar seit November 2021, die anderen beiden | |
waren ein halbes Jahr später dazu gekommen. Alle hatten auf ein | |
Stellenangebot bei dem sozialen Netzwerk Linkedin geantwortet. Im Lauf | |
ihrer Tätigkeit bot ihnen der Jungunternehmer einen Arbeitsvertrag an. | |
Damit konnten sie ein Visum für Deutschland beantragen. | |
Für sie war es eine Chance. Dihya Anzar reiste Ende 2022 nach Deutschland, | |
Ahad Joumaa entkam im Februar 2023 dem Krieg in Syrien. Beide wollten mit | |
dem in Deutschland verdienten Geld ihre Familien im Heimatland | |
unterstützen. Mikhail Zotyev hielt es in Russland nicht mehr aus, nachdem | |
das Land die Ukraine überfallen hatte. „Es war genug.“ Er ging zunächst | |
nach Armenien und von dort im Dezember 2022 nach Deutschland. Daran | |
erinnert ihn Oliver S. in einer Mail, die der taz vorliegt. | |
Er sei „persönlich sehr enttäuscht“ von seinen ehemaligen Angestellten, | |
schreibt Oliver S. in einer Stellungnahme an die taz. „Wir haben sehr | |
vielen Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, nach Deutschland zu kommen, um | |
ein (vermeidlich) besseres Leben zu haben.“ (Rechtschreibfehler im | |
Original) Ausgerechnet diejenigen, denen die Firma am meisten geholfen | |
habe, hätten ihn verklagt. | |
Zudem hätten seine ehemaligen Angestellten in vollem Bewusstsein um das | |
finanzielle Risiko bei einem Start-up angefangen. Sie hätten Pech gehabt | |
als bei Bakersoft „der schlimmste Worst Case eingetroffen ist: Insolvenz | |
des Kapitalgebers und des größten Kunden“. | |
Tatsächlich haben Start-ups oft einen hohen Kapitalbedarf und müssen ihren | |
Markt erst schaffen. Viele scheitern. Aber für sie gelten dieselben Regeln | |
wie für alle anderen: Die Unternehmen dürfen ihr Risiko nicht auf | |
Mitarbeiter:innen abwälzen. So hätte Oliver S. einen Insolvenzantrag | |
stellen müssen – spätestens drei Wochen nach Beginn der | |
Zahlungsunfähigkeit, also vor einem Jahr. Eine Insolvenzverschleppung ist | |
eine Straftat, die mit Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Haft bestraft | |
werden kann. | |
## Insolvenzantrag schützt Gläubiger | |
Die gesetzliche Regelung soll die Ansprüche von Gläubigern schützen, | |
Arbeitnehmer:innen sich rechtzeitig einen neuen Job suchen können. | |
Insolvenzverfahren bieten auch die Chance, mit staatlicher Hilfe ein | |
Unternehmen zu sanieren. Dennoch halten sich längst nicht alle daran. Nach | |
Betrug bilden Insolvenzstraftaten laut Polizeilicher Kriminalstatistik die | |
zweitgrößte Deliktgruppe in der Wirtschaftskriminalität. | |
Ein fristgerecht gestellter Insolvenzantrag hat für die betroffenen | |
Arbeitnehmer:innen einen weiteren Vorteil: Sie müssen nicht vor ein | |
Arbeitsgericht ziehen, um rückwirkend ihr Gehalt zu bekommen. Denn sobald | |
ein Insolvenzantrag vorliegt, zahlt die Arbeitsagentur den Beschäftigten | |
drei Monate das Insolvenzgeld in Höhe des Monatsgehalts. Theoretisch kann | |
die Arbeitsagentur auch ohne Verfahren Insolvenzgeld zahlen. Doch | |
entsprechende Anträge von Dihya Anzar und einem weiteren Kollegen wurden | |
abgelehnt. | |
Oliver S. nennt der taz den Grund, warum er nie vor hatte, einen | |
Insolvenzantrag zu stellen: „Aufgeben war und ist für mich niemals eine | |
Option.“ Deshalb habe er im September eine neue Firma gegründet. Es ist die | |
fünfte, seitdem er 18 ist. Sobald sein jüngstes Unternehmen genug Gewinn | |
abwerfe, begleiche er alle Schulden, verspricht er. | |
Die gehen in die Hunderttausende, wenn nicht mehr. Allein den drei jungen | |
Männern stehen nach den Entscheidungen des Bremer Arbeitsgerichts knapp | |
100.000 Euro zu. Mikhail Zotyevs Verfahren endete im September 2023 in | |
einem Vergleich, danach muss die Bakersoft GmbH ihm 28.000 Euro zahlen. | |
Zu den Terminen von Dihya Anzar und Ahad Joumaa im Dezember und Januar | |
erschien Oliver S. nicht. So wurde er in Abwesenheit einmal zur Zahlung von | |
24.000 Euro verurteilt, einmal von 39.400 Euro. Nur eine weitere Kollegin | |
ist vor das Arbeitsgericht gezogen, auch sie hat recht bekommen. | |
## Neue Firma soll es richten | |
Oliver S. hat mehrfach versucht, seine Mitarbeiter:innen von Klagen | |
abzuhalten. So hatte er ihnen im vergangenen Jahr ein Schriftstück zur | |
Unterschrift zugeschickt, mit dem sie ihre Ansprüche zurückstellen und auf | |
seine neue Firma übertragen sollten. Diese Schreiben liegen der taz vor. | |
Die drei jungen Männer haben sich nicht darauf eingelassen. Aber womöglich | |
andere. Fünf Personen aus der alten Firma arbeiten nach Angaben von Oliver | |
S. immer noch für ihn – jetzt eben für die neu gegründete. Sie heißt | |
Mealtime GmbH. | |
Bei dem Treffen in den Räumen der Bremer Beratungsstelle zeigt Mikhail | |
Zotyev auf seinem Smartphone Beiträge in sozialen Medien, auf denen ihr | |
ehemaliger Chef – Jeans, T-Shirt, Undercut-Frisur – in die Kamera lacht. | |
Auf einem Foto posiert Oliver S. [8][mit zwei Bremer | |
CDU-Bürgerschaftsabgeordneten], auf einem anderen mit seinen neuen | |
Geldgebern des Smartcity House, einem Start-up-Fördernetzwerk unter | |
Beteiligung der Sparkasse Osnabrück. | |
„Wir freuen uns sehr auf die anstehende gemeinsame Reise!“, [9][heißt es | |
auf dessen Linkedin-Account] in einem Beitrag im März. Zu diesem Zeitpunkt | |
liegt seit zwei Monaten ein zivilrechtlicher Haftbefehl gegen ihn vor, der | |
ihn im Rahmen der Zwangsvollstreckung zur Auskunft über das Firmenvermögen | |
zwingen soll. | |
„Wie kann er damit durchkommen?“, fragen die drei jungen Männer im Gesprä… | |
immer wieder, mehr fassungslos als wütend. Es geht ihnen nicht nur um ihr | |
Gehalt. Mikhail Zotyev hat Anwaltskosten in Höhe von 4.000 bis 5.000 Euro | |
gehabt. Genau weiß er es nicht, nur dass seine Ersparnisse – wie auch die | |
der anderen beiden – weg sind. | |
## Gerichtsvollzieher findet ihn nicht | |
Hinzu kommen Kleckerbeträge für den Gerichtsvollzieher. 22 Euro kostet der | |
Haftbefehl, den Mikhail Zotyevs Anwältin beantragt hat. Von Dihya Anzar | |
verlangt er 37,57 Euro dafür, dass er die Vollstreckung eingestellt hat, | |
weil er Oliver S. weder unter der Anschrift der alten noch der neuen Firma | |
antrifft. Die Männer hatten daraufhin seine private Anschrift recherchiert, | |
ein anderer Gerichtsvollzieher war zuständig. Dihya Anzar soll ihm 56,26 | |
Euro dafür überweisen, dass Oliver S. auch dieser Ladung zur Aussage nicht | |
gefolgt ist. | |
Dass sie so hartnäckig am Ball bleiben und dafür auch die finanziellen | |
Ressourcen haben, unterscheidet sie von vielen anderen Ratsuchenden, mit | |
denen Petra Simonowsky und ihre Kolleg:innen von Faire Integration zu | |
tun haben. Oft genug erlebe sie, dass Arbeitgeber darauf setzen, dass die | |
Geschädigten sich gar nicht wehren oder irgendwann aufgeben, sagt sie. | |
Die drei gehen nicht nur arbeitsrechtlich gegen ihren ehemaligen Chef vor, | |
sondern haben ihn Anfang Februar bei der Polizei angezeigt. Sie werfen ihm | |
einen Bankrott nach Paragraf 283 des Strafgesetzbuchs vor. Darauf steht | |
eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft. Unter anderem ist es | |
verboten, Firmenvermögen beiseite zu schaffen. Dazu zählen Produkte, die im | |
Rahmen eines Insolvenzverfahrens hätten veräußert werden können, um | |
Schulden zu begleichen – wie eine Software. | |
## Beim Zoll angezeigt | |
Die drei jungen Männer sagen, genau das habe Oliver S. getan. Seine neue | |
Firma baue auf dem Produkt auf, dass sie und ihre Kolleg:innen für die | |
alte entwickelt hatten. Das von [10][Bakersoft war Bäckereien angeboten | |
worden]. | |
Nutzer:innen hätten die gewünschte Ware per App auf ihrem Smartphone | |
bestellt und anschließend in einem Automaten abgeholt. Der | |
Mealtime-Automat soll in Büros nach demselben Prinzip als „Kantine auf | |
einem Quadratmeter“ funktionieren, wie es auf der Firmenhomepage heißt. | |
Oliver S. schreibt der taz, die Produkte seien „grundverschieden“ und | |
stünden „in keinem Zusammenhang“. | |
Auch beim Zoll hat ihn einer der drei Männer angezeigt – wegen nicht | |
gezahlter Sozialversicherungsbeiträge. Nach Paragraf 266a des | |
Strafgesetzbuchs steht auf das „Vorenthalten und Veruntreuen von | |
Arbeitsentgelt“ eine Geldstrafe oder fünf Jahre Freiheitsentzug. Alle drei | |
waren wie auch weitere Kolleg:innen bei der HKK versichert, einer | |
relativ kleinen Bremer Kasse. Diese bestätigt, dass sie ausstehende | |
Beitragszahlungen in Höhe eines Betrags im niedrigen fünfstelligen Bereich | |
von der Bakersoft GmbH verlangt. | |
Dies ist kein Einzelfall. Nicht gezahlte Beiträge einzutreiben gehört zum | |
Tagesgeschäft von Krankenversicherungen. So leitet die größte Kasse | |
Deutschlands, die TK mit 11,6 Millionen Versicherten, jeden Monat 10.000 | |
Vollstreckungen ein, wie ein TK-Sprecher mitteilt. Wenn säumige Unternehmen | |
wie die Bakersoft GmbH ihre Schulden bei den Kassen nicht begleichen, muss | |
die Solidargemeinschaft die Beiträge übernehmen. | |
## Der Schaden auf dem Kurs | |
Für Dihya Anzar hat das Verhalten seines Ex-Chefs weitere Folgen. Oliver S. | |
hatte ihn ohne sein Wissen und wahrheitswidrig für mehrere Monate als | |
Minijobber angemeldet. Das wurde Dihya Anzar jetzt zum Verhängnis als er | |
Arbeitslosengeld beantragen wollte. Sein nächster Arbeitgeber hatte ihm | |
wegen finanzieller Probleme gekündigt. Die Arbeitsagentur lehnte Dihya | |
Anzars Antrag mit der Begründung ab, er sei keine zwölf Monate | |
sozialversicherungspflichtig tätig gewesen. | |
Dass das Arbeitsgericht Bremen seine Angaben, bei der Bakersoft GmbH | |
Vollzeit beschäftigt gewesen zu sein, für glaubwürdig hält, reicht der | |
Arbeitsagentur nicht als Nachweis. Seine Probleme werden dadurch noch | |
größer: Weil er kein Arbeitslosengeld bekommt, verlangt die Krankenkasse | |
von ihm rückwirkend 1.000 Euro Versicherungsbeiträge ab Februar, die sonst | |
die Arbeitsagentur übernommen hätte. | |
Oliver S. schreibt der taz, es tue ihm „für die Beteiligten unglaublich | |
leid, wie es abgelaufen ist“, das Projekt sei auf „tragische Art und Weise�… | |
geendet. Jetzt wolle er „mit einem neuen Projekt alles von neu aufbauen.“ | |
Er glaubt sich weiter auf Kurs zum erfolgreichen Unternehmer, unterstützt | |
von Geldgebern, die genau das in ihm sehen wollen. Mikhail Zotyev, Dihya | |
Anzar und Ahad Joumaa könnten ihnen erzählen, welchen Schaden er auf | |
seinem Kurs schon verursacht hat. Aber sie werden nicht gefragt. | |
15 Jun 2024 | |
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[7] http://web.archive.org/web/20220523171921/https://bakersoft.de/de/ | |
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Eiken Bruhn | |
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