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# taz.de -- Nach Hamburger Islamisten-Demo: Großer Aufmarsch gegen das Kalifat
> Vor einer Woche forderten radikale Islamisten in Hamburg ein Kalifat. Am
> Samstag demonstrierten rund 1.000 Menschen gegen Islamismus und
> Antisemitismus.
Bild: Vor einer Woche standen hier rund 1.000 Islamisten: Demonstriende am Sams…
Hamburg taz | Hunderte Menschen haben am Samstagmittag in Hamburg gegen ein
Kalifat in Deutschland demonstriert. Unter dem Motto „Weder Kalifat noch
Patriarchat, nur Einigkeit und Recht und Freiheit“ beteiligten sich
zeitweise bis zu 1.000 Menschen an einer Kundgebung am Steindamm im
Stadtteil St. Georg.
Dort hatten vor einer Woche ebenfalls rund 1.000 radikale Islamisten gegen
die aus ihrer Sicht islamfeindliche Politik und Medienberichterstattung in
Deutschland demonstriert und [1][die Einführung eines Kalifats gefordert].
Ein Kalif ist ein Alleinherrscher, der geistliche und weltliche Macht in
sich vereint. Die von der Gruppe Muslim Interaktiv organisierte
Demonstration hatte bundesweit Wellen geschlagen.
Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel hatte sich im ZDF-Morgenmagazin
dafür rechtfertigen müssen, dass er die Islamisten unter Berufung auf die
Meinungs- und Versammlungsfreiheit gewähren ließ. Bundesinnenministerin
Nancy Faeser (SPD) fand es schwer erträglich „eine solche
Islamisten-Demonstration auf unseren Straßen zu sehen“ und forderte ein
sofortiges und hartes Durchgreifen bei Straftaten.
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Lamya Kaddor, forderte
zu prüfen, ob Muslim Interaktiv verboten werden könne. Schließlich stehe
der Verein [2][der islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir nahe], die
von den Behörden als ausländische Terrororganisation eingestuft wird und in
Deutschland nicht tätig sein darf.
## AfD und Linke nicht dabei
Im Aufruf zur Gegendemonstration hatte es geheißen, man wolle ein Zeichen
setzen „gegen Islamisten, die ganz unverhohlen die Scharia über das
Gundgesetz stellen“, die das Grundgesetz als Wertediktatur diffamierten und
„nicht nur den Hamburger:innen eine überaus archaische Idee von
Geschlechterapartheid präsentieren“.
Initiiert wurde die Gegendemonstration vom Verein Säkularer Islam, der
Kulturbrücke Hamburg und deren Initiative International Women in Power
sowie der Kurdischen Gemeinde Deutschland.
Im Laufe weniger Tag schlossen sich zwei Dutzend weitere, im wesentlichen
säkulare Organisationen an: Dabei waren die Deutsch-Israelische
Gesellschaft, türkische, persische Gruppen und Frauengruppen sowie die in
der Hamburgischen Bürgerschaft vertretenen Parteien mit Ausnahme der Linken
und der AfD – wobei letztere erst gar nicht gefragt worden war. Auch nicht
beteiligt waren der Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg und
Schleswig-Holstein sowie die Ahmadiyya-Gemeinde.
## Gegen migrantischen Rechtsextremismus
Ali Ertan Toprak, Bundesvorstand der Kurdischen Gemeinde in Deutschland,
sagte der taz, die demokratischen Parteien dürften den Kampf gegen den
Islamismus nicht den Rechtsextremen überlassen. Dabei sei es wichtig, auch
[3][gegen migrantischen Rechtsextremismus] wie den der Islamisten Flagge
zu zeigen.
„Keiner schadet der islamischen Religion und den Muslimen mehr als die
Islamisten selbst“, sagte Toprak am Samstag in seiner Rede bei der
Kundgebung. Die Vertreter von Muslim Interaktiv nannte er „kleine
Möchtegern-Azubi-Kalifen“ und forderte sie auf, den erhobenen Zeigefinger
der Prediger herunterzunehmen.
Viele Muslime seien aus diktatorischen Regimen nach Deutschland geflohen,
um hier sicher und in Freiheit in einer Demokratie leben zu können, sagte
Toprak. Wer hier ein Kalifat fordere, fordere eine faschistische Diktatur.
„Wenn es euch hier nicht gefällt, könnt ihr gerne in Afghanistan, Jemen
oder Iran leben.“
## CDU fordert Verbot
Die Fraktionschefs der in Hamburg regierenden SPD und Grünen, Dirk
Kienscherf und Dominik Lorenzen, betonten, dass das Problem in der
Bürgerschaft einen breiten Raum einnehme. Der CDU-Fraktionsvorsitzende und
Landeschef Dennis Thering erinnerte daran, dass die CDU erst kürzlich in
der Bürgerschaft ein Verbot der Gruppe Muslim Interaktiv gefordert habe,
damit aber an der rot-grünen Mehrheit gescheitert sei. Islamismus müsse mit
Taten bekämpft werden, so Thering.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries forderte erneut, die
Forderung nach einem Kalifat unter Strafe zu stellen. Auch der Hamburger
FDP-Abgeordnete Michael Kruse forderte staatliche Konsequenzen für
islamistische Gruppen.
Dass sich die Linke in der Hamburger Bürgerschaft dem Aufruf nicht
anschloss, begründete die Co-Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir gegenüber
der taz damit, dass die Demonstration auf intransparente Weise zustande
gekommen sei. Es habe kein Treffen, kein gemeinsames Papier gegeben. „Wenn
ich auf einem Flugblatt stehe, würde ich gerne wissen, in welche Richtung
es geht“, sagte Özdemir.
Die Linke beschäftige sich seit Jahren intensiv mit dem Thema im
Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat
(IS). Die wiederholten Demonstrationen, bei denen es in erster Linie um
das Schicksal der Kurdinnen und Kurden, im weiteren Sinne aber auch um
Deutschland gegangen sei, hätten jedoch bei anderen Parteien und
Organisationen wenig Resonanz gefunden.
## Auch islamische Gemeinden sind besorgt
Auch die Schura, der Rat der islamischen Gemeinden in Hamburg, hat die
Kalifat-Demonstration von Muslim Interaktiv mit Sorge kommentiert.
„Marginale Gruppen wie diese bewegen sich nicht innerhalb, sondern
außerhalb der muslimischen Gemeinden“, kommentierte der Vorsitzende Fatih
Yildiz. Sie lösten keine realen Probleme, sondern beförderten „die
rechtspopulistische Instrumentalisierung von Flucht, Migration und Religion
und verstärken eine Entfremdung aus der Gesellschaft“.
Dass die Schura den Aufruf nicht mitunterzeichnet hat, erklärt Yildiz mit
Vorbehalten gegenüber den Initiatoren. Deren Anliegen sei zwar berechtigt,
aber die Schura habe in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit ihnen
gemacht. „Wir haben da kein gutes Gefühl“, sagt Yildiz. Rückständigkeit,
etwa wegen seiner Haltung in der Kopftuchfrage, will er sich nicht
vorwerfen lassen. „Wir möchten nicht, dass Islam mit Islamismus verwechselt
wird“, sagt Yildiz.
Die Schura arbeite seit 20 Jahren am Thema Extremismus und habe diesen
erfolgreich aus der Community ferngehalten. Der aktuelle Aufruf sei daher
eine verpasste Chance, mehr Menschen zu mobilisieren. Zudem verschaffe er
der Gruppe „mehr Aufmerksamkeit, als sie verdient“. (mit dpa)
5 May 2024
## LINKS
[1] /Konsequenzen-nach-Islamisten-Demo/!6007289
[2] /Wissenschaftler-ueber-Islamisten-Demo/!6005190
[3] /Islamisten-Demo-in-Hamburg/!6004969
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Demonstration
Islamismus
Demokratie
Kalifat
Muslime in Deutschland
Schwerpunkt Islamistischer Terror
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