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# taz.de -- Neue Forderung von „Muslim Interaktiv“: Ein Kalifat in der Ferne
> Die Gruppe „Muslim Interaktiv“ hielt unter strengen Auflagen eine zweite
> Kundgebung am Hamburger Steindamm ab. Es wirkte wie eine perfekte
> Inszenierung.
Bild: Die rund 2.300 Teilnehmer der Demo in Hamburg forderten diesmal kein „K…
Hamburg taz | Die zweite Kundgebung der Gruppe „Muslim Interaktiv“ auf dem
Hamburger Steindamm verlief ohne Vorfälle. Die rund 2.300 Teilnehmer
hielten sich an die Auflagen und forderten diesmal kein „Kalifat“ –
zumindest nicht für Deutschland. [1][Ein Aufmarsch am 27. April], bei dem
ein Gottesstaat als Lösung gepriesen wurde, hatte bundesweit Empörung
ausgelöst.
Schon eine halbe Stunde vor Beginn trifft man auf dem Weg zum Steindamm auf
[2][Gegenprotest]. Der Verein „Frauen Heldinnen“ hat aufgefordert, „für …
freiheitlich-demokratische Grundordnung anstatt Kalifat und Scharia“ zu
protestieren. Etwa dreißig Personen sind dem gefolgt, um sie herum sehr
viel Presse.
Die Rednerin Astrid Warburg-Manthey, bekannt aus der Zeitschrift Emma,
kritisiert den Islam aus radikalfeministischer Sicht. Sie warnt vor
übergriffigen, muslimischen, jungen Männern und „Kulturrelativismus von SPD
und Grünen“. Als plötzlich eine Frau mit Kopftuch die Kundgebung mit lauten
Rufen zu Palästina stört, skandiert ein Mann „Hau ab!“. In den Sprechchor
steigen weitere Menschen ein und umzingeln die Frau. Einige der Anwesenden,
so das ungute Gefühl, scheint die Szene zu gefallen.
Aber nicht alle Anwesenden teilen eine harte Kritik der Organisatorin am
Islam. Die Grüne Abgeordnete Filiz Demirel nimmt am Protest teil, sagt
aber, die größte Bedrohung für die innere Sicherheit komme von rechts. Die
Forderung nach einem Kalifat sei in keiner Weise repräsentativ für die
Mehrheit der Hamburger Muslime.
Auch die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein protestiert mit.
[3][Islamismus sei eine Bedrohung für Minderheiten und Frauen], sagt sie,
und fordert ein Verbot der Gruppe „Muslim Interaktiv“. Mit dem Ruf nach
einem Kalifat sei eine Grenze überschritten. Sie verstehe nicht, warum
diese Gruppe erneut demonstrieren dürfe. Das kritisierte im Vorfeld auch
CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Kalifat-Verherrlichung habe auf Hamburgs
Straßen keinen Platz. Dem rot-grünen Senat fehle der Mut, diese erneute
Anmeldung abzulehnen.
## Grundrecht auf Versammlungsfreiheit
SPD und Grüne wiesen dies zurück. „Diese Gruppe politisch abzulehnen, heißt
noch lange nicht, dass man ihnen ihr [4][Grundrecht auf
Versammlungsfreiheit] entziehen kann“, sagte der SPD-Politiker Ekkehard
Wysocki. Wer das fordere, lege „die Axt an den Rechtsstaat“. Und die grüne
Fraktion erklärte, über Versammlungsverbote könnten nur die
Sicherheitsbehörden entscheiden.
Diese hatten die Versammlung unter strengen Auflagen erlaubt: Um 16 Uhr
sammeln sich am Steindamm bereits mehrere Hundert Menschen, fast nur
Männer. Die Behörden haben eine Geschlechtertrennung wie bei der letzten
Demo untersagt. Ein paar Frauen mit Kopftüchern stehen am Rand und sagen,
sie wären „nur zufällig“ dort.
Es folgt ein durchchoreografiertes Geschehen. Egal, welchen Ordner man
fragt, alle verweigern das Gespräch mit Journalisten und verweisen auf ein
Positionspapier von „Muslim Interaktiv“. Sie tragen professionelle
Headsets, stimmen sich ab.
## „Zensiert“, „Verboten“ oder „Banned“
Die Organisatoren der Kundgebung teilen Schilder aus. Bestimmt hundert
Stück, auf denen nur [5][die Worte „Zensiert“, „Verboten“ oder „Bann…
stehen]. Auch von der Bühne kommt nun die Ansage, niemand solle auf Fragen
von Journalisten antworten oder eigenmächtig Parolen rufen. Dann fordert
ein Organisator, für ein paar Minuten zu schweigen und alle Schilder
hochzuhalten. Die Teilnehmenden folgen dem mit beängstigender Disziplin.
Das ganze Geschehen wirkt wie eine akribisch geplante Installation.
Als die Stille vorbei ist, folgt die einzige Rede. Raheem Boateng,
Frontmann von „Muslim Interaktiv“, redet nicht – er predigt. Fast zwanzig
Minuten verliest er mit Inbrunst seine Anklage gegen die Islamfeindlichkeit
der deutschen Medien, Politik und Gesellschaft.
Und er erklärt sich: Das Kalifat sei als Lösung für die Situation im Nahen
Osten gemeint, keine Forderung für Deutschland. Dort solle es den Staat
Israel und seine Nachbarländer ablösen. Das sei nicht antisemitisch, denn
Antisemitismus sei ein europäisches Problem. „Das jüdische Leben, und das
ist unsere islamische Überzeugung, hat ein Existenzrecht“, sagt Boateng.
Sein Kalifat scheint an eine verklärte historische Vorstellung vom
Osmanischen Reich anzuknüpfen – welche Rolle Armenier oder Kurden
einnehmen würden, lässt er offen.
## Medien nennen ihn: „Islamisten-Popstar“
Im emotionalsten Moment der Rede kommt Boateng auf seine persönliche
Situation zu sprechen. Die ganze Nation kenne seinen Namen. „Sie haben mich
zum Staatsfeind gemacht!“, schreit er, dessen Gesicht bereits als „Der
Islamisten-Popstar“ auf der Mopo prangte. Die Rede endet mit einem Gebet,
das durch Pfiffe gestört wird. Dann ist die Versammlung vorbei.
Einzelne sind nun doch zum Reden bereit. Ein Mann aus Afghanistan sagt, er
wolle hier für Frieden demonstrieren. Ein Tadschike, der wenig Deutsch
spricht, sagt, er hätte gar nicht alles verstanden. Er wolle hier gegen die
Unterdrückung von Muslimen weltweit demonstrieren. Auf kritische Fragen
nach Kalifat, ethnischen Minderheiten oder Frauenrechten antworten beide
nicht.
## Gegenprotest bleibt nicht aus
Hinter der Kundgebung findet ein zweiter Gegenprotest statt, organisiert
vom „Jungen Forum“ der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Etwa 20 Personen
stehen in einem Polizeikessel, während die Teilnehmer der Kundgebung an
ihnen vorbeilaufen. Sie halten ein Transparent mit „Solidarität mit Israel
– Gegen Hamas-Terror und Antisemitismus“ hoch. Es kommt zu verbalem
Schlagabtausch: Die Passanten rufen „Free, free Palestine“, aus dem Kessel
antworten sie „Free Gaza from Hamas“.
Eine der Organisatorinnen ist 23-jährige Luna. Sie erzählt, ein Jahr lang
in Israel studiert zu haben. „Deshalb weiß ich, wie wichtig der Staat
Israel als Schutzraum für jüdische Menschen ist.“ Um den Körper trägt sie
eine Regenbogenfahne. Sie wolle sich für alle einsetzen, die durch ein
Kalifat bedroht würden, erklärte sie. „Das sind auch queere Menschen.“
12 May 2024
## LINKS
[1] /Konsequenzen-nach-Islamisten-Demo/!6007289
[2] /Nach-Hamburger-Islamisten-Demo/!6005969
[3] /Nahostdebatte-in-Deutschland/!5969353
[4] /Islamisten-Demo-in-Hamburg/!6006055
[5] /Wissenschaftler-ueber-Islamisten-Demo/!6005190
## AUTOREN
Marta Ahmedov
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