| # taz.de -- Proteste an der Columbia University: Die linke Sorge um Deutschland | |
| > Der Nahost-Diskurs ist verrottet. Aber was viele nur für Deutschland | |
| > beklagen, ist anderswo nicht besser. Ein kurzer Blick nach New York und | |
| > London. | |
| Bild: Propalästinensische Protestierende an der Columbia University am 25. Apr… | |
| [1][Teile der politischen Linken überraschen neuerdings mit der Sorge um | |
| Deutschlands Ansehen in der Welt.] In den USA und Großbritannien, im | |
| sogenannten Globalen Süden sowieso, verstünde man den deutschen | |
| anti-antisemitischen Diskurs nicht. Deutschland provinzialisiere sich | |
| selbst, heißt es bezüglich der deutschen Staatsräson oder [2][wenn Judith | |
| Butler für ihre Aussage kritisiert wird], die Hamas sei keine Terror-, | |
| sondern eine Widerstandsgruppe – eine Meinung, die sie mit Recep Tayyip | |
| Erdoğan teilt. | |
| Muss im Umkehrschluss also angenommen werden, der Nahostdiskurs in New York | |
| und London habe als vorbildlich zu gelten? Und sind die Ereignisse in New | |
| York von letzter Woche jenen Sorgenden zufolge das Gegenteil der so called | |
| deutschen „Diskursverengung“? | |
| Die Rede ist hier von den Auseinandersetzungen an der New Yorker Columbia | |
| University, die so aus dem Ruder liefen, dass die Universität ihren Betrieb | |
| nur noch online weiterführt. Dort hatten studentische Aktivisten jüdischen | |
| Studierenden den Zugang zu Teilen des Campus verwehrt und die | |
| Kassam-Brigaden herbeigesehnt – die militärische Unterorganisation der | |
| Hamas, die Israel auslöschen möchte. | |
| Camps wurden errichtet, Menschenketten gebildet, die „Community“ vor | |
| Zionisten „geschützt“. Geht so Kritik an der israelischen Kriegsführung in | |
| Gaza? Ist das eine Kritik an der rechten Netanjahu-Regierung? Sind Raketen | |
| auf Tel Aviv, von Sprechchören gefeiert, vereinbar mit der Forderung nach | |
| Waffenstillstand? „Burn Tel Aviv to the ground, ya Hamas we love you, we | |
| support your rockets too!“ | |
| ## „Yahoodim, yahoodi, fuck you“ | |
| Eine Differenzierung zwischen Zionisten und Juden wäre die | |
| Minimalvoraussetzung, um den oft formulierten Vorwurf, der | |
| Antisemitismusverdacht werde inflationär ausgesprochen und | |
| Antisemitismus damit verharmlost, ernst zu nehmen. Aber: Unterscheiden denn | |
| die „Free Palestine“-Krakeeler an dieser Stelle? „Yahoodim, yahoodi, fuck | |
| you“, hieß es in New York. Zurück nach Polen sollen sie gehen, die Juden. | |
| Dort würden sie herkommen. Ein Video zeigt, wie jüdische Studierende unter | |
| diesen Rufen bedrängt werden. | |
| Eine andere, die in New York erfolgreich Proteste anführt, ist die | |
| Schauspielerin Susan Sarandon. Der Ansatz der Pazifistin und Feministin? | |
| Die Verbrechen des 7. Oktober zu leugnen: „All of those myths about babys | |
| in ovens and the rapes.“ | |
| Zeitgleich in London: Im Guardian macht sich die Großnichte eines | |
| Hitler-Generals Sorgen über die Diskussion in Deutschland seit dem 7. | |
| Oktober, sie sorgt sich, „dass wir, obwohl wir uns ständig auf die | |
| Nazi-Vergangenheit berufen, einige wichtige Lehren“ vergessen. Ist es die | |
| Sorge darüber, dass es ein von Judenhass geprägtes Klima an den | |
| Universitäten gibt? Oder darüber, dass die Zahl antisemitischer Straftaten | |
| gestiegen ist? | |
| Nein, die Verbrechen des Onkel Walter „fühlen sich gerade jetzt unangenehm | |
| relevant an“, weil Deutschland ungewollt Fehler wiederhole, „die schon | |
| einmal gemacht wurden“, gerade weil es „an der Seite Israels“ stehe. | |
| Israelis als die Nazis von heute? Und Nazis erkennen Nazis am besten? „Die | |
| Vergangenheit meiner Familie und Deutschlands lastet schwer auf mir. Und | |
| deshalb liegt mir Gaza so am Herzen“, so der Titel des Textes, der | |
| symptomatisch ist für einen bestimmten pseudoantirassistischen | |
| Paternalismus [3][voller Verdrehungen und Blindheiten]. | |
| ## So viel Entlastung | |
| Es gibt einen Vortrag Theodor W. Adornos mit dem Titel „Zur Bekämpfung des | |
| Antisemitismus heute“ (1962), der Suhrkamp Verlag hat ihn kürzlich | |
| herausgebracht. Er ist nicht Adornos bester Aufsatz, und es geht viel mehr | |
| um Judenhass von rechts. Was aber die Rechten nicht exklusiv haben und der | |
| Aufsatz sehr gut zeigt: wie viel Entlastung die Deutschen (und andere) doch | |
| noch immer erfahren durch die Belastung der Juden. | |
| In einer früheren Version dieses Textes hieß es, den Studierenden sei der | |
| Zugang zum Campus verwehrt worden. Tatsächlich wurde ihnen wohl nur der | |
| Zugang zu Teilen des Campus verwehrt. | |
| 26 Apr 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Debattenkultur-zum-Nahostkonflikt/!6001896 | |
| [2] /Judith-Butler-und-ihr-Werk/!5994977 | |
| [3] /Nach-dem-Massaker-in-Israel/!5963661 | |
| ## AUTOREN | |
| Tania Martini | |
| ## TAGS | |
| Martini Shot | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Antisemitismus | |
| Israel | |
| Protest | |
| Hamas | |
| USA | |
| Universität | |
| GNS | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Israel | |
| Antisemitismus | |
| Martini Shot | |
| Anti-Israel | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Propalästinensische Proteste in Indiana: Organisatoren radikalisieren sich | |
| Solidarität kippt in Dämonisierung. Ein Lehrender schildert seine Eindrücke | |
| von den propalästinensischen Protesten an der US-Universität von Indiana. | |
| Biden über Proteste an US-Universitäten: „Kein Platz für Hass oder Gewalt�… | |
| Erstmals äußert sich US-Präsident Biden zu den Protesten an amerikanischen | |
| Universitäten. Seine Nahost-Politik wird die Wahlen im November | |
| beeinflussen. | |
| Proteste an US-Universitäten: Alle wollen Teil der Revolution sein | |
| Die Uni UCLA in Los Angeles ist im Ausnahmezustand. Es gibt | |
| Auseinandersetzungen zwischen pro-israelischen und pro-palästinensischen | |
| Aktivist:innen. | |
| Aktivist über Lösung im Nahost-Krieg: „Eine Art Freibrief für Israel“ | |
| Linke Israelis wie Nimrod Flaschenberg wollen, dass Deutschland die | |
| Zurückhaltung gegenüber Israel aufgibt und auf einen Waffenstillstand | |
| drängt. | |
| Israel und die Hamas: Hoffnung auf einen neuen Deal | |
| Israel droht, in Rafah einzumarschieren. Die Hamas veröffentlicht | |
| Geiselvideos. Kommt es diese Woche zu einem Abkommen? | |
| Start der 70. Kurzfilmtage Oberhausen: „Ein Klima des Ressentiments“ | |
| Der Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, Lars Henrik Gass, | |
| erhält Anfeindungen für seine Solidarität mit jüdischen Opfern. | |
| Debatte um Hannah-Arendt-Preis: Argue, don’t cry! | |
| Masha Gessen hätte sich nach dem Vergleich Gazas mit einem | |
| NS-Deportationsghetto einer politisch-analytischen Diskussion stellen | |
| müssen. | |
| Abwege des Aktivismus in der Kunst: Vom Pogrom zur „Poetic Justice“ | |
| In der Kunstszene steht politischer Aktivismus hoch im Kurs. Warum sind | |
| allein die Palästinenser das Objekt der Begierde? | |
| Über „Philosophy for Palestine“: Mainstream der Avantgarde | |
| Namhafte Philosoph:innen solidarisieren sich mit den | |
| Palästinenser:innen gegen Israel. Über die Misere der Philosophie als | |
| Parole. |