# taz.de -- Debatte um Hannah-Arendt-Preis: Argue, don’t cry! | |
> Masha Gessen hätte sich nach dem Vergleich Gazas mit einem | |
> NS-Deportationsghetto einer politisch-analytischen Diskussion stellen | |
> müssen. | |
Bild: Masha Gessen in Bremen, wo Gessen den Hannah-Arendt-Preis entgegennahm | |
Man kann Masha Gessen neben einem unverkennbaren Talent fürs Schreiben | |
zugutehalten, dass schon Leute den [1][Hannah-Arendt-Preis] bekommen haben, | |
die aus ihrem Israelhass gar keinen Hehl gemacht haben. Der katholische | |
italienische Philosoph Gianni Vattimo aus der Schule des schwachen Denkens | |
etwa erlangte große Popularität mit dem Satz „I’d like to shoot those | |
Zionist bastards“ und meinte damit alle israelischen Juden. | |
2014, nach dem Raketenbeschuss der Hamas und der darauffolgenden | |
Militäroperation Israels, machte er den völkerrechtswidrigen Vorschlag, den | |
Hamas-Terroristen militärische Hilfe zukommen zu lassen. Zugegeben, da | |
hatte er den Hannah-Arendt-Preis bereits, aber im Kreis der | |
Arendt-Preisträger:innen finden sich weitere Denker:innen mit | |
antizionistischen Äußerungen an der Grenze zum Antisemitismus. | |
Vielleicht sollte man gleich einen Preis für antizionistisches Denken ins | |
Leben rufen, damit dieser ganze Schlamassel ein Ende hat und jedes Jahr | |
teilen sich hundert Intellektuelle den Preis, weil: Da kommen ja einige | |
zusammen. Antizionismus ist kein Verbrechen. Wenn aber Gerüchte die Analyse | |
ersetzen, wird es schwierig. | |
Man könnte den Preis für politisches Denken auch einfach ernst nehmen und | |
sich als poltische:r Denker:in der politischen Diskussion stellen. Das | |
hätte Gessen letzte Woche [2][in der Böll-Stiftung] tun können und eine | |
ernsthafte Diskussion über den so falschen Vergleich Gazas mit den | |
NS-Deportationsghettos führen können. | |
## Canceln ist eine sehr schlechte Idee | |
Statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung stellte sich Gessen jedoch | |
lieber in die Reihen des Opferchors, um, obwohl international gelesen und | |
geehrt, über Silencing und deutschen McCarthyismus zu klagen und damit | |
implizit den historischen McCarthyismus zu verharmlosen. Apropos canceln: | |
Vielleicht müssten Jurys und Kurator:innen den intellektuellen Grips | |
haben zu wissen, wen sie sich ins Haus holen, und das dann auch | |
verteidigen, denn canceln ist ein schlechter Ansatz. | |
Wer all die Fragen, um die es in der Gessen-Gaza-Diskussion geht, | |
problematisieren möchte, kann aktuell zu dem gerade im Verbrecher Verlag | |
erschienenen Sammelband „Erinnern als höchste Form des Vergessen? | |
(Um-)Deutungen des Holocaust und der ‚Historikerstreit 2.0‘“ greifen, der | |
nebenbei auch zeigt, dass [3][Eike Geisel, an den der Titel angelehnt ist,] | |
bereits in den 1990ern schon Intelligenteres über den „Verbrüderungskitsch�… | |
und die „Wiedergutwerdung der Deutschen“ zu sagen hatte, ganz ohne den | |
NS-Vernichtungs-Antisemitismus zu relativieren oder Israel von der | |
Landkarte zu wünschen. | |
Im Sammelband findet sich auch ein Gespräch mit dem Historiker Yehuda | |
Bauer, der die [4][Shoah nicht unvergleichbar, im Gegenteil, aber | |
präzedenzlos] nennt. Und: „Der Holocaust wird von den Kritikern Israels | |
missbraucht, um eine Parallele zwischen der Geschichte der Juden unter den | |
Nazis und der der Palästinenser unter israelischer Herrschaft herzustellen, | |
was natürlich absoluter Nonsens ist.“ | |
Man kann hinzufügen: Je schiefer der Vergleich, desto größer die Wirkung. | |
[Anm. d. Red.: In einer vorherigen Version des Textes wurde ohne Zutun der | |
Autorin in der Unterzeile ein falsches Pronomen verwendet. Wir bitten dafür | |
um Entschuldigung.] | |
22 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Tania Martini | |
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