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# taz.de -- Millenials ohne Midlife-Crisis: Krisen und Techno statt Porsche
> Die Millennials haben in ihrem Erwachsenenleben schon so viele Krisen
> erlebt, dass ihre eigene Midlife-Crisis meist ausbleibt. Das ist nicht
> schlimm.
Bild: Millennials pflegen ihre Work-Life-Ballance auf einem Rave in Brandenburg
Sind Krisen wirklich immer nur schlecht? Schaut man sich die Geschichte der
[1][ökonomischen Theorie] an, zeigt sich nämlich ein differenziertes Bild:
Der österreichische Jahrhundertökonom Josef Schumpeter (1883–1950) etwa sah
im Prinzip der „schöpferischen Zerstörung“ die Antriebsfedern für
Fortschritt und Erneuerung. Dynamische Unternehmer würden Innovationen
durchsetzen, Pioniergewinne erzielen und so veraltete Technologie
verdrängen. Schumpeter erklärte damit auch zyklische Konjunkturkrisen.
Ist die Midlife-Crisis dann vielleicht auch eine Chance, aus alten
Strukturen auszubrechen, sich in der Lebensmitte neu zu erfinden? Doch was
ist, wenn einen so viele äußere Krisen auf Trab halten, dass man für die
Selbstfindung keine Zeit hat? Kommt man dann überhaupt noch in eine
Midlife-Crisis?
Dieser Frage ging die US-Journalistin Jessica Grose vor einiger Zeit in
einer viel beachteten Kolumne über die Generation der Millennials in der
New York Times nach. Die älteren unter ihnen müssten mit Anfang, Mitte 40
langsam in eine Sinnkrise geraten und teure Sportwagen kaufen. Doch Grose
bezweifelt dies.
Der Grund sind ihr zufolge eben die vielen Krisen, die diese Generation in
ihrem Erwachsenenleben bisher durchlebt hat: „Es gab das Platzen der
Dotcom-Blase, dann kam der 11. September, gefolgt von der Großen Rezession
im Jahr 2008. Dann kam das politische Chaos der zunehmenden Polarisierung,
das Gespenst des Klimawandels und schließlich die Covid-Pandemie“, schreibt
Grose.
## Generation Praktikum
Die Theorie von Grose, dass die Verhältnisse zu prekär sind, um in eine
Midlife-Crisis zu geraten, scheint auch für die Millennials in Deutschland
plausibel zu sein. Als sie in den nuller Jahren ihr Studium beendeten, war
Fachkräftemangel noch ein Fremdwort. Stattdessen galt Deutschland zunächst
als kranker Mann Europas, Gerhard Schröder setzte die Agenda 2010 durch und
dann kam auch noch die Finanzkrise.
Das waren also keine gute Zeiten, um ins Berufsleben einzusteigen. Als
Generation Praktikum hangelten sich die älteren Millennials nach dem
Studium oder der Ausbildung erst mal von einem Praktikum zum nächsten, bis
sie nach einem Bewerbungsmarathon endlich ihren ersten, meist befristeten
richtigen Job ergattern konnten.
Gleichzeitig machen die explodierenden Immobilienpreise den Bau der eigenen
vier Wände für die meisten Millennials utopisch. Es sei denn natürlich, man
verfügt über eine sechsstellige Finanzspritze von Mama und Papa. Der
goldene Käfig, aus dem die Elterngeneration vielleicht noch ausbrechen
wollte, verwandelte sich für die jetzigen 40er also in ein Hamsterrad.
Doch ganz so eindeutig ist die Lage offenbar nicht. US-Journalistin Grose
berichtet in ihrer Kolumne von einer Umfrage der New York Times unter
Millennials, dass die Krisen auch etwas Positives hätten: Sie ließen diese
Generation erkennen, dass das Leben kurz sei und man sich auf das
Wesentliche konzentrieren müsse. So seien ihre Ziele [2][nicht materiell],
weil ihr Erwachsenenleben ihnen gezeigt habe, wie vergänglich Materielles
sei.
## Gesellschaftliche Probleme
Stattdessen berichtet Grose von Millennials, die sich fürs Klima oder
soziale Belange engagieren. „Wenn wir gezwungen sind, mit der Tatsache
umzugehen, dass die wirklichen Probleme in der Mitte unseres Lebens
materiell sind, kann das auch helfen etwas zu erkennen: Dass es Probleme
sind, die wir als Gesellschaft beheben können“, schreibt sie am Ende ihrer
Kolumne.
Dieser Befund wiederum deckt sich mit Erkenntnissen aus Umfragen, denen
zufolge die Millennials eine gute Work-Life-Balance einer klassischen
Karriere vorziehen, sich um Natur und Umwelt sorgen und Unternehmen eher
misstrauen. Die vielen Krisen haben sie also vielleicht einfach nur
politischer und verantwortungsbewusster gemacht als die Generationen davor.
Und vielleicht brechen auch die Millennials ab und zu aus ihrem
Mitvierzigeralltag aus. Nur nicht, indem sie sich einen Porsche kaufen,
sondern auf ein [3][Techno-Festival] in Brandenburg fahren. Das ist
günstiger und besser fürs Klima.
17 Apr 2024
## LINKS
[1] /David-Ricardo-und-seine-Wirkung/!5958459
[2] /Wohlstand-jenseits-vom-BIP/!5894747
[3] /Nachhaltiges-Nachtleben/!5962163
## AUTOREN
Simon Poelchau
## TAGS
Ökonomie
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