# taz.de -- Die Wahrheit: Was ist das für 1 life? | |
> Auf der Suche nach der „Generation Mainstream“ und ihren wichtigen Fragen | |
> zur Zeit stößt man auf die Jugend von heute und ein ewig gleiches Rätsel. | |
Bild: So ist der Nachwuchs heute: Mit dem Wegbier im Hasenkostüm irgendwo in d… | |
Unsere jungen Menschen – sie sind uns ein Rätsel. Mal flippen sie mit dem | |
Wegbier in der Hand so chillig durch die Gegend, dass man sie am | |
Schlafittchen packen und tüchtig durchschütteln möchte. Mal schmeißen sie | |
sich in Schale und eilen mit andächtiger Miene zum Bewerbungsgespräch; hier | |
bewürfe man sie gern mit alten Kaugummis. Immer öfter jedoch hocken sie in | |
ihren Jugendzimmern und brüten über Plänen, uns alle möglichst | |
eindrucksvoll abzumurksen. | |
Aber warum, was treibt die jungen Leute um? Wie ticken sie tief innendrin, | |
diese lebenden Zeitbomben? Die Jugendforscher lassen uns wie immer im | |
Stich. Die aktuelle Sinus-Studie erkennt lediglich eine „Generation | |
Mainstream“, die vor allem eines im Sinn habe: den „Wunsch nach | |
Orientierung in einer unübersichtlichen globalisierten und digitalisierten | |
Welt, die von Konflikten geprägt ist“. Warum aber suchen sie Orientierung | |
ausgerechnet bei ihren ewigen Amokläufen? Die die Welt ja nur auf den | |
ersten Blick übersichtlicher machen, die Konflikte aber eher anheizen? | |
## Ruhelose Jugend | |
Wer wissen will, was die Halbwüchsigen wirklich denken, muss daher einen | |
Blick in die sozialen Netzwerke werfen. Was sie dort beschäftigt, sind | |
nicht die Fragen nach dem richtigen Umgang mit dem Brexit, mit den | |
Flüchtlingen, mit dem Sturmgewehr. Es sind vor allem zwei Fragen, die ihnen | |
keine Ruhe lassen: „Was ist das für 1 life?“ und „Wie kann man sich nur … | |
hart gönnen?“ | |
Bei der ersten Frage fällt schon nach schneller Analyse ein eklatanter | |
Widerspruch zwischen Form und Inhalt auf. An der Textoberfläche präsentiert | |
sich eine Jugend, die unbekümmert mit Zahlen um sich wirft, auch wenn es | |
nur sehr kleine sind; eine Jugend, die die Globalisierung so tief | |
verinnerlicht hat, dass sie bereits „1 life“ statt „ein Leben“ schreibt… | |
einfach weil sie es kann. Nämlich Englisch! Mit diesem Jux wollen die | |
Grünschnäbel andeuten, dass sie Humor haben, sich selbst nicht so ernst | |
nehmen. | |
Inhaltlich kommt es dafür um so dicker, schwerer, brisanter: Viele | |
Heranwachsende, so zeigt die Frage überdeutlich, wissen schlicht noch | |
nicht, was das eigentlich für 1 life ist. Ist es 1 gutes life? Ist es 1 | |
schlechtes life? Oder vielleicht auch eher so 1 life dazwischen, in | |
Abhängigkeit von der Tagesform, dem Kontostand, dem Beziehungsstatus? Wie | |
frisch geschlüpft stehen die Jungen vor dem phänomenologischen Reichtum der | |
Welt und wissen ihn weder einzuordnen noch mit sich selber in Verbindung zu | |
bringen. | |
In ihrer Unfähigkeit, irgendwelche Unterschiede wahrzunehmen, fragen sie | |
hartnäckig weiter, immer und immer wieder. Als würden sie mit einer Antwort | |
gar nicht mehr rechnen und vorsichtshalber schon mal ihre Glock entsichern. | |
Denn sie stellen die Frage sowohl dann, wenn ihnen etwas Angenehmes | |
widerfährt, als auch beim hinterletzten Mist, der auf sie einprasselt. | |
Jedes Mal: „Was ist das für 1 life?“ Als wären sie 1 bisschen auf den Kopf | |
gefallen. Als fiele ihnen in ihrer Ver2flung oder 3stigkeit nichts Besseres | |
ein, als immer wieder zum Ausgangspunkt von allem zurückzukehren: dem | |
Leben, nach dem sie uns trachten! | |
Was ist das denn aber nun für 1 life? Was soll man dem todessehnsüchtigen | |
jungen Gemüse antworten, wenn einem das eigene Leben noch lieb ist? Unter | |
Erwachsenen wäre die Antwort eigentlich klar: Es ist 1 scheißlife, und zwar | |
von vorne bis hinten, nur dass es hintenraus noch schlimmer wird. Diese | |
Wahrheit aber kann man jungen Leuten nicht zumuten, denn sie haben neben | |
dem Killerinstinkt noch Utopien im Herzen und Träume von einer besseren | |
Welt. Deshalb geht es bei ihnen ja ungläubig staunend mit der zweiten Frage | |
weiter: „Wie kann man sich nur so hart gönnen?“ | |
## Ausgelaugte Millenials | |
Komplett ausgelaugt von G8-Gymnasium und Bachelorstudium, sehen die | |
Millennials restlos verblüfft, dass wir anderen uns eben manchmal richtig | |
hart gönnen, ganz gleich ob wir es uns verdient haben oder nicht. Die | |
Gönnungsmöglichkeiten, die unsere Gesellschaft für ihre Mitglieder | |
bereithält, vom Champagnersaufen im Lamborghini bis zum bekifften | |
Mittagsschläfchen im Stadtpark, sind den meisten von ihnen überhaupt nicht | |
bekannt, jedenfalls nicht in dieser Härte. | |
Gunst kommt bekanntlich von Gönnen. Um weitere Gewaltausbrüche zu | |
verhindern, sollten wir der jungen Generation also von Zeit zu Zeit unsere | |
Gunst schenken, möglichst gönnerhaft, und ihnen dann vorflunkern, es sei | |
alles in allem doch 1 schönes leben. Zu dem sie sich nur ver4en lassen | |
bräuchten, ab 5zig würde es sogar noch mal ziemlich 6y, und später könnten | |
sie die besten Erlebnisse zur Erinnerung heraus7, wenn sie nur 8sam genug | |
seien, das Leben nicht kategorisch zu ver9en. | |
Oder, damit die jungen Menschen es besser verstehen: Wir alle haben nur 1 | |
life, bitte gönnt es uns zur Abwechslung mal hart! | |
10 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Mark-Stefan Tietze | |
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