# taz.de -- Die Wahrheit: Armada goldener Rollatoren | |
> Der große Austausch der deutschen Bevölkerung findet längst statt. Wir | |
> leben in der Diktatur der Rentner, die alles an sich reißen. | |
Deutschland im Jahr 2016: Die Hälfte der Deutschen fürchtet, dass der Islam | |
das Regiment übernimmt, die andere Hälfte zittert vor einer Rückkehr des | |
Nationalsozialismus. Währenddessen überschwemmt eine unheimliche Macht | |
unser Land und greift fast unbemerkt nach der Herrschaft über Staat und | |
Gesellschaft, welche sie tiefgreifend umformen will. In einen Staat, in dem | |
das Senioritätsprinzip gilt und der junge Mensch zu buckeln hat. Und in | |
eine Gesellschaft mit allgegenwärtigen Treppenlifts, seitenlangen | |
Hausordnungen, kostenlosen Seniorenparkplätzen und strikten Ruhezeiten in | |
der Außengastronomie ab 21 Uhr. | |
Bei der Macht, die sich humpelnd, aber zäh anschickt, unser Gemeinwesen | |
umzukrempeln, handelt es sich um Deutschlands Ruheständler – eine | |
Bevölkerungsgruppe, die den meisten von uns völlig fremd ist. Mit ihrer | |
Armada von Rollatoren verändert sie derzeit auf groteske Weise unser | |
Straßenbild, legt das Wirtschaftsleben lahm, vor allem an den | |
Supermarktkassen, und diktiert zusehends unverschämter die Inhalte der | |
Medien, insbesondere der öffentlich-rechtlichen. | |
Überwiegend besteht diese Gruppe aus Menschen, die froh sind, ihre besten | |
Jahre längst hinter sich zu haben, und bevorzugt von staatlichen | |
Transferleistungen leben. Dabei geht die Armee der Beigegrauen | |
befremdlichen, teils abstoßenden Sitten und Gebräuchen nach, wie dem | |
täglichen Kaffeekränzchen, Diabetes Typ 2 oder „Sylvie’s sauguatn | |
Stadl-Musikanten“. | |
Doch während bislang nur feinfühlige Feuilletonisten und | |
profilierungssüchtige Jungpolitiker einen Plan hinter der anschwellenden | |
Rentnerflut witterten, sind jetzt erstmals Dokumente aufgetaucht, die | |
belegen: In kürzester Zeit könnten uns die grauen Eminenzen unter ihre | |
Knute gezwungen haben. | |
## Abstoßende und groteske Sitten und Gebräuche | |
Dass die Diktatur der Alten kein Spleen besorgter Teenies ist, beweisen | |
nämlich geheime Strategiepapiere und Verträge aus den Stahlschränken der | |
Deutschen Rentenversicherung. Sie wurden einem Recherchekonsortium von | |
Süddeutscher Zeitung, Norddeutschem Rundfunk und Bento.de zugespielt, das | |
sie der Öffentlichkeit nun unter dem Namen „Granufink-Leaks“ zugänglich | |
macht. Demnach möchten Deutschlands Senioren schnellstmöglich den (von | |
ihren Vordenkern sogenannten) „Großen Austausch“ herbeiführen – nämlic… | |
der jungen erwerbstätigen Bevölkerung durch eine greise bequeme, die für | |
ihren Lebensunterhalt nicht arbeiten mag. | |
Dazu wollen sich die Rentner, wie Mails zwischen Lobbyisten des | |
Veteranenverbands, der Senioren-Union und dem Verlag Goldenes Blatt zeigen, | |
einerseits sprunghaft vermehren, unter anderem durch die demografische | |
Entwicklung, den Faktor Zeit sowie rücksichtslosen Sex im Alter. | |
Andererseits wollen sie uns Jüngeren jede Lust auf Fortpflanzung nehmen, | |
die Extremisten unter ihnen sogar die Lust aufs Leben. | |
Eine mächtige Waffe stellt dabei die Kontrolle über die Radiosender dar. | |
Nicht umsonst gilt „Das Beste der sechziger, siebziger und achtziger Jahre“ | |
als Hauptgrund für die steigende Suizidrate unter Jugendlichen. Wichtiger | |
jedoch: Es gibt unglaublich viele Rentner, schon über 25 Millionen – und | |
sie werden immer mehr, auch durch die großzügigen Bestimmungen zur Rente | |
mit 63. Das bedeutet in einer absterbenden Demokratie: Gegen die Interessen | |
der Alten kann keine Politik mehr gemacht werden. Wer an ihren Privilegien | |
rüttelt, muss sich auf tagelanges Gekeife und einen Satz heiße Ohren | |
einstellen. | |
Dabei spielt ihnen in die tattrigen Hände, dass sie Zeit und Geld im | |
Überfluss haben. Zeit, von morgens bis abends auf Bänken oder in Cafés | |
herumzusitzen. Zeit, uns aus trüben Augen zu beobachten, unsere | |
Gewohnheiten zu studieren und jede Widerstandsregung bei den übergeordneten | |
Stellen zu melden. Nach und nach installieren sie so ein lückenloses | |
Überwachungssystem und ersticken jeden Gedanken an Falschparken oder Spaß | |
nach Feierabend im Keim. Einziger Trost: Bei der Strafverfolgung hinken sie | |
uns oftmals hinterher. | |
Doch sie haben auch Geld. Auf ihren Konten horten sie Milliarden. Ihre | |
goldenen Gehhilfen und brillantenbesetzten Badewannenkissen sind so viel | |
wert wie die gesamten Drogenbestände aller unter 35-Jährigen. Ökonomisch | |
verfügen sie damit über ein enormes Droh- und Erpressungspotenzial. Wer | |
ihnen nicht um den schütteren Bart geht, wer zaghaft protestiert oder sich | |
dem Widerstand anschließen möchte, muss auf selbstgestrickte Marmelade | |
verzichten, braucht auf Hilfe beim Babysitten nicht zu hoffen, muss am Ende | |
womöglich sogar um sein Erbe bangen. | |
## Eine Welt aus Krankheiten und endlosen Kaffeefahrten | |
So soll die Demokratie sturmreif geschossen werden, damit die | |
herrschsüchtigen Alten ihre wahnwitzigen Pläne demnächst in Gesetzesform | |
gießen können. Aus den Leaks geht hervor, dass der Bundesverband der | |
Pensionäre hierzu bereits einen Katalog von mehreren tausend Seiten | |
erstellt hat. Verboten werden soll zum Beispiel jede Art von Lärm, | |
ausgenommen der von Laubbläsern, SUVs und zeternden Rentnern. Für „hastige | |
Bewegungen und vorlaute Sprüche“ wie auch „das absichtliche Werfen von Mü… | |
auf die Straße“ gibt es Hausarrest nicht unter vier Wochen. Der Gebrauch | |
des sogenannten Denglisch wird mit wenigstens sechs Monaten Haft bestraft, | |
„im Wiederholungsfall mit Stickarbeitslager“. Und für Tierquälerei gilt d… | |
Todesstrafe. | |
In dieser grauen Welt wird das Leben zum Erliegen kommen, weil jeder | |
verfügbare Platz mit Hackenporsches und Rollatoren vollgestellt ist. Wo | |
noch ein Schlupfloch wäre, stehen die Alten selber herum, verstrickt in | |
endlos kreisende Gespräche über Kaffeefahrten, Krankheiten und um wie viel | |
besser früher alles war. Logik, Stringenz, die Kraft des besseren Arguments | |
– das alles zählt nicht mehr. So müssen selbst gröbste Widersprüche freud… | |
abgenickt werden, wie beispielsweise der, dass die Alten alles „echt“ und | |
„unverfälscht“ wünschen, aber ihre ganze Existenz auf künstliche Süßst… | |
Hüftgelenke und Darmausgänge bauen. | |
## Geheimverstecke unter Matratzen und Kopfkissen | |
Sie genießen dafür das Privileg des Alters: auf alles mürrisch herabblicken | |
zu dürfen, ihrem Argwohn freien Lauf zu lassen und an den Kassen nur mit | |
Kleingeld zu bezahlen; die Scheine ruhen ja in einem Geheimversteck zu | |
Hause. Ganz unberechtigt ist ihr Misstrauen auch nicht. Seit der Steinzeit | |
wissen die Alten: Die Jungen wollen ihren Erfahrungsreichtum ausbeuten, | |
ihren Schmuck stehlen und sie nachts im Mondlicht von einer Klippe stoßen. | |
Oder schlimmer noch: ins Pflegeheim abschieben! | |
Die „Granufink-Leaks“ sind deshalb ein Weckruf: Widerstand ist Pflicht, die | |
Revolte gegen den „Großen Austausch“ staatsbürgerliche Notwendigkeit. | |
Kriegt massenhaft Kinder! Weigert euch, älter zu werden! Raubt den Senioren | |
Zeit und Geld, notfalls mit dem Enkeltrick! Die meisten von ihnen bewahren | |
übrigens tatsächlich Bargeld in einem „Geheimversteck“ auf. Schaut also | |
beim nächsten Besuch mal unter Kopfkissen und Matratzen. Ihr werdet | |
überrascht sein. Positiv! | |
18 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Mark-Stefan Tietze | |
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