# taz.de -- Die Wahrheit: Rüssel und Beine des Elefanten | |
> US-Präsident Donald Trump hat stets recht: Der alternativlose Check | |
> seiner ersten Amtswoche beweist es zur Gänze. | |
Seit vorgestern beginnen weltweit Menschen wieder von ganz anderen Dingen | |
zu reden. Trump? War gestern. Punkt. Und der alternative Faktencheck gibt | |
Trump auch in diesem Punkt recht. | |
Lassen wir die vergangene Woche ein letztes Mal Revue passieren. Am | |
Freitag, den 20. Januar, steht Donald Trump vor dem gleißend weißen Kapitol | |
und bellt eine Rede hinaus. Dem frischgebackenen Präsidenten ist sichtlich | |
unwohl. Hinter ihm liegt die von ihm noch so eben memorierte Vereidigung, | |
auf die er seit einem Jahr hingefiebert hat. Vor ihm liegt, wie den Wählern | |
versprochen, ein gewaltiger Haufen Arbeit: Amerika wieder riesig machen, | |
sich und seinen Freunden die Taschen füllen und – extrem viel Arbeit – | |
diese verflixte Rede zu Ende bellen. | |
Das Einzige, was ihn am Pult hält, während er sich mühsam durch das | |
Manuskript kämpft, sind die Menschenmassen unten in der nationalen | |
Fußgängerzone, der National Mall. Ihnen zuliebe, den rotbemützten | |
Abgesandten des wahren Amerika, überwindet er seine Niedergeschlagenheit. | |
Für einen Mann, der noch gar nie Politiker war, erledigt er seine Aufgabe | |
ganz ordentlich. Er erhält sogar Applaus, zumindest für den Mut, mitten in | |
Washington, umgeben von Washingtons politischer Elite, ein paar amüsante | |
Spitzen gegen diese Clique loszulassen. | |
Doch was machen die Medien? Statt ihm beizustehen und die Machtübergabe ans | |
Volk, also ihn, gebührend zu feiern, fallen sie auf gehässigste Weise über | |
Trump her. Die Rede wird durchgehend als „verstörend“, „feindselig“, j… | |
„faschistisch“ gebrandmarkt. Obwohl sie doch nur von Selbstbewusstsein und | |
Patriotismus zeugte. Abends kursieren in den sozialen Medien Luftaufnahmen, | |
die beweisen sollen, dass die nationale Fußgängerzone bei Trumps | |
Amtsantritt im Unterschied zu dem seines Vorgängers nur halb gefüllt | |
gewesen sei. Wie konnte es zu dieser unsäglichen Verdrehung des | |
tatsächlichen Geschehens kommen? | |
## Anwalt der Kleinen | |
Der alternative Faktencheck bringt es an den Tag: Zum Ersten liegt das | |
Interesse an der Herstellung und Verbreitung der Fotos klar auf der Hand. | |
Nicht jeder hat die Möglichkeit, Luftaufnahmen zu fertigen. Das schafft nur | |
jemand, der über ein Flugzeug verfügt, also Teil der abgehobenen, über dem | |
Volk schwebenden Eliten ist. Zweitens: Die Kameras sind offenkundig | |
manipuliert. Statt des großen Ganzen zeigen sie immer nur Ausschnitte. | |
Diese Ausschnitte sind merkwürdigerweise stets rechteckig, aber ist die | |
Realität denn wirklich rechteckig? Denkt nach! Drittens: Trump ist Anwalt | |
der kleinen Leute. Sein Publikum wirkt naturgemäß weniger groß als das | |
seiner erbitterten Feinde aus dem Establishment. Muss man es deshalb | |
verhöhnen? | |
Am Samstag, den 21. Januar, verbeißen sich die Medien jedoch in die | |
kleinliche Sache mit der Zuschauerzahl. Bei der Amtseinführung Obamas seien | |
laut Behörden 1,8 Millionen zugegen gewesen, bei Trump angeblich nur | |
250.000. Außerdem verquicken sie perfide die von ihren Schnüffelhunden | |
apportierten „Zahlen“ und „Belege“. Es geht um die Demonstrationen, die… | |
diesem Tag in Washington und anderswo gegen Trump stattfinden. In der | |
Hauptstadt habe sich eine halbe Million Protestler versammelt, im ganzen | |
Land seien es viermal so viele gewesen. Die unterschwellige Botschaft: | |
Trump kann es nicht. | |
Obwohl der Präsident tags zuvor doch sogar noch gearbeitet hat, schießt | |
sich die etablierte Presse auf die Zuschauerzahlen ein. Es wird aufs | |
Lachhafteste gezählt, gerechnet und geforscht und im Internet kursieren | |
derweil die wildesten Gerüchte: Trump habe den Geisteswissenschaften die | |
Förderung gestrichen, auf der Homepage des Weißen Hauses werde nicht mehr | |
über Bürgerrechte, Klimawandel und freie Liebe informiert, sondern nur noch | |
über Steuererleichterungen, die Abschaffung sozialer und ökologischer | |
Standards sowie die allgemeine Mobilmachung der Streitkräfte. | |
Nach dem alternativen Faktencheck bleibt von all diesen Vorwürfen nicht | |
mehr viel übrig. Ja, Trump hat den Geisteswissenschaften die Förderung | |
gestrichen. Das ist in aller Welt übliche Praxis und stört sonst nirgends. | |
Ja, er hat Obamacare ein wenig zurechtgestutzt. Aber ist es deshalb fair, | |
dass jetzt die Kranken und Bedürftigen durch die Straßen Washingtons | |
marodieren? Darunter viele Geisteskranke, die ein Wahlergebnis nicht als | |
das akzeptieren können, was es ist, als unbeschränkte Vollmacht für den | |
Präsidenten? Nein. Nicht fair! | |
## Echtes Cleverle | |
Eine weitere Steigerung erfährt die fortgesetzte Erniedrigung und | |
Verleumdung Trumps am Sonntag. Man schreibt den 22. Januar. Nach dem | |
Kirchgang macht sich der POTUS auf den Weg zur CIA in Langley, um ein paar | |
Risse im Kitt zu glätten. Aus dem Medien-Mainstream erfahren wir nur, dass | |
sich Trump dort mit seiner Cleverness gebrüstet und jeden Zwist zwischen | |
ihm und der CIA geleugnet habe. Außerdem habe er während der Rede | |
persönlich 1,5 Millionen Zuschauer gezählt. | |
Nach dem alternativen Faktencheck sieht die Sache schon ganz anders aus: | |
Als guter Geschäftsmann wollte der Präsident erstens das Kriegsbeil | |
begraben und den versammelten Agenten um den falschen Bart gehen. Zweitens | |
hat Trump ja eingeräumt, dass es sich bei den anderthalb Millionen um seine | |
subjektive Schätzung handele. Ein Gesprächsangebot also, kann man drüber | |
reden. Was er aber drittens keinesfalls getan hätte: lügen. | |
Wer wäre denn um alles in der Welt so bescheuert, vor den besten | |
Geheimdienstlern der Welt zu lügen? Die haben Menschenkenntnis, neueste | |
Detektoren, jede Menge Befragungstechniken, die Aua-aua machen! Außerdem | |
braucht er die Männer in der kommenden unruhigen Zeit doch noch. | |
Am Montag, den 23. Januar, geht das miese Spiel weiter und der Präsident | |
seinem ersten regulären Arbeitstag nach. Er unterzeichnet bedeutende | |
Dekrete gegen Handelsabkommen und Abtreibung. In den Lügenmedien hört man | |
aber wieder nur von den vermeintlichen Unwahrheiten, die sein Stab über die | |
vermaledeiten Zuschauerzahlen verbreite. Endlos wird auf dem Begriff | |
„alternative Fakten“ herumgeritten, den seine blonde Beraterin Kellyanne | |
Conway in die Welt gesetzt hat. Wollte sie doch damit nur die Festlegung | |
von Pressesprecher Sean Spicer erhellen – „das größte Publikum, das je bei | |
einer Amtseinführung dabei war. Punkt!“ Selbst Trumps treue Verbündete von | |
„Fox-News“ springen hier kurz ab. | |
## Alternativloser Typ | |
Der alternative Faktencheck zeigt: Alles halb so wild. Conway und Spicer | |
haben nur gesagt, was Sache ist. Keine zwei Menschen erleben dasselbe | |
völlig gleich. Der eine sieht beim Elefanten nur die Beine, der andere nur | |
den Rüssel. Der eine sieht 250.000 Leute, der andere anderthalb Millionen. | |
Die Wahrheit wird, wie immer, wohl irgendwo in der Mitte liegen, also bei | |
etwa 875.000. Darüber lohnt kein Streit. | |
Ab Dienstag, den 24. Januar, und Mittwoch, den 25., an dem Trump noch | |
schnell den Mauerbau zu Mexiko einleitet, reicht es ihm sowieso schon mit | |
dem blöden Geschwätz. Und ab Donnerstag, den 26. Januar, hat die | |
Menschheit, wie eingangs erwähnt, begonnen von anderen Dingen zu reden. | |
Punkt. Punkt. Punkt. | |
28 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Mark-Stefan Tietze | |
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