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# taz.de -- Die Wahrheit: Last minute Balkonien
> Auf dem Reisemarkt geht es derzeit turbulent zu: Terror, Zika-Mücke und
> Co. zwingen zum Umdenken.
Bild: Das Urlaubsziel Balkonien ist immer eine Reise wert
Der Sommer zieht sich langsam aus unseren Breiten zurück. Wer jetzt noch
nicht im Urlaub war, muss sich sputen. Oder zumindest eine gute Ausrede bei
den braungebrannten Kollegen haben, die keine Toleranz gegenüber mangelndem
Fernweh zeigen, sondern auf Ferienfotos und Mitbringsel pochen. Tatsächlich
Reisewillige stoßen aktuell allerdings auf ein Problem: Vergangene Woche
hat das Auswärtige Amt für 150 Länder auf der Welt dringende Reisewarnungen
ausgegeben – wegen Zika-Virus, Terrorgefahr und gnadenloser Abzocke am
Strand.
Für Preis- und Terrorsensible ist es deshalb der Geheimtipp der Saison:
Last-Minute-Urlaub auf Balkonien! Ein echter Geheimtipp, wie der
Interessierte spätestens erfährt, wenn er Angebote sichten will: Bei den
Reiseportalen im Internet gibt es praktisch keine Buchungsmöglichkeiten, in
den meisten Reisebüros gilt die Destination als unbekannt, lachhaft oder
sogar geschäftsschädigend.
Wer jedoch auf eigene Faust nach geeigneten Adressen sucht, wird schnell
fündig, zum Beispiel auf dem eigenen Personalausweis. Kurzentschlossene
wird kaum schrecken, dass die Anreise selber organisiert werden muss,
genauso wie die Verpflegung und das Unterhaltungsprogramm vor Ort. Dafür
winken zwei Vorteile: Für Unterbringung und Zimmerservice fallen keine
weiteren Kosten an, die Urlauber fühlen sich auf Anhieb wie zu Hause.
Der heimelige Charme des ungewöhnlichen Ferienziels erschließt sich auf den
ersten Blick, denn Balkonien ist ziemlich klein. Mehr als ein Tisch, zwei
Stühle, einige vertrocknete Grünpflanzen sowie vier leere Kisten Bier haben
dort selten Platz. Entschädigt werden die Reisenden zumeist durch einen
grandiosen Ausblick auf die malerische Umgebung und das landestypische
Essen, das traditionell unter viel Rauchentwicklung auf dem Grill
zubereitet und an der freien Luft verzehrt wird.
## Gastfreundliche Einheimische
Berühmt ist auch die Gastfreundschaft der Einheimischen. Man trifft sie
überwiegend im Badezimmer, wo sie einem aus dem Spiegel freundlich
zuzwinkern. Viele von ihnen sprechen Deutsch, Englisch und gern mit sich
selbst. Leidiges Thema bleibt ihre Mentalität. Sie führen sich auf, als
wären sie selbst im Urlaub, weigern sich oft, Sonnenschirm und Liegen aus
dem Keller zu holen. Aufdringliche Schmuck- und Sonnenhutverkäufer müssen
selbst besorgt werden, Snacks und Eiskrem gibt es nur gegen Trinkgeld, das
freilich meist in Getränke wandert, zu denen man herzlich eingeladen ist.
Große Sehenswürdigkeiten kann man auf Balkonien nicht erwarten, es sei
denn, man ist Fan von Geländerstreben und schmiedeeisernen Verzierungen an
der Brüstung. Auch Freunde von Bodenkacheln, Gießkannen und
metallicfarbenen Glaskugeln an Stäben in Blumentöpfen kommen voll auf ihre
Kosten. Daneben findet man bemerkenswert häufig duftende Kräuter,
insbesondere Basilikum, Petersilie, Rosmarin und verbotene.
## Nachtleben mau in Nordbalkonien
Apropos: Das Nachtleben soll gelegentlich ein bisschen mau sein, speziell
in Nordbalkonien. Hier kommt es sehr darauf an, wo man sich einquartiert.
Legendär sind die Geschichten von zuvorkommenden Gastgebern, die gleich am
Tag der Ankunft verschwanden, aber einen Kühlschrank voll Bier
hinterließen. Oft steht auch irgendwo hinten im Vorratsschrank noch eine
ältere Flasche Kirschlikör. Für alle, die Land und Leute von ihrer
authentischsten Seite kennenlernen wollen, empfiehlt sich die Mitnahme
eines Fernglases oder das Hinabwerfen leerer Bierdosen in den Hof um
Mitternacht.
Vorsicht jedoch: Viele Reisende klagen über Verkehrsgeräusche, manche auch
über Straßenlärm und klingelnde Paketboten. Dagegen hilft nur, sich den
Rhythmus des Gastlandes zu eigen zu machen. Erfahrene Traveller empfehlen,
sich beim ersten Sonnenstrahl über den Dachschindeln morgens so weit wie
nötig zu entkleiden, eine möglichst waagrechte Position einzunehmen, die
Augen zu schließen und ganz nach Landessitte stundenlang zu verfolgen, wie
sich die Muster zwischen Lid und Netzhaut verändern, je nachdem, ob man
ein- oder ausatmet.
Fortgeschrittene können diese beeindruckenden Ansichten sogar manipulieren,
indem sie ihren Kopf wie ein Kaleidoskop schütteln oder abwechselnd aus dem
linken und rechten Nasenloch ausatmen. Manch einer nutzt selbst feinste
Luftbewegungen, einen Windhauch oder eine aufkommende Brise dazu, die
grellen Muster auf der dunklen inneren Leinwand zerfließen und sich völlig
neu zusammensetzen zu lassen. Dass man in der Zwischenzeit an der Außenhaut
knackig braun wird, ist besonders in Südbalkonien kaum zu vermeiden.
Groß ist allerdings die Entführungsgefahr während solcher Zerstreuungen.
Immer wieder werden unbescholtene Balkonienurlauber mitten im schönsten
Sonnenbad dingfest gemacht und verschleppt. Dann geht es oft ins
Frühstückscafé, in irgendeinen Biergarten oder in Untersuchungshaft, von wo
aus viele nicht mehr zurückkehren. Das Auswärtige Amt erwägt deshalb schon
eine Reisewarnung.
23 Aug 2016
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
## TAGS
Zuhause
Balkon
Plastiktüten
Zika-Virus
Jugend
EU
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