| # taz.de -- Sieben Jahre nach dem G20-Gipfel: Polizeigewalt wird amtlich | |
| > Die Hamburger Polizei muss Schadensersatz an drei Attac-Aktivist*innen | |
| > zahlen. Sie waren beim G20-Gipfel Opfer von Polizeigewalt geworden. | |
| Bild: Häufig zu sehen beim G20-Gipfel in Hamburg: Polizei prügelt auf Demonst… | |
| Hamburg taz | Für eine vier Zentimeter große Platzwunde am Hinterkopf zahlt | |
| die Polizei sieben Jahre nach dem G20-Gipfel 800 Euro, und die Sache ist | |
| gegessen. Mit der Zahlung von zwei weiteren, lächerlich geringen Summen, | |
| also mit insgesamt 1.600 Euro Schadensersatz, endet ein langjähriges | |
| Gerichtsverfahren zwischen der Nichtregierungsorganisation Attac und der | |
| Polizei Hamburg. | |
| [1][Geklagt hatten die drei von Polizeigewalt betroffenen Attac-Mitglieder | |
| schon im Januar 2018], ein halbes Jahr nach den Gipfelprotesten. Im Juli | |
| 2017 waren sie als Teil des „Roten Fingers“ Opfer massiver Polizeigewalt | |
| geworden, als sie versucht hatten, die Protokollstrecken der | |
| Staatschef*innen zu blockieren und in die Demoverbotszone zu gelangen. | |
| Polizist*innen hatten die Demonstrant*innen ohne Vorwarnung | |
| angegriffen und mit Schlagstöcken auf sie eingeprügelt. Videos | |
| dokumentieren den Gewaltausbruch und die zum Teil schweren Verletzungen. | |
| Die drei Kläger*innen mussten im Krankenhaus behandelt werden. | |
| Als das Gericht seine Arbeit im Jahr 2018 aufnahm, weigerte sich die | |
| Polizei zunächst, eine Stellungnahme abzugeben. Stattdessen ermittelte die | |
| polizeiinterne Ermittlungsstelle gegen die Kolleg*innen, und auch die | |
| Staatsanwaltschaft wurde wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt | |
| tätig. | |
| ## Rechtmäßigkeit der Gewalt bezweifelt | |
| Das Verwaltungsgericht wurde im Gegenzug untätig, weil es die Ermittlungen | |
| der Staatsanwaltschaft abwarten wollte, bevor es die Rechtswidrigkeit der | |
| Einsätze und mögliche Schadensersatzansprüche prüfte. | |
| Doch dann passierte drei Jahre lang nichts. Schließlich stellte die | |
| Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein: Die Täter, die auf den Videos zu | |
| sehen sind, hätten nicht ermittelt werden können. Auch das | |
| Verwaltungsgericht erwachte nicht aus seiner Untätigkeit, bis Attac im | |
| August 2022 eine Untätigkeitsbeschwerde einlegte. Daraufhin schlug das | |
| Gericht einen Vergleich vor. | |
| Das Gericht äußerte „erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit“ der | |
| Gewaltanwendung ohne Vorwarnung. [2][In einer Stellungnahme] signalisierte | |
| es, dass es die Gewalt als unverhältnismäßig bewerten würde und es dann auf | |
| die Frage ankäme, warum es der Polizei nicht möglich gewesen sei, die | |
| Demonstration auf friedlichem Wege aufzulösen, bevor sie losprügelte. | |
| „Eine Gewaltanwendung durch Polizeibeamte kann nicht als verhältnismäßig zu | |
| werten sein, soweit ihre Erforderlichkeit auf Mängel in der polizeilichen | |
| Einsatzplanung zurückzuführen sind“, findet das Gericht. | |
| ## Prozess jahrelang verschleppt | |
| Die Polizei hatte argumentiert, eine Androhung von Gewalt sei aufgrund der | |
| Dynamik der Situation nicht möglich gewesen, deshalb habe sie die Demo mit | |
| Gewalt „aufstoppen“ müssen. | |
| Die Frage zu klären, ob die Überforderung der Polizei selbst verschuldet | |
| war, würde ein riesiges Fass aufmachen. Die Hamburger Polizei müsste ihre | |
| gesamte Einsatzplanung zum [3][G20-Gipfel] offenlegen. Für so ein | |
| umfangreiches Verfahren seien in absehbarer Zeit allerdings keine Termine | |
| frei, habe der Richter den Betroffenen signalisiert. So berichtet es die | |
| Klägerin Sabine Lassauer der taz. | |
| Angesichts des schon jahrelang verschleppten Prozesses entschieden sich die | |
| Kläger*innen jetzt, den Vergleich anzunehmen. „Es ist ein | |
| Schuldeingeständnis von Stadt und Polizei, sich auf den Vergleich und die | |
| Schadensersatzzahlung einzulassen“, sagt Laussauer. Deshalb sei das | |
| Ergebnis ein Erfolg. | |
| Die Polizei habe den Eindruck erweckt, [4][unter allen Umständen verhindern | |
| zu wollen], dass es zur Verhandlung samt Offenlegung der Einsatzplanung | |
| komme. „Aber die jahrelange Verschleppung hat auch bei uns Spuren | |
| hinterlassen“, sagt Lassauer. Die Motivation sei sieben Jahre nach den | |
| Ereignissen nicht mehr die gleiche, die Lebensumstände hätten sich | |
| verändert. Ihre Narbe, die sie von der vier Zentimeter großen Platzwunde am | |
| Hinterkopf hat, sei jedoch geblieben. | |
| 16 Apr 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /G20-Demonstranten-verklagen-Hamburg/!5474196 | |
| [2] https://www.attac.de/fileadmin/user_upload/bundesebene/Pressegruppe/2312_Er… | |
| [3] /G20-Proteste-in-Hamburg-vor-Gericht/!5984093 | |
| [4] /Polizeigewalt-in-Deutschland/!5931901 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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