# taz.de -- Vechtaer CDU-Ratsherr verleumdet SPDler: Der „Steineschmeißer“… | |
> CDU-Fraktionschef zahlt 2.100 Euro für die Behauptung, ein SPD-Kollege | |
> habe beim G20-Gipfel Steine und Molotowcocktails auf Polizisten geworfen. | |
Bild: CDU verzweifelt gesucht: Demo gegen die AfD in Vechta am 21. Januar | |
Hamburg taz | Ein SPD-Stadtrat einer niedersächsischen Kreissstadt, der | |
Molotowcocktails auf Polizisten wirft? Das gibt's doch gar nicht!, möchte | |
man sagen. Gibt es auch nicht. Jedenfalls nicht außerhalb der | |
Vorstellungswelt von Thomas Frilling, ebenfalls Stadtrat, sogar | |
Fraktionschef, nur eben bei der CDU. Wie jetzt bekannt wurde, musste | |
Frilling eine Geldstrafe in Höhe von 2.100 Euro zahlen, wegen übler | |
Nachrede. Er hat seinen Stadtratskollegen Sebastian Ramnitz von der SPD | |
beschuldigt, mit Steinen und Molotowcocktails auf Polizisten geworfen zu | |
haben. Das geht aus einem Strafbefehl hervor, den der pensionierte Polizist | |
akzeptiert hat. | |
Was ist da passiert? Ramnitz ist auch Vorsitzender des Vereins ContRa, der | |
sich in Vechta seit 2006 gegen Rassismus engagiert. In dieser Funktion | |
meldete Ramnitz im Januar, nach der Veröffentlichung der | |
[1][Correctiv-Recherche über das Potsdamer „Remigrations“-Treffen], eine | |
Kundgebung an, unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt – AfD verhindern“. | |
Es kamen mehr als 2.500 Menschen – statistisch jeder 14. Einwohner der | |
Stadt, und das im erzkonservativen Oldenburger Münsterland. Wohl auch, weil | |
ein wirklich breites Bündnis aus 40 Organisationen dazu aufgerufen hatte. | |
Auch fast alle Ratsparteien waren dabei, neben Ramnitz' SPD natürlich die | |
Grünen und Linken, aber auch das Wählerbündnis „Wir für Vechta“ und die | |
„Vechtaer Christdemokraten“, eine CDU-Abspaltung. Nur die echte CDU blieb | |
auf Distanz. | |
„Viele haben sich darüber gewundert“, sagt Berthold Knipper, der selbst an | |
der Kundgebung teilgenommen hatte und dort auch CDU-Mitglieder getroffen | |
hatte. Der Rechtsruck in Deutschland mache ihm Sorge, sagt er, er fühle | |
sich auch persönlich betroffen. Der pensionierte Lehrer hat drei Kinder aus | |
Indien adoptiert. „Die trauen sich nicht, in den Osten zu fahren“, sagt er. | |
„Mein Sohn sagt: Ich lass' mich da doch nicht von diesen Pegida-Typen | |
anmachen.“ | |
## Irokesenschnitt ja, aber Molotowcocktails? | |
Dass die CDU sich nicht mit gegen die AfD stellen wollte, ging ihm nicht | |
aus dem Kopf. Deshalb rief er nach der Kundgebung deren Fraktionschef im | |
Stadtrat an, Thomas Frilling. Der habe ihm gesagt, mit dem Ramnitz könne er | |
nicht gemeinsam auf die Straße gehen. Das sei ein Linksradikaler, der habe | |
2017 beim [2][G20-Gipfel in Hamburg] Steine und Molotowcocktails auf | |
Polizisten geworfen. | |
„Ich kannte Ramnitz“, sagt Knipper der taz. „Der hat mal vor zwölf oder … | |
Jahren in meiner Schule Propaganda gegen Rechts gemacht, sehr gut!“ Damals | |
habe er einen bunt gefärbten Irokesenschnitt getragen und sei bei seinen | |
Hauptschülern richtig gut angekommen. „Der hat bestimmt dazu beigetragen, | |
wenn die heute nicht AfD wählen“, meint Knipper. Aber Steine? | |
Molotowcocktails? Das konnte er sich nicht vorstellen. | |
Er rief Ramnitz an. Der sagte, nein, er habe nichts auf Polizisten | |
geworfen. Und fragte, ob Knipper das Gehörte auch in einer Vernehmung | |
bestätigen würde. Ramnitz erstattete Anzeige. | |
„Ich habe Frilling dann wieder angerufen und ihm das erzählt“, sagt | |
Knipper. Der habe geantwortet: „Dem sehe ich gelassen entgegen – es gibt | |
Polizeivideos, die belegen können, dass er Steine und Molotowcocktails | |
geworfen hat.“ | |
Frilling selbst will auf taz-Anfrage zunächst nichts sagen, nur so viel: | |
„So wie ich das gesagt habe, ist es nicht wiedergegeben worden.“ Warum er | |
dann den Strafbefehl akzeptiert und bezahlt hat, inklusive Gerichtskosten | |
immerhin 2.181 Euro? „Weil ich damit nicht vorbestraft bin“, sagt er. Der | |
Ex-Polizist bestätigt aber: „Ich habe auf meiner Wache Bilder gesehen, aber | |
die existieren leider nicht mehr.“ Darauf habe er „Ramnitz neben diesen | |
Personen“ gesehen. Ob es am Ende nur „diese Personen“ sind, die die Poliz… | |
beworfen haben, und nicht Ramnitz selbst, das lässt sich in diesem Gespräch | |
nicht aufklären. Frilling beendet es mit den Worten: „Ich will mich nicht | |
noch tiefer reinreiten.“ | |
Die Polizeiinspektion Cloppenburg-Vechta teilt auf taz-Nachfrage mit, | |
[3][nach dem G20-Gipfel seien Fahndungsfotos] „allen Beschäftigten der | |
Landespolizei Niedersachsen“ zugänglich gemacht worden. Insofern könne auch | |
Frilling als damals noch aktiver Polizist sie gesehen haben. Ob darauf der | |
SPD-Ratsherr Ramnitz zu sehen war? Das sei „hier nicht bekannt“, jedenfalls | |
habe es keine eigenen Ermittlungen gegeben. | |
Ramnitz selbst geht offen damit um, dass er beim G20-Gipfel in Hamburg war | |
– „auf so ziemlich jeder Demo, auch mal in der ersten Reihe“, wie er der | |
taz sagt. Er hat im Nachgang auch [4][Übergriffe der Polizei öffentlich | |
kritisiert]. „Aber Steine und Molotowcocktails habe ich nicht geworfen“, | |
bekräftigt der Sozialdemokrat. „Da gäbe es ja auch eine | |
Strafverfolgungspflicht.“ | |
## SPD-Mann Ramnitz kämpft um seinen Ruf | |
Warum ihm diese Feststellung so wichtig ist? Sein kleiner [5][Verein | |
ContRa] hat einen tadellosen Ruf, Ramnitz selbst wurde schon von der | |
Bundeszentrale für politische Bildung als „Botschafter für Toleranz und | |
Demokratie“ ausgezeichnet, hat eine ebenfalls prämierte [6][Broschüre über | |
den Umgang mit Rechtsextremen und Verschwörungsgläubigen im Betrieb] | |
geschrieben. Doch nun machen Unterstellungen wie die von Frilling die | |
Runde. „Ich habe schon von Leuten gehört, die nicht zu unseren | |
Veranstaltungen kommen oder ihren Kindern die Teilnahme an unseren | |
Projekten verbieten, weil sie gehört haben: Da ist dieser Steineschmeißer | |
dabei.“ | |
Auch seine Partei leide unter den Gerüchten, das habe sich beim | |
Haustürwahlkampf gezeigt, so Ramnitz. Und nicht zuletzt müsse er zusehen, | |
dass er in seinem Beruf als Coach und Mediator noch Aufträge bekomme. | |
Über zivilrechtliche Schritte habe er sich „noch gar keine Gedanken | |
gemacht“, sagt Ramnitz – auch weil Amtsgericht und Staatsanwaltschaft es | |
nicht für nötig befunden hatten, ihn über den Verfahrensausgang zu | |
informieren, so dass er erst auf aktive Nachfrage und mit vier Monaten | |
Verzögerung von dem Strafbefehl erfuhr. | |
Er kennt sich aus mit dem Prozedere: Vor acht Jahren musste er einmal | |
selbst 600 Euro zahlen, wegen übler Nachrede zu Lasten des Osnabrücker | |
Professors Hermann von Laer, CDU-Mitglied, aber unter den | |
Hauptunterzeichnern des Aufrufs „Wahlalternative 2013“, eines | |
AfD-Vorläufers. Ramnitz hatte ihm öffentlich unterstellt, er habe in | |
mehreren rechtsradikalen Zeitschriften publiziert. „Nur die Hälfte davon | |
stimmte“, sagt Ramnitz. Er habe seinen Fehler eingesehen, online | |
richtiggestellt und dafür gezahlt. So eine Fehlerkultur lässt die CDU | |
bislang vermissen. | |
Im Stadtrat waren Frillings Anwürfe bisher nicht Thema. Die Ratsvorsitzende | |
Simone Göhner, ebenfalls in der CDU und dort gleichzeitig stellvertretende | |
Kreisvorsitzende, will sich zu der Affäre in beiden Funktionen nicht | |
äußern. „Ich sage da gar nichts zu. Herr Frilling hat sich als Privatperson | |
geäußert und damit ist die Sache für mich erledigt.“ Sie sorge dafür, dass | |
die Dinge in der Ratssitzung ordentlich laufen – „aber ich bin nicht die | |
Erziehungsberechtigte“. Die Abstinenz ihrer Partei bei der Vechtaer | |
Kundgebung begründet Göhner damit, dass es im Aufruf geheißen habe, sie | |
wende sich „gegen rechts“, wo es „gegen Rechtsextremismus“ heißen müs… | |
„Ich halte es für sinnvoller, für etwas zu demonstrieren, für Demokratie.�… | |
7 Oct 2024 | |
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[3] /Oeffentlichkeitsfahnung-nach-G20/!5503841 | |
[4] /Sieben-Jahre-nach-dem-G20-Gipfel/!6004589 | |
[5] https://www.contra-rassismus.de/ | |
[6] https://www.ramnitz-coaching.de/material/ | |
## AUTOREN | |
Jan Kahlcke | |
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