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# taz.de -- Schützenfest nur für Männer und Jungs: Den Schuss nicht gehört
> Mädchen sollen beim Kinderschützenfest in Wildeshausen gleichberechtigt
> mitmachen, fordert eine Petition. Die Schützengilde wittert
> Meinungsmache.
Bild: Nur wer die Hosen an hat, darf auch den Hut aufhaben. Beim Schützenfest …
Bremen taz | Alles bleibt, wie es war. Wenn bald rund um Pfingsten in
Wildeshausen das Schützenfest gefeiert wird, dann wird der Spielmannszug
spielen und das Tambourkorps und das Musikkorps auch, dann werden die
Generäle marschieren und die Rekruten verpflichtet und die Schützen werden
ihren König küren, hurra. Und keine Frau wird schießen und auch kein
Mädchen, seien Sie gewiss. Denn alles, alles wird „in traditioneller Weise
unter Wahrung der alten Sitten und Gebräuche“ abgehalten, so wie es in den
Statuten steht von Alters her.
Zumindest ein bisschen was daran hätten einige Menschen aus Wildeshausen
ganz gern geändert – wenn schon nicht für Erwachsene, so doch für Kinder.
Die „gleichberechtigte Teilnahme von Mädchen am Kinderschützenfest“
forderte ein gutes Dutzend Frauen und Männer als Initiative „Gilde für
alle“ über eine [1][Petition auf der Plattform „We act“ von Campact.] Se…
dem 5. April sind über 1.300 Stimmen zusammengekommen. Laut „Gilde für
Alle“ weit überwiegend mit Wildeshauser Postleitzahlen, also lokale
Stimmen.
Aktuell dürfen Jungs zwischen zehn und 14 auf dem Kinderschützenfest in der
Woche nach Pfingsten mit der Armbrust beim Schießen auf den „Papagoy“ den
Kinderkönig küren. Mädchen dagegen sind nur als „Ehrendamen“ mit von der
Partie: Mit weißem Kleid und weißem Schirm begleiten sie den Kinderkönig
des Vorjahres zum Festplatz. Tags zuvor dürfen sie bei ihm zu Hause noch
seine Kette putzen.
„ALLE Kinder sollen beim Kinderschützenfest gleichberechtigt teilnehmen und
mitschießen dürfen“, fordern dagegen die Petenten und bemängeln: „Mädch…
dürfen beim Kinderschützenfest nicht zeigen, was sie drauf haben.“
## Schützengilde schießt scharf zurück
Formuliert wird all das mit größtmöglichem Respekt vor den Traditionen.
„Wir alle lieben unser Gildefest und den Zusammenhalt in unserer Stadt“,
heißt es. Es habe „eine integrative Kraft zwischen Alt und Jung,
Eingesessenen und Zugezogenen“. Die Verfasser*innen machen klar: Hier
soll kein Angriff folgen, wir sind bei euch.
Belohnt wurde diese Samtpfötigkeit mit einer [2][scharfen Reaktion der
Schützengilde:] „KEINE Aufmerksamkeit“ werde man „Petitionen von anonymen
Gruppen, die,politisch progressiv' orientiert sind“ schenken, schreibt der
Vorstand in einem Schreiben an die Mitglieder. Der Text der Petition sei
„tendenziös“, der Begriff der Teilhabe werde bewusst falsch interpretiert
und die wahren Beweggründe seien „ganz anderer Natur“, das
Kinderschützenfest sei nur ein Vorwand.
Gemeint ist: „Gilde für alle“ könnte am Ende nicht nur auf dem
Kinderschützenfest, sondern womöglich auch für erwachsene Frauen
Gleichberechtigung einfordern. Die Petent*innen nehmen Stellung: „Wir
zeigen offensichtlich durch unseren Gruppennamen, dass wir insgesamt mehr
Gleichberechtigung beim Gildefest unterstützen“, schreiben sie in Reaktion
auf den Vorwurf.
„Natürlich sind aus unserer Sicht viele Argumente für Gleichberechtigung
bei Kindern in ähnlicher Weise bei Erwachsenen (…) anwendbar.“ In der
online gestellten Petition aber gehe es ausschließlich um das
Kinderschützenfest – unter den Menschen, die unterzeichnet hätten, kenne
man „auch einige, die nicht für Gleichberechtigung bei Erwachsenen sind“.
## 86 Prozent stimmten gegen Öffnung für Mädchen
Zurück geht die Petition auf ein Anliegen von vier Schülerinnen, die sich
tatsächlich nur um eine Öffnung des Kinderschützenfestes bemühten und
[3][explizit in der lokalen Nordwest-Zeitung (NWZ) betonten]: „Es geht uns
nicht darum, dass Frauen in die Gilde eintreten dürfen.“ Bereits 2021
hätten sie im Schützenvorstand ihr Anliegen vorgebracht. Erst als nichts
passierte, sammelten sie im Herbst 2023 70 Unterschriften.
Doch die Schützen zeigten sich nicht sehr zugänglich. In der Kompanie
Westertor, einer lokalen Untergruppierung, wurde das Thema zwar auf einer
Versammlung Anfang Dezember behandelt. Laut Protokoll hatte dort „eine
kleine Gruppe die Ansicht vertreten, dass zum Kinderschützenfest lt.
Statuten jedes schulpflichtige Kind mitmachen dürfe“. Jedes schulpflichtige
Kind – das klingt eindeutig. Doch die Kompanie sah das anders: 86 Prozent
stimmten gegen die Öffnung für Mädchen, bei sechs Prozent Enthaltungen und
nur acht Prozent Zustimmung.
Die Generalversammlung aller Wildeshauser Schützen im Februar brachte das
Thema zwar auch noch einmal auf den Tisch, doch abgestimmt wurde nicht.
Derzeit habe der Antrag keine Priorität, zitierte die NWZ Schützenoberst
Friedrich Ahlers. Schließlich müsse man erst einmal „ganz andere Dinge
bewerkstelligen“. Und ohnehin: Zuständig sei das Offizierskorps mit seiner
Sitzung Mitte April.
Und dort? Das Offizierskorps hat das Thema auf die nächste
Generalversammlung 2025 vertagt – die sei zuständig. Inhaltlich legt sich
der Schützenvorstand mittlerweile nicht mehr fest. Die Schützenoffiziere
betonen aber weiterhin, dass sie keiner öffentlichen Meinung verpflichtet
seien, sondern ausschließlich ihren Mitgliedern.
## Diskriminiert werden auch homosexuelle Paare
Dass die Statuten auch denen gegenüber ungerecht sein können, das zeigt
noch ein Fall der vergangenen Jahre: 2017 wollte der langjährige Schütze
Daniel F. eine Partnerkarte für seinen Ehemann; mit der gibt es freien
Eintritt auf das Gildefest und ein paar andere Vergünstigungen.
Die Schützengilde winkte ab: Partnerkarten gebe es nur für Ehefrauen, so
seien nun einmal die Statuten. Bis heute gibt es keine Lösung. Natürlich
könne man die Statuten ändern, zum Beispiel bei der Generalversammlung
2024, sagte der Vorstand [4][im vergangenen Jahr der NWZ.] Im Protokoll der
Generalversammlung gibt es dieses Jahr kein Wort zu dem Anliegen.
27 Apr 2024
## LINKS
[1] https://weact.campact.de/petitions/wildeshauser-kinderschutzenfest-fur-alle
[2] https://www.wildeshauser-schuetzengilde.de/gildeaktuell/aktuelles_detail.ph…
[3] https://www.nwzonline.de/oldenburg-kreis/kinderschuetzenfest-wildeshausen-a…
[4] https://www.nwzonline.de/oldenburg-kreis/ehe-fuer-alle-und-die-wildeshauser…
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Gleichberechtigung
Schützenfest
Konservatismus
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Schützenfest
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Schaffermahl
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