| # taz.de -- Frauen dürfen nicht mitschießen: Schützen scheitern mit Mädchen… | |
| > Keine Mädchen an der Waffe: Das hat die Schützengilde Wildeshausen erneut | |
| > entschieden. Der Versuch, es für Jahrzehnte festzuschreiben, ist | |
| > gescheitert. | |
| Bild: Laxe Witze auf dem Frack lassen sich offenbar mit der Tradition beim Wild… | |
| Bremen taz | Mädchen dürfen auch weiter nicht mitschießen beim | |
| Kinderschützenfest in Wildeshausen. Sie sollen dem Kinderkönig die Kette | |
| putzen und ihn beim Ausmarsch im weißen Spitzenkleid als „Ehrendame“ | |
| begleiten, mehr ist nicht drin. Eine große Mehrheit hatte sich bei der | |
| Generalversammlung der Schützengilde vor zwei Wochen [1][gegen die | |
| gleichberechtigte Teilnahme von Mädchen ausgesprochen]: 292 Mitglieder | |
| stimmten dagegen, 170 dafür. Noch schwerer wiegt der Versuch, das | |
| Mädchen-Moratorium gleich mal für Jahrzehnte festzuschreiben. | |
| 622 Jahre alt ist die Wildeshauser Schützengilde – sie ist nicht in erster | |
| Linie ein Schützen- sondern ein Traditionsverein, heißt es stolz auf der | |
| Webseite und anderen Verlautbarungen. | |
| Die Beibehaltung dieser Tradition ist vielen Offizieren, also Würdenträgern | |
| des Vereins, eine Art Selbstzweck. die mit allen Waffen verteidigt wird | |
| Die Frage ist auch: Warum berichtet die taz überhaupt darüber? Zuletzt gab | |
| es immer wieder Leser*innenkommentare, man solle diese Traditionalisten | |
| ignorieren. Schießen für Mädchen sei ohnehin kein emanzipatorisches Moment. | |
| Verwiesen wurde auch auf Frauenschwimmvereine oder Frauenchöre. Doch die | |
| Schützengilde Wildeshausen ist kein beliebiger Verein, [2][er ist prägend | |
| für das Stadtleben]. | |
| ## Nur Männer können Mitglied werden | |
| Es ist schwer vorstellbar, dass die Rolle, die Frauen und Mädchen im | |
| stadtprägenden Schützenfest haben, nicht in die Gesellschaft hineinwirkt. | |
| Kritische Mitglieder berichten übereinstimmend, das Verhalten in der Gilde | |
| gegenüber Frauen und Mädchen färbe auf Freundeskreise ab – da werde zum | |
| Beispiel gefordert, sich auch privat nur unter Männern zu treffen. | |
| Und der Verein ist einflussreich: 3.700 Mitglieder hat die Gilde in der | |
| 20.000-Einwohner-Stadt Wildeshausen. Angesichts der Tatsache, dass nur die | |
| männliche Stadtbevölkerung Mitglied werden kann, ein beeindruckender | |
| Anteil, auch wenn nicht alle Mitglieder noch im Ort leben. Bezugnehmend auf | |
| einen überlieferten Leitspruch heißt es sowohl in den Statuten der Gilde | |
| sowie auf der Homepage der Stadt: „Die Stadt ist die Gilde und die Gilde | |
| ist die Stadt.“ | |
| Eine „hitzige Stimmung“ herrschte laut Lokalmedien in der jüngsten | |
| Generalversammlung. Wörtlich zitiert werden durfte aus der Sitzung nicht, | |
| aber einzelne Mitglieder erinnern sich an „politische Stimmungsmache gegen | |
| grün und links“, zwei halbstündige Reden von ranghohen Offizieren gegen den | |
| Antrag, Mädchen beim Kinderschützenfest zuzulassen, während aus dem Plenum | |
| und damit auch aus dem Kreise der Unterstützer nur Zeit für kurze | |
| Wortmeldungen blieb. Vereinzelt berichtet wird auch über eine chaotische | |
| Abstimmung – „man hätte ohne Probleme mehrere Stimmzettel bekommen können… | |
| kritisiert ein Anwesender. | |
| ## Abstimmung übers Mädchenschießen | |
| Neben dem Antrag auf Zulassung von Mädchen gab es den nebulösen Antrag „Die | |
| Zukunft der Gilde“. Inhaltlich verbarg sich dahinter der Vorschlag, für die | |
| nächsten 20 Jahre nicht mehr über die Teilnahme von Mädchen oder Frauen am | |
| Gildefest und in der Gilde abzustimmen – und so den Status Quo zu | |
| zementieren. | |
| Abgestimmt werden sollte direkt vor dem Antrag auf Mädchen beim | |
| Kinderschützenfest – um so diese Abstimmung gleich überflüssig zu machen. | |
| Den Mitgliedern wurde erst in der Sitzung selbst klar, was dort auf der | |
| Tagesordnung vorangestellt wurde. Vereinsrechtlich ist das unlauter. Schon | |
| mit der Einladung muss Mitgliedern hinreichend deutlich werden, über was in | |
| der Sitzung abgestimmt werden soll, damit sie entscheiden können, ob sie | |
| teilnehmen wollen. | |
| Als es ihnen klar wurde, versuchten einzelne Mitglieder in der | |
| Generalversammlung einen Verfahrensantrag zu stellen; sie wollten | |
| erreichen, das Thema von der Tagesordnung zu nehmen – oder zumindest erst | |
| nach der lang erwarteten Abstimmung über das Mädchenschießen zu behandeln. | |
| ## Der Bürgermeister ist Sitzungsleiter | |
| Leider nicht möglich, aus formellen Gründen, entschied der Sitzungsleiter, | |
| der die Tagesordnung und die Anträge abgesegnet hatte. Sitzungsleiter ist | |
| nicht irgendwer, sondern der parteilose Bürgermeister der Stadt, Jens | |
| Kuraschinski – privat Mitglied seit 1992, vor allem aber als Bürgermeister | |
| automatisch der General und damit der höchste offizielle Vertreter der | |
| Gilde. | |
| Inhaltlich versucht Kuraschinski schon seit dem vergangenen Jahr, sich | |
| bedeckt zu halten: Es handele sich um vereinsinterne Angelegenheiten, ließ | |
| er sich in der Vergangenheit zitieren, ein Votum der Mehrheit werde | |
| akzeptiert. Unabhängig von der Frage, ob ein gewählter Stadtvertreter sich | |
| als Vereinsvorstand aus inhaltlichen Fragen heraushalten sollte, wird | |
| deutlich: Mit der Versammlungsführung hat Kuraschinski keine Neutralität | |
| bewiesen. | |
| Zu behaupten, man könne die Tagesordnung nicht ändern, ist falsch. „Man | |
| kann die Tagesordnung immer verändern. Mir fällt kein Szenario ein, wo das | |
| nicht möglich wäre“, so Vereinsrechtler Lars Leuschner von der Universität | |
| Osnabrück. „Die Abstimmung darüber nicht zuzulassen, ist rechtswidrig.“ | |
| Bürgermeister Kuraschinski, diplomierter Verwaltungsfachwirt, äußert sich | |
| am Montag nicht mehr pünktlich zu der Frage, aus welchen Gründen er als | |
| Versammlungsleiter nicht über eine veränderte Tagesordnung abstimmen lassen | |
| wollte. | |
| ## Angst vor der Aufnahme von Frauen | |
| Eine Mehrheit gab es für den umstrittenen Antrag am Ende nicht: Mit 180 zu | |
| 220 Stimmen wurde er abgelehnt. Der niedersächsische Landtagsabgeordnete | |
| Thore Güldner (SPD) hatte sich in der Sitzung spontan als einfaches | |
| Vereinsmitglied gegen den Antrag gestellt, nachdem sich sonst niemand | |
| geäußert hatte. „Es war einfach klar: Ein Thema nicht mehr zu diskutieren, | |
| das ist nicht das richtige Demokratieverständnis“, erklärt Güldner der taz. | |
| „Ich hätte mir von den Offizieren eine klare Empfehlung gewünscht, so einem | |
| Antrag nicht stattzugeben.“ | |
| „Für mich ist das eher eine Nebelkerze, bindende Wirkung hat es nicht“, | |
| sagt Leuschner. „Schließlich wäre durch den Antrag nicht die Satzung | |
| geändert worden. Das heißt, man hätte im nächsten Jahr einfach einen neuen | |
| Antrag stellen können.“ | |
| Einige Ängste, die mit der Aufnahme von Frauen in die Gilde verbunden sind, | |
| formulierte ein Bürger der Stadt und Gildemitglied in einem Brief an die | |
| Offiziere, also die Würdenträger der Gilde. Das Schreiben kursierte vor der | |
| Mitgliederversammlung bei Facebook. „Traditionsverlust“ prognostiziert der | |
| Verfasser, der namentlich der Redaktion bekannt ist. | |
| ## Schon aus finanziellen Gründen unzeitgemäß | |
| Die Rolle, [3][die Mädchen heute beim Schützenfest haben], sei für Jungs | |
| nicht zumutbar. „Gibt es dann auch Ehrenherren, die nicht mitschießen und | |
| hinter den Ehrendamen herlaufen?“, fragt er. Folgerichtig ahnt er, dass | |
| „Mädchen, die ein paar Jahre mitschießen, dann auch weitermachen wollen“, | |
| es ergebe sich die „zwangsläufige Frage der Frauen, warum sie nicht | |
| mitmarschieren dürfen.“ Der Verfasser rät deshalb: „Wehret den Anfängen!… | |
| Eigentlich hatten Beobachter vermutet, dass die Zeit reiner Männer- und | |
| auch Frauenvereine schon aus finanziellen Gründen enden würde: Der | |
| Bundesfinanzhof hatte 2017 entschieden, einer Freimaurerloge die | |
| Gemeinnützigkeit zu entziehen, weil sie ohne sachliche Begründung Frauen | |
| ausschloss. | |
| Ein angekündigtes Gesetz des damaligen Bundesfinanzsenators Olaf Scholz | |
| (SPD) wurde zwar nicht verabschiedet. Aber auch auf Grundlage des | |
| Gerichtsurteils hätten Finanzämter allerorten tätig werden und ihre lokalen | |
| Vereine auf Gemeinnützigkeit prüfen können. Passiert ist wenig. „Manchmal | |
| gibt es da in den Gemeinden auch politischen Opportunismus“, vermutet | |
| Leuschner. „Im Konflikt mit einem starken Verein vor Ort verbrennt man sich | |
| leicht die Finger.“ | |
| 7 Mar 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gleichberechtigung-bei-Schuetzengilde/!6065355 | |
| [2] /Traditionspflege-beim-Schuetzenfest/!6009947 | |
| [3] /Schuetzenfest-nur-fuer-Maenner-und-Jungs/!6003695 | |
| ## AUTOREN | |
| Lotta Drügemöller | |
| ## TAGS | |
| Brauchtum | |
| Schützenfest | |
| Schützenvereine | |
| Gleichberechtigung | |
| Gleichberechtigung | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Gleichberechtigung | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Gleichberechtigung bei Schützengilde: Männer schießen einsam | |
| Ein neuer Antrag fordert eine Öffnung des Kinderschützenfests in | |
| Wildeshausen für Mädchen. Viel Hoffnung auf Erfolg hat der Initiator nicht. | |
| Traditionspflege beim Schützenfest: Reine Männersache | |
| An der Schützengilde geht in Wildeshausen nichts vorbei. Die Rollen sind | |
| klar: Männer schießen, Frauen schauen zu. Weil die Gilde keine Frauen | |
| zulässt. | |
| Schützenfest nur für Männer und Jungs: Den Schuss nicht gehört | |
| Mädchen sollen beim Kinderschützenfest in Wildeshausen gleichberechtigt | |
| mitmachen, fordert eine Petition. Die Schützengilde wittert Meinungsmache. |