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# taz.de -- Mal wieder Ärger ums Schützenfest: Woke Schützen mit silbernen K…
> Da redet dieser Ratsmensch von „bewaffneten Trachtenvereinen“ und
> „Saufkapellen“ – dabei wollten die Schützen doch endlich mal alles
> richtig machen.
Bild: Sexuelle Belästigung gab es auch. Nur die anschließende Empörung war n…
Nun ist es auch schon vorbei, das Schützenfest in Hannover. Wer sich im
vergangenen Jahr aber [1][über die Debatte um das Bruchmeisteramt für
Frauen amüsiert hat], der kam auch in diesem Jahr voll auf seine Kosten.
Es ist ein bisschen so, als würde man diese Traditionsveranstaltung vom
vorgestern ins Heute beamen – klar, das es dabei Kollateralschäden gibt,
aber es ist auch ein faszinierendes soziologisches Experiment.
In diesem Jahr begann die Aufregung damit, dass bei einem älteren Herrn das
Gehirn offenbar nicht mitgereist war. Der ehemalige Bruchmeister soll die
Ratsfrau Joana Zahl (Volt) bei einem der [2][zahlreichen Festakte] mit
zotigen Bemerkungen über ihre Tattoos und Mutmaßungen über ihr Sexualleben
belästigt haben.
Er hatte halt irgendwie nicht mitbekommen, dass die Zeiten, in denen Frauen
so etwas gequält weggelächelt haben, vorbei sind. Der Bürgermeister und der
Vorsitzende des Bruchmeister-Collegiums reagierten jedenfalls sofort,
stellten den Herrn in den Senkel und kündigten fürs nächste Jahr
Awareness-Beauftragte an.
## „Mensch Mädchen!“
Dabei hätten sie sich doch viel lieber für die großen Diversitätserfolge
feiern lassen. Von den vier Bruchmeistern waren in diesem Jahr nämlich zwei
Frauen, einer hatte einen Migrationshintergrund (hat weder Bier noch
Schweinshaxe angerührt, wie die Lokalpresse sorgsam notierte) und einer
hieß sogar Eike Christian.
Das bekam aber kaum die Aufmerksamkeit, die es verdient hätte, weil schon
der nächste Skandal im Anschlag war. Juli Klippert, non-binärer Ratsmensch
der Satire-Partei, wagte es, die Erfahrungen auf dem Festplatz ziemlich
akkurat zu beschreiben, mit den Worten: „Irgendwo zwischen bewaffnetem
Trachtenverein und Saufkapellen frönt Hannover einer bald 500-jährigen
Tradition, die nicht nur für Außenstehende schwer zu verstehen ist“.
Natürlich reagieren Menschen, die sonst gern Dinge sagen wie „Mensch,
Mädchen, hab’ dich nicht so“ oder „Musste abkönnen“ sehr empfindlich,…
der Spott Dinge betrifft, die sie mit heiligem Ernst betreiben.
Übel genommen wurde Klippert auch, dass mensch es sich nicht nehmen ließ,
sich die silberne Schützenkralle anstecken zu lassen – eine Ehrung, die
jedes Ratsmitglied bekommt, das einmal beim großen Ausmarsch mitgelaufen
ist. Das könnte man nun natürlich für inkonsequent und vielleicht sogar
heuchlerisch halten.
In Wirklichkeit drückt Klippert damit nur die Ambivalenz aus, die wohl
viele Menschen gegenüber Schützenfesten empfinden. Wenn man mal ehrlich
ist, läuft das doch so: Man macht sich lustig und belächelt das, lässt sich
dann doch von irgendwem überreden, fängt nach dem fünften Bier das
Schunkeln an und erwischt sich nach der siebten lüttjen Lage, wie man auf
dem Tisch tanzt und Texte gröhlt, die [3][noch viel unterirdischer sind als
„Layla“].
Die eigentlich spannenden Fragen sind ja: Gibt es Rausch und Exzess
eigentlich auch ohne Grenzverletzungen? Oder wird hier eigentlich nur
verhandelt, wessen Grenzen verletzt werden dürfen und wessen nicht? Müssen
wir demnächst alten, weißen Männern an die faltigen Hintern fassen? Und ist
das etwas, was Leute, die von „Männerdiskriminierung“ faseln, befürchten
oder sich heimlich wünschen?
Oder noch weiter gefasst: Lässt sich dieses bierselige Gemeinschaftsgefühl
überhaupt herstellen, ohne irgendwen auszugrenzen? Gibt es ein „wir“, wenn
es kein „die“ gibt? Entsteht die wohlige Wärme vielleicht vor allem daraus,
das man kollektiv anderen ans Bein pinkelt?
Immerhin haben all diese Skandälchen und großen Fragen dafür gesorgt, dass
eine andere Peinlichkeit aus den lokalen Schlagzeilen verdrängt wurde:
[4][Oberbürgermeister Belit Onay] (Grüne) hat schon wieder den
Fassbieranstich vermurkst. Beim letzten Mal zerdepperte er ein Glas, dieses
Mal brauchte er zu viele Schläge und aus dem Zapfhahn kam kaum was raus.
Bei aller Liebe zur Neuerung: Das geht nun wirklich nicht.
16 Jul 2023
## LINKS
[1] /Streit-um-Schuetzenamt-fuer-Frauen/!5830276
[2] /Partystimmung-wegen-Jesus/!5923277
[3] /Sexismus-Debatte-wegen-Lied-Layla/!5866952
[4] https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Politik/Regionspr%C3%A…
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
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Tradition
Moderne
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Kommunalpolitik
Belit Onay
Gleichberechtigung
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