# taz.de -- Durchsuchungen von AfD-Büros: Suche nach der schwarzen AfD-Kasse | |
> Die Staatsanwaltschaft Hannover hat am Mittwoch zwei Razzien bei der AfD | |
> in Niedersachsen durchgeführt. Es geht um Verstöße gegen das | |
> Parteiengesetz. | |
Bild: Kartonweise schleppten die Ermittler mutmaßliche Beweismittel aus der Af… | |
HANNOVER taz | Das Großaufgebot der Polizei stand schon bereit, man wartete | |
nur auf das Startsignal aus dem Landtag. Der verhandelte die notwendige | |
Formalie am Mittwochmorgen gleich als erstes, kurz und schmerzlos: Ohne | |
Diskussion und ohne Gegenstimmen – nicht einmal von der AfD-Fraktion selbst | |
– wurde die Immunität von zwei nicht namentlich genannten AfD-Abgeordneten | |
aufgehoben. | |
Dann marschierten Dutzende Polizisten in den tristen Gewerbebau, in dem | |
sich die Geschäftsstelle der niedersächsischen AfD befindet und fingen an, | |
Kartons mit mutmaßlichen Beweismitteln herauszutragen. | |
Schnell sickerte durch, dass es sich bei einem der beiden Abgeordneten um | |
Ansgar Schledde handeln muss. Zur Plenarsitzung war der stellvertretende | |
Vorsitzende der Landtagsfraktion nicht aufgetaucht. | |
Gerade eben war er noch als möglicher neuer Landesvorsitzender gehandelt | |
worden – jetzt lässt die Staatsanwaltschaft Hannover die Räume der | |
Landesgeschäftsstelle und seines Heimat-Kreisverbandes Ems-Vechte | |
durchsuchen. | |
## Die „Kriegskasse“ ist lange bekannt | |
Der Verdacht: ein Verstoß gegen das Parteiengesetz. Schledde soll ein | |
Privatkonto verwaltet haben, auf dem Spendenzahlungen ambitionierter | |
AfD-Mitglieder eingingen und aus dem – zumindest teilweise – | |
Wahlkampfausgaben bestritten worden sein sollen, ohne dass dies in | |
irgendeinem Rechenschaftsbericht der Partei auftaucht. | |
Ein solcher Verstoß gegen das Parteiengesetz kann mit bis zu drei Jahren | |
Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe belegt werden, erklärt die | |
Staatsanwaltschaft. Noch handele es sich allerdings um einen | |
Anfangsverdacht und es gelte wie immer die Unschuldsvermutung. | |
NDR, Hannoversche Allgemeine Zeitung und Neue Presse, die zuerst über die | |
Razzia berichteten, erklärten, ihnen lägen detaillierte Informationen zu | |
den Einzahlern vor. Demnach sollen sich darunter Landtagsabgeordnete und | |
Bundestagsabgeordnete der AfD Niedersachsen befinden. | |
Ausgaben von rund 48.000 Euro sollen die Ermittler Parteizwecken zugeordnet | |
haben, im Fokus stehen dabei die Jahre 2020 bis 2022. Unter anderem sollen | |
im Umfeld von Parteitagen damit Busse gechartert und Hotelzimmer gebucht | |
worden sein. | |
Gerede über eine solche „Kriegskasse“ gibt es allerdings schon lange. | |
Öffentlich bekannt geworden waren die Vorwürfe zum ersten Mal durch den | |
ehemaligen AfD-[1][Landtagsabgeordneten Christopher Emden. In einem | |
Interview] mit dem ZDF hatte er im Herbst 2022 gesagt, er sei aufgefordert | |
worden, für einen aussichtsreichen Listenplatz bei der Landtagswahl 4.000 | |
Euro zu bezahlen. Ein Vorwurf, den er gegenüber dem NDR auch jetzt wieder | |
bekräftigte. | |
## Anfechtung der Landtagswahl wird noch verhandelt | |
Für den Ex-FDP-Abgeordneten und Rechtsanwalt Marco Genthe war das schon im | |
November 2022 Grund genug, die Rechtmäßigkeit der gesamten Landtagswahl | |
anzuzweifeln. [2][Der Wahlprüfungsausschuss wies] seine Beschwerde | |
allerdings zurück: Er betrachtete den Zusammenhang zwischen Listenplatz und | |
Zahlungen als nicht hinreichend belegt. | |
Der Landtag schloss sich der Empfehlung des Wahlprüfungsausschlusses an. | |
Genthe klagt zusammen mit seinem Mitstreiter Alexander Grafe nun vor dem | |
Niedersächsischen Staatsgerichtshof dagegen und pocht auf eine Wiederholung | |
der Landtagswahl. Die Gerichtsverhandlung wird aber frühestens im Herbst | |
erwartet. | |
Auch die Staatsanwaltschaft Osnabrück hatte schon mal in der Sache | |
ermittelt, das Verfahren aber eingestellt. Hier ging es vor allem um den | |
Vorwurf der Untreue zulasten der Partei, der nicht erwiesen schien. | |
## Landesparteitag an Hitlers Geburtstag entscheidet über Vorsitz | |
Schledde hatte die Vorwürfe stets bestritten. Das Landgericht Verden hatte | |
die Vorwürfe Emdens allerdings noch im März als glaubwürdig beurteilt, wie | |
der NDR vermeldet. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, weil | |
Schledde Rechtsmittel eingelegt hat. Der Ex-AfDler Emden arbeitet | |
mittlerweile wieder als Richter beim Amtsgericht Westerstede. | |
Für den Bauunternehmer Schledde, der nicht nur Landtagsabgeordneter ist, | |
sondern auch im Kreistag der Grafschaft Bentheim und im Stadtrat von | |
Schüttorf sitzt, kommt der Zeitpunkt der Razzien ungelegen. Am kommenden | |
Wochenende wollte er sich eigentlich zum AfD-Landesvorsitzenden wählen | |
lassen, sein Vorgänger Frank Rinck soll davon erst aus der Zeitung erfahren | |
haben. | |
Rhetorisch springt Rinck jetzt trotzdem für seinen Noch-Vize in die | |
Bresche: Die Vorwürfe seien „kalter Kaffee“, „eine Schmutzkampagne“, d… | |
Durchsuchung im Vorfeld des Parteitags und bei laufendem Europawahlkampf | |
völlig unverhältnismäßig, heißt es in einer Mitteilung der Partei. | |
Die Wahl von Datum und Ort für den anstehenden Landesparteitag hatte | |
allerdings auch schon für Protest gesorgt: Er findet am 20. April, Hitlers | |
Geburtstag, in Unterlüß bei Celle statt, nicht weit von dort, wo einmal ein | |
Außenlager des KZ Bergen-Belsen stand. Zahlreiche Gruppen haben deshalb für | |
Samstagvormittag zu Gegendemonstration und Protestaktionen aufgerufen. | |
17 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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