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# taz.de -- Angeblich gekaufte Listenplätze: Die Kriegskasse der AfD
> In Niedersachsen wurden am Mittwoch Einsprüche gegen die Landtagswahl
> verhandelt. Vorwürfe gibt es gegen die AfD wegen fragwürdiger Zahlungen.
Bild: Wird vom Wahlprüfungsausschuss durchleuchtet: Niedersachsens AfD-Fraktion
Hannover taz | Die Landtagswahl in Niedersachsen ist schon neun Monate her
– doch seither rumort es im Hintergrund. Grund ist vor allem das Chaos rund
um die Listenaufstellung der AfD. 22 Einsprüche gegen das Wahlergebnis
liegen mittlerweile vor, zum ersten Mal befasste sich der
Wahlprüfungsausschuss am Mittwoch in öffentlicher Sitzung mit ihnen.
Die Vorwürfe haben eine lange Vorgeschichte. Schon vor der Wahl erklärte
der im Streit geschiedene Ex-AfD-[1][Landtagsabgeordnete Christopher Emden
in einem ZDF-Interview], er sei aufgefordert worden, für einen vorderen
Listenplatz Geld zu bezahlen. 4.000 Euro seien dies in seinem Fall gewesen.
Zahlbar auf ein Konto, auf das allein Ansgar Schledde Zugriff hatte –
damals Landes-Vize, heute Fraktions-Vize der AfD. Gegen den wurden
Ermittlungen eingeleitet und wieder eingestellt, die Staatsanwaltschaft
Osnabrück hielt eine Untreue zulasten der Partei für nicht nachweisbar.
In den Augen des Ex-FDP-Landtagsabgeordneten Marco Genthe bedeutet dies
allerdings noch lange nicht, dass damit nicht gegen das Wahlrecht verstoßen
wurde. Der Rechtsanwalt hat gemeinsam mit dem ehemaligen
Fraktionsmitarbeiter Alexander Grafe Einspruch eingelegt – als
Privatpersonen, wie sie betonen, und nicht im Auftrag der [2][FDP, die bei
dieser Wahl aus dem Landtag flog].
Aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergäbe sich, sagt Genthe, dass
mindestens sechs der aktuellen AfD-Landtagsabgeordneten Geld auf dieses
Konto eingezahlt haben – mit Betreffzeilen wie „Kriegskasse“, „Kk“ od…
„Aktionskasse“. Rund 16.000 Euro sollen allein aus diesen Kreisen geflossen
sein, 41.000 Euro insgesamt. Daraus bestritten wurden nach Genthes Ansicht
Fahrt- und Hotelkosten von Delegierten, Barabhebungen für „Handgeld“, aber
auch sonstige Gefälligkeiten – wie die Gebühren für eine
medizinisch-psychologische Untersuchung eines Parteimitgliedes zur
Rückerlangung des Führerscheins.
## Wahlleiterin ist skeptisch
Allein daraus ergebe sich der Verdacht, das hier eben keine freie und
geheime Wahl stattgefunden habe, sondern das Wahlergebnis beeinflusst
wurde, argumentieren Genthe und Grafe. Zumal es sich um ein Mischkonto,
auch zum privaten Gebrauch Schleddes, gehandelt habe und nicht um ein
Parteikonto. Das sei also überhaupt nicht vergleichbar mit den üblichen
Spenden von Mandatsträgern in anderen Parteien, die sich auf diese Weise an
Wahlkampfkosten beteiligten. Da gäbe es nämlich Spendenbescheinigungen und
Rechenschaftsberichte, die für Transparenz sorgten.
Und es ist nicht der einzige Punkt, an dem die beiden Liberalen die
[3][Listenaufstellung der AfD] für anfechtbar halten. Auch der Vorstand sei
nicht ausreichend legitimiert gewesen – der Landesvorsitzende Jens Kestner,
ein Fan von Björn Höcke, sei nach langen internen Machtkämpfen aus dem
Vorstand gedrängt worden, aber nicht ordnungsgemäß zurückgetreten.
Die Wahl des neuen Vorstandes sei hinzu nicht innerhalb der von der Satzung
vorgesehen Fristen erfolgt. Und auch die Einsetzung einer
Delegiertenversammlung zur Verabschiedung der Wahlliste sei zu kurzfristig
und ohne Verankerung in der Satzung erfolgt.
Die Landeswahlleiterin hält dem entgegen, dass es für die tatsächliche
Verknüpfung zwischen Listenplatz und Zahlung keine ausreichenden Beweise
gebe – möglicherweise habe Emden sich auch bloß öffentlichkeitswirksam
distanzieren wollen, um eine Wiedereinsetzung in sein Richteramt zu
befördern. Satzungsfragen hätte sie in ihrem Amt ohnehin nicht zu prüfen
gehabt – die konkrete Ausgestaltung von Wahlen liege im Bereich der
Parteiautonomie. Sie müsse nur prüfen, ob die allgemeinen Wahlgrundsätze
eingehalten wurden, und das sei hier der Fall gewesen.
Was die Arbeit des Ausschusses nicht einfacher macht, ist der krawallige
Auftritt des Ex-AfDlers Friedhelm Pöppe, der ebenfalls Einspruch eingelegt
hat, mit wüsten Vorwürfen von „Rechtsbeugung“ und
„Dienstpflichtverletzungen“ um sich wirft und mit der Polizei droht, als
man sich seiner Auffassung nicht umgehend beugt. Eine schnelle Entscheidung
ist aber ohnehin nicht zu erwarten: Der Wahlprüfungsausschuss tagt nun im
Geheimen weiter. Im September wird er eine Beschlussempfehlung für den
Landtag vorbereiten. Gegen dessen Beschluss kann dann vor dem
Staatsgerichtshof geklagt werden.
6 Jul 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Nadine Conti
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