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# taz.de -- Koalitionskrach in Sachsen: Die Union mag wohl nicht mehr
> Nach dem Streit um das Cannabisgesetz schert die CDU erneut aus: Sie
> lässt die Verfassungsänderung platzen. Grüne und SPD reagieren gestresst.
Bild: Für den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) wird's bitter zu O…
Berlin taz | In Sachsen ist eins der großen Regierungsprojekte gescheitert:
die Verfassungsänderung. Am Dienstag erklärte die CDU erst im
Koalitionsausschuss und dann öffentlich, dass mehrere Abgeordnete ihrer
Fraktion die Reform nicht inhaltlich unterstützten und nicht für sie
stimmen werden. Dabei stand dieses Vorhaben im Koalitionsvertrag.
Fünf Monate vor der Landtagswahl fällt es der konservativen Partei offenbar
zunehmend schwerer, der Koalitionslinie mit Grünen und SPD zu folgen. Das
vor allem von den Grünen vorangetriebene Agrarstrukturgesetz blockiert die
Union. Beim aufgeschobenen Vergabegesetz klagt wiederum die SPD über
mangelnde Unterstützung. Beide Parteien kritisieren mittlerweile: Die CDU
sei nicht mehr verlässlich.
Mit der Reform wollten CDU, Grüne und SPD die Hürden für
direktdemokratische Teilhabe senken, ein Bekenntnis zum geeinten Europa
festschreiben sowie Klimaschutz als Staatsziel in der sächsischen
Verfassung festlegen. Monatelang verhandelte die Koalition über Details, im
Dezember 2023 reichten die Fraktionen den Gesetzentwurf ein. Auch die
Fraktion der Linken hatte Unterstützung signalisiert. Mit deren Stimmen
hätte es für die notwendige Zweidrittelmehrheit im Landtag gereicht.
Doch am Dienstag hat der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion,
Sören Voigt, mitgeteilt: „durch den Austritt eines Mitglieds sowie die
Ablehnung der Verfassungsänderung durch vier Abgeordnete ist eine
notwendige Zweidrittelmehrheit im Plenum nicht mehr zu erreichen“. Dabei
war ein Teil der Änderung auch ein Wahlversprechen Ministerpräsident
Michael Kretschmers: Er wollte direkte Demokratie fördern.
## Nur ein „Showeffekt“
Fehlt es unter den 44 Abgeordneten der CDU-Fraktion an Disziplin? Dazu
wollte sich die Union auf taz-Anfrage nicht äußern. Voigt betonte
allerdings, man respektiere „diese Gewissensentscheidungen der
Abgeordneten!“
Ein anderes Beispiel dafür, dass die CDU mit der Koalitionslinie hadert,
begründete Kretschmer mit seinem „Gewissen“. Am Freitag stimmte er im
Bundesrat dafür, wegen des Gesetzes zur [1][Cannabislegalisierung den
Vermittlungsausschuss] anzurufen – obwohl sich die Koalition darüber nicht
einig war und für solche Fälle der [2][Koalitionsvertrag] eine Enthaltung
vorschreibt. Die Vize-Ministerpräsidenten Martin Dulig (SPD) und Wolfram
Günther (Grüne) widersprachen dem Votum noch in der Sitzung, wodurch
Sachsens Stimmen ungültig wurden.
Der Koalitionskrach wurde so auf ganz großer Bühne ausgetragen. Günther
bezichtigte Kretschmer danach, er habe den Koalitionsvertrag verletzt.
Folgen hatte das aber bisher keine. Auch der Co-Vorsitzende der SPD in
Sachsen, Henning Homann, kritisiert das Abstimmungsverhalten Kretschmers
als bloßen „Showeffekt“, die ungültige Stimme der sächsischen Regierung
hatte am Ende denselben Wert wie eine Enthaltung.
Viel mehr hat Michael Kretschmers mit seinem Alleingang offenbar das
Gegenteil seines Ziels erreicht: Nachdem [3][er öffentlich auf X (ehemals
Twitter)] angekündigt hatte, das Cannabis-Gesetz solle „niemals“ aus dem
Vermittlungsausschuss herauskommen, landete das Thema noch einmal größer
auf den Tisch [4][und einte die Legalisierungsbefürworter:innen].
Doch auch darüber hinaus, mit Blick auf den Koalitionsvertrag, sagt Homann:
„Auf die sächsische Union ist kein Verlass. Sie brechen ihre eigenen
Wahlversprechen auch gegenüber den Bürgern.“ Ähnlich kritisiert auch die
sächsische grüne Co-Vorsitzende Marie Müser: „Die CDU hat immer das Bild
geprägt, dass sie vertragstreu sei. Jetzt erleben wir aber, dass sie sich
nicht mehr an Absprachen hält.“
Der Generalsekretär der sächsischen Union, Alexander Dierks, entgegnet der
Kritik, dass die [5][„Koalition aus der Mitte“ die gemeinsame
Verantwortung] bis zum Wahltermin am 1. September wahrnehmen werde. Welche
Regierung danach folgt, ist bisher noch unklar.
In Umfragen liegt derzeit [6][die AfD mit mehr als 30 Prozent vorne]. Die
CDU kommt mit etwa 30 Prozent auf Platz zwei, während SPD, Grüne und Linke
nur knapp über der Fünfprozenthürde liegen. Abhängig davon, wie das Bündnis
Sahra Wagenknecht abschneidet, werden die Verhandlungen schwer.
Es ist durchaus möglich, dass CDU, Grüne und SPD danach in irgendeiner Form
wieder über eine Koalition sprechen. Bis dahin fordert die Grüne Marie
Müser, dass die CDU sich wieder auf den Vertrag besinne und die „zentralen
Projekte dieser Legislatur, wie das Agrarstrukturgesetz“ umsetze. Henning
Homann sagt: „Die CDU wird sich Vertrauen neu erwerben müssen.“
27 Mar 2024
## LINKS
[1] /Cannabis-Legalisierung/!5997434
[2] https://www.staatsregierung.sachsen.de/download/Koalitionsvertrag_2019-2024…
[3] https://twitter.com/MPKretschmer/status/1769061791932239972
[4] https://twitter.com/michanattke/status/1771129658114761160
[5] /Kurs-der-Keniakoalition-in-Sachsen/!5836447
[6] /SPD-in-Sachsen-vor-der-Landtagswahl/!5983631
## AUTOREN
David Muschenich
## TAGS
Michael Kretschmer
Cannabis
Verfassungsänderung
Schwerpunkt Landtagswahl Sachsen 2024
Wahlen in Ostdeutschland 2024
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