# taz.de -- Teillegalisierung von Cannabis: Der Joint darf aber nicht kreisen | |
> Mit einem Flashmob kritisieren Kiffer in Friedrichshain „Kuriositäten“ | |
> der Teillegalisierung. Vor allem das Verbot der Weitergabe missfällt | |
> ihnen. | |
Bild: Eigentlich immer noch illegal: Weitergabe eines Joints beim Smoke-in am B… | |
BERLIN taz | Die neue Zeit ist angebrochen. Alte und junge Kiffer feierten | |
in der Nacht zu Ostermontag die Teillegalisierung von Cannabis. Etwa mit | |
einem „Ankiffen“ am Brandenburger Tor am Ostersonntag um Mitternacht, einer | |
angemeldeten Veranstaltung, zu der um die 1.500 Kiffer kamen. Partystimmung | |
herrschte in der Nacht auch am Eingang zur S-Bahnstation auf der Warschauer | |
Brücke in Friedrichshain bei einem Kiffer-Flashmob. | |
Seit dem 1. April ist [1][das Kiffen] mit einige Einschränkungen, etwa vor | |
Schulen und Spielplätzen, an öffentlichen Orten erlaubt, bis zu 25 Gramm | |
darf man mit sich führen. Auch der Eigenanbau von bis zu drei Hanfpflanzen | |
pro Erwachsenem ist nun legal möglich. Ab dem 1. Juli darf zudem Cannabis | |
über Clubs an ihre Mitglieder abgegeben werden, bis zu 50 Gramm im Monat. | |
Kritik daran gab es Montag erneut von der Brandenburger Landesregierung. | |
[2][Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD)] und Innenminister Michael | |
Stübgen (CDU) sehen große Belastungen auf Polizei und Justiz zukommen, der | |
CDUler sprach sogar von einem „Kifferchaos“. | |
Davon war auf der Warschauer Brücke nichts zu merken: Hier steckten sich | |
Mitglieder des Berliner Cannabis-Clubs High Ground und Aktivisten rund um | |
das Hanf Museum um Punkt null Uhr Sonntagnacht ihre vorgedrehten Joints an. | |
Sie wollten aber nicht einfach nur kollektiv demonstrieren, dass das nun | |
endlich in der Öffentlichkeit möglich ist. Sondern auch eine Kritik am | |
neuen Gesetz artikulieren. | |
## Das Verschenken ist verboten | |
Denn nicht nur aus Sicht der Polizeigewerkschaften ist vieles daran | |
unpraktikabel, auch die Cannabislobby übt Kritik. Etwa an der | |
„Abstandsregelung“: Kiffer dürfen sich nämlich nur dort einen Joint | |
anstecken, wo sich im Radius von 100 Metern keine Jugendeinrichtung, | |
Sporthalle oder Schule befindet. Würde man diese Regel ernst nehmen, gäbe | |
es in Berlin außer auf dem Tempelhofer Feld gar nicht so viele Orte, an | |
denen man einen rauchen kann. | |
Worauf beim Smoke-In auf der Warschauer Brücke im Besonderen aufmerksam | |
gemacht werden sollte, ist das Verbot der Weitergabe von Cannabis. | |
Weitergabe bedeutet nicht nur Verkauf, sondern bereits das | |
freundschaftliche Verschenken eines Joints ist untersagt. Was besonders | |
bizarr und realitätsfremd ist: Sogar das Kreisen eines Joints in einer | |
sozialen Runde, das Kifferritual schlechthin, darf es eigentlich nicht | |
geben im öffentlichen Raum. | |
Oliver Waack-Jürgensen, Erster Vorsitzender von High Ground, sagt mit einem | |
Joint in der Hand auf der Warschauer Brücke, er bezweifle zwar, dass das | |
wirklich kontrolliert werden könne. Man wolle aber trotzdem mit der Aktion | |
darauf aufmerksam machen, welche Kuriositäten in dem neuen Gesetz versteckt | |
sind. | |
Nachdem sich die Cannabisaktivisten um Schlag Mitternacht also selbst | |
einen Joint angesteckt hatten, begannen sie mit ihrem Happening und ihrer | |
kritischen Intervention mit spielerischen Mitteln. Ein Megajoint wurde | |
angezündet, der nach jedem Zug auf den Boden gelegt wurde, damit ihn sich | |
von dort der oder die Nächste aufheben konnte. | |
## Joints für Passanten | |
Und es wurden Joints an Passanten verteilt, die sich im Vorbeigehen | |
begeistert zeigten, dass in der Gruppe gekifft wurde. Das ging dann so: | |
Denjenigen, die ihre Freude über das unerwartete Ostergeschenk äußerten, | |
wurde ein bestimmter Satz gesagt: „Ich darf dir kein Cannabis weitergeben, | |
aber ich leg jetzt einfach mal einen Joint hierhin. Was du dann mit dem | |
machst, ist deine Sache.“ | |
So holten die Cannabisaktivisten Joint um Joint aus ihren Taschen und | |
legten sie irgendwohin. Die Rauchwaren wurden damit nicht direkt | |
weitergegeben und fanden trotzdem ihre Empfänger. Das ganze Weed für die | |
Aktion, so Waack-Jürgensen, stammte aus Spenden von Hobbygrowern. Die | |
Polizei, die es eventuell hätte interessieren müssen, ob hier nun Joints | |
gesetzeswidrig weitergereicht wurden, tauchte bei der ganzen Veranstaltung | |
nicht auf. | |
Abseits des Brandenburger Tors und der Warschauer Straße war es freilich | |
nicht so, dass um Punkt Mitternacht die bekiffte Republik ausgerufen wurde. | |
Die gibt es bloß in den Schauermärchen, denen vor allem die CDU weiterhin | |
anhängt. Rund um das RAW-Gelände schien alles wie immer und so weit man das | |
erkennen konnte, wurden weiterhin vor allem Zigaretten geraucht. | |
Auch in der Kneipe Fitcher’s Vogel in der Warschauer Straße, die über einen | |
Raucherraum verfügt, war eine Zeitenwende nicht wirklich spürbar. Der | |
Schnuppertest etwa eine Stunde nach dem Ende der Cannabisprohibition ergab: | |
kein besonders hohes Haschaufkommen in diesem Raucherraum. Auch die | |
Tresenkraft der Kneipe meinte, alles sei normal und wie immer. Es sei sogar | |
so, dass hier eindeutig schon des Öfteren mehr gekifft worden sei als in | |
dieser Nacht. | |
1 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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