# taz.de -- Wasser sparen in Kolumbien: Hahn zu beim Zähneputzen | |
> Kolumbiens Hauptstadt Bogotá erlebt die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. | |
> Millionen Menschen wird das Trinkwasser rationiert. | |
Bild: Das San-Rafael-Reservoir, das Bogotá mit Wasser versorgt | |
BOGOTÁ taz | Zuletzt gab es das in den 80er Jahren: Das Chingaza-System, | |
das die kolumbianische Hauptstadt Bogotá mit Trinkwasser versorgt, ist | |
derzeit gerade mal zu 16 Prozent gefüllt. Ohne Sparmaßnahmen würde das | |
Wasser nur noch etwa 50 Tage lang reichen, sagte Bürgermeister Carlos | |
Fernando Galán am Montag – und kündigte [1][Einschnitte für die fast 10 | |
Millionen EinwohnerInnen der Region] an. | |
Schuld an der Misere ist das globale El-Niño-Phänomen, das durch die | |
Klimakrise bedeutend verstärkt wird. Das Ergebnis ist Dürre. Aufgrund der | |
Trockenheit leidet Kolumbien seit Jahresbeginn unter sengender Hitze und | |
hunderten Waldbränden, die auch in den Bergen oberhalb von Bogotá wüteten. | |
Die Rationierung beginnt an diesem Donnerstag um 8 Uhr morgens. Bogotá | |
wurde dafür in neun Sektoren aufgeteilt, in denen im Wechsel täglich das | |
Wasser ab 8 Uhr morgens für 24 Stunden abgedreht wird, so dass die Menschen | |
jeweils alle neun Tage ohne Wasser auskommen müssen. Betroffen sind | |
außerdem elf Nachbargemeinden im angrenzenden Departamento Cundinamarca, | |
die ebenfalls ihr Wasser über [2][Bogotá] beziehen. Ausgenommen sind | |
Schulen, Krankenhäuser und Altenheime. | |
Chingaza ist nur eins von drei Systemen, die Bogotá mit Trinkwasser | |
versorgen – aber für 70 Prozent verantwortlich. Das System heißt so, weil | |
seine beiden Stauseen sich mit Wasser aus dem Parámo de Chingaza im | |
gleichnamigen Nationalpark speisen. Páramos sind andine Vegetationstypen in | |
3.000 bis 4.500 Metern Höhe. Sie sind kalt, feucht, sumpfig, schön – und | |
Trinkwasserfabriken. Normalerweise geht man dort am besten mit | |
Gummistiefeln wandern, um nicht im Schlamm oder im Bach steckenzubleiben. | |
Doch derzeit geht es sogar in Turnschuhen. | |
## Geschrumpfte Stauseen | |
Die Chingaza-[3][Stauseen sind erschreckend geschrumpft]. Besonders | |
erschütternd ist der Anblick von San Rafael, einem Ausflugsziel vieler | |
HauptstädterInnen. Statt blauem Wasser in Grün gleicht er jetzt einer | |
Pfütze im Schlamm. | |
Es bräuchte sechs Monate Dauerregen, um das Chingaza-System wieder auf den | |
Normalstand zu bringen, schätzt der städtische Wasseranbieter EAAB. Selbst | |
wenn es in Bogotá schütten würde, nütze das nicht. Es müsse an den Stauseen | |
regnen, in der Orinoco- und der Amazonas-Region. Und es wird wohl noch | |
schlimmer: Nach El Niño soll ab Juli [4][La Niña] kommen. Das Phänomen | |
bringt auf dem Festland häufig Dürren mit sich. 2025 soll also noch | |
schlimmer werden. | |
Der Klimawandel sei „eine Realität, die wir nicht ignorieren können“, | |
warnte Bürgermeister Galán. Die Maßnahmen sollten erreichen, dass Ende 2024 | |
die Stauseen gefüllt sind, um für 2025 gerüstet zu sein“. Dafür müsste | |
jetzt der Verbrauch von 17 auf 15 Kubikmeter pro Sekunde gesenkt werden – | |
das entspricht 11 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs der Stadt. „Jeder | |
Tropfen zählt!“, appellierte der Bürgermeister. Die Behörden würden die | |
BürgerInnen künftig täglich über den Wasserverbrauch informieren – und ü… | |
den Wasserstand der beiden Stauseen im Chingaza-System. | |
„Seit Januar haben wir inständig zum Wassersparen aufgerufen, aber das hat | |
nicht gereicht“, erklärte Galán. Tatsächlich waren die Rufe eher leise. In | |
der Öffentlichkeit war das Thema nicht massiv präsenter als sonst. Im März | |
[5][warnte der Wasseranbieter EAAB] sogar, dass täglich 86 Millionen Liter | |
mehr als vor einem Jahr verbraucht würden. | |
## Lieder, die nur fünf Minuten dauern | |
Nun fluten die Behörden die sozialen Medien geradezu mit Aufrufen und Tipps | |
zum Wassersparen. Zum Beispiel, indem sie Lieder mit Wasserbezug nennen, | |
die unter fünf Minuten dauern – das ist empfohlene Duschzeit. Besonders | |
viel Sparpotenzial scheint es bei laufenden Wasserhähnen zu geben. Laut | |
EAAB gehen 58 Prozent des Wasserverbrauchs pro Person für Körperhygiene | |
drauf. Weitere Tipps: Wasser beim Einseifen und Zähneputzen abstellen oder | |
einen Eimer unter die Dusche stellen, bis das Wasser warm ist. | |
Die Frage ist, ob die Maßnahmen helfen. In Bogotá haben die meisten | |
Wohngebäude Wassertanks auf dem Dach, aus denen die BewohnerInnen ihr | |
Leitungswasser bekommen. Denn der Wasseranbieter dreht auch ohne Krise | |
jeden Tag irgendwo das Wasser ab, um Reparaturen am Netz durchzuführen. Je | |
nach Größe der Tanks könnte es vielleicht sogar möglich sein, dass die | |
BewohnerInnen von der Einschränkung nichts mitbekommen. | |
9 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.acueducto.com.co/wps/portal/EAB2/Home/inicio/!ut/p/z1/hY5BC4JAE… | |
[2] /Nachbarschaftsgaerten-in-Kolumbien/!5967222 | |
[3] https://x.com/Bogota/status/1777501686174535711 | |
[4] /Extremes-Wetter/!5984644 | |
[5] https://www.acueducto.com.co/wps/portal/EAB2/Home/general/sala-de-prensa/bo… | |
## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Dürre | |
Kolumbien | |
Kolumbien | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Bolivien | |
Wir retten die Welt | |
Klima | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Amnesty-Preis für Menschenrechte: Umweltschutz unter Lebensgefahr | |
Yuly Velásquez kämpft mit der Organisation Fedepesan für den Erhalt von | |
Sumpf- und Seenlandschaften in Kolumbien. Am Dienstag wird sie | |
ausgezeichnet. | |
Wasserkrise in Bogotá: Nur noch zu zweit duschen | |
Kolumbiens Politik überschlägt sich in der Dürre mit mehr oder weniger | |
ernsthaften Tipps für Verbraucherïnnen. Die Industrie lässt sie eher in | |
Ruhe. | |
Klimawandel in Bolivien: Die Feuerwehrfrauen von Chiquitanía | |
Waldbrände gefährden die Menschen im Osten Boliviens. Indigene Frauen | |
kämpfen mit Schippe und Neupflanzungen gegen die Folgen steigender | |
Temperaturen. | |
Ökologisch reisen in Norwegen: Fossilfrei bis zur Tiefkühltheke | |
Der Urlaub in Norwegen war klimamäßig einwandfrei: Anreise mit dem Zug, | |
E-Mietauto, Ökostrom in der Sauna. Doch dann diese Steaks im Supermarkt! | |
Extreme Dürre in Griechenland: Inseln ohne Wasser | |
Naxos, Paros, Mykonos, Santorin: Die Kykladeninseln in der Ägäis leiden | |
unter einer heftigen Dürre. Das spüren Landwirte und Touristen. | |
Deutscher Wetterdienst zur Klimakrise: 2023 in Deutschland heißestes Jahr | |
Wie überall war es hierzulande zu warm, im Sommer starben Tausende durch | |
Hitze. Immerhin gab es gutes Wetter für Wind- und Sonnenstrom. | |
Vereinte Nationen warnen: Krisen und Dürre behindern Handel | |
Wichtige Routen für den Schiffsverkehr können kaum noch genutzt werden. | |
Teils sind sie ausgetrocknet, teils wegen Konflikten zu gefährlich. |