| # taz.de -- Christopher Street Day in Berlin: Ein Regenbogen ohne Braun | |
| > Am internationalen Tag gegen Queerfeindlichkeit lädt der CSD zur | |
| > Kundgebung gegen rechts. Die CSD-Vorstände über zunehmenden Hass gegen | |
| > Queere. | |
| Bild: „Rechtsextreme Parteien sind eine existenzielle Bedrohung für queere M… | |
| taz: Das Motto des diesjährigen CSD lautet „Nur gemeinsam stark – Für | |
| Demokratie und Vielfalt“. Wie kam es dazu? | |
| Marcel Voges: Die Themen, die der queeren Community gerade besonders unter | |
| den Nägeln brennen, sind das Erstarken rechtsextremer Parteien und der | |
| Zusammenhalt in der queeren Community. Für queere Menschen stellt es eine | |
| existenzielle Bedrohung dar, wenn rechtsextreme Parteien an Bedeutung | |
| gewinnen. Wo das hinführen kann, hat Deutschlands Vergangenheit gezeigt, in | |
| der queere Menschen bereits verfolgt und ermordet wurden. Deshalb wollen | |
| wir beim diesjährigen CSD ein Zeichen für unsere Demokratie und Vielfalt | |
| setzen. | |
| Stella Spoon: Mit unserem Motto wollen wir deutlich machen, dass beim CSD | |
| zu demonstrieren nicht nur bedeutet, für die LSBTI-Community zu | |
| demonstrieren, sondern auch für die Demokratie. Egal ob cis, hetero, | |
| schwul, lesbisch oder trans, wir müssen uns zusammensetzen und uns fragen: | |
| Was bedeutet Demokratie für uns und in was für einer Gesellschaft wollen | |
| wir leben? Das Problem mit rechtsextremen Parteien ist, dass sie sehr gut | |
| organisiert, strukturiert und finanziert sind. Das ist die queere Community | |
| noch nicht. Anstatt gemeinsam gegen Rechts aufzutreten, haben wir viele | |
| Konflikte untereinander. | |
| Was sind das für Konflikte? | |
| Voges: Es gibt Generationenkonflikte. Vor allem lesbische und schwule Teile | |
| der Community kämpfen schon sehr lange für die Rechte queerer Menschen. | |
| Mittlerweile trauen sich immer mehr Gruppen, sich zu outen und sichtbar zu | |
| sein, etwa nicht-binäre oder trans-Menschen. Dabei tut sich ein Konflikt | |
| von Räumen auf. Ich erlebe das zum Beispiel in unserem queeren Sportverein, | |
| Vorspiel Berlin. Im letzten Jahr haben wir darüber diskutiert, ob wir | |
| unseren Namen ändern von „Sportverein für Schwule und Lesben“ zu „queer… | |
| Sportverein Berlin“. Viele der älteren Generation konnten sich mit dem | |
| Begriff queer nicht identifizieren, für die Jungen hingegen ist das der | |
| selbstverständliche Oberbegriff für uns alle. Teile der Community haben das | |
| Gefühl, nur noch ein Buchstabe in einem Buchstabensalat zu sein. Das müssen | |
| wir auflösen. | |
| Wie kann das gehen? | |
| Voges: Der Schlüssel liegt darin, dass die junge Generation die Leistungen | |
| der älteren Generation für die Community anerkennen muss und diese | |
| wiederum, dass es neue Gruppen gibt, denen ein Raum gegeben werden muss. | |
| Dazu müssen wir alte Konflikte, die emotional geworden sind, auflösen und | |
| mehr darauf achten, einander wieder ehrlich zuzuhören. Wenn wir nicht | |
| einmal intern zusammenstehen, wie wollen wir dann kommende Abwehrkämpfe | |
| nach außen führen? | |
| Welche Kämpfe sind das? | |
| Voges: Ich nehme eine viel stärkere Verrohung und schlechtere Stimmung | |
| gegen queere Menschen wahr. Gerade in den sozialen Medien gibt es zunehmend | |
| Zustimmung für queerfeindliche Angriffe, etwa wenn queere Menschen als | |
| Straftäter*innen dargestellt werden. Und wir wissen alle, aus Worten | |
| können schnell Taten werden. [1][Die Hasskriminalität gegenüber queeren | |
| Menschen steigt stetig]. Das hat sehr reale Auswirkungen auf unser | |
| Verhalten. Mein Ex-Freund und ich haben uns häufig überlegt, ob wir | |
| händchenhaltend durch die Stadt laufen und uns in der U-Bahn einen Kuss | |
| geben oder nicht. Das heißt nicht immer, dass es eine reale Bedrohung gibt, | |
| aber es schwingt immer im Hinterkopf mit. | |
| Kann noch von Berlin als Regenbogenhauptstadt gesprochen werden? | |
| Spoon: Ja, Berlin ist eine „Regenbogenhauptstadt“, aber nur, weil wir | |
| queere Menschen für uns selbst queere Räume schaffen. Sie ist es [2][nicht, | |
| weil die Stadt, unser Regierender Bürgermeister oder die Strukturen | |
| funktionieren]. | |
| Voges: Ich bin mit dem Begriff Regenbogenhauptstadt immer etwas vorsichtig, | |
| vor allem weil sich die Situation für queere Menschen verschlechtert hat. | |
| Gleichzeitig gibt es in Berlin [3][queere Strukturen, Auffangnetzwerke und | |
| Anlaufstellen], die dafür sorgen, dass man sich sicherer fühlt. | |
| Welche zum Beispiel? | |
| Voges: Zum Beispiel gibt es bei der Polizei eine LSBTI-Beauftragte und die | |
| Straftaten gegen queere Menschen werden getrackt. Das ist selten im | |
| Vergleich zu anderen Bundesländern. In Ostdeutschland zum Beispiel, gerade | |
| in ländlichen Bereichen, gibt es solche Strukturen nicht. Wenn da | |
| rechtsextreme Parteien erstarken und Stimmung gegen queere Menschen machen, | |
| sind sie großen Gefahren ausgesetzt. In diesem Jahr wird in drei | |
| ostdeutschen Bundesländern gewählt, deshalb legen wir im Pride Month einen | |
| Fokus auf das Thema Ostdeutschland und wollen queeren Menschen von vor Ort | |
| einen Raum geben. | |
| Der Pride Month findet in diesem Jahr zum dritten Mal statt. Wie läuft er | |
| ab? | |
| Spoon: Mit einer Demonstration können wir nicht die Welt verändern, aber | |
| unser Ziel ist es, einen Prozess anzustoßen. Deshalb veranstalten wir seit | |
| einigen Jahren auch den Pride Month als Netzwerksveranstaltung für die | |
| Community. Dazu bieten wir einen Monat lang kostenlose Workshops und Panels | |
| an, zu denen Politiker*innen, Aktivist*innen und Expert*innen | |
| eingeladen sind. Themen sind in diesem Jahr unter anderem queer sein im | |
| Alter, Sport, Islam, Ostdeutschland sowie eine feministische Perspektive | |
| auf TIN (trans, inter und nicht-binäre Menschen). Auch am CSD selbst gibt | |
| es ein politisches Programm auf der Bühne und auf den Trucks. | |
| In den vergangenen Jahren wurden Vorwürfe laut, dass der CSD zu unpolitisch | |
| und zu feierlastig geworden sei | |
| Voges: Es heißt immer, der CSD werde zu groß und würde verwässern. Ich | |
| glaube aber, dass die Größe unsere Stärke sein kann. Wir müssen uns nur | |
| fragen, wie wir die Demonstration mit einer politischen | |
| Durchsetzungsstrategie verknüpfen können. Deshalb wollen wir in diesem Jahr | |
| stärkeren Druck auf politische Entscheidungsträger*innen ausüben, um | |
| unsere Forderungen durchzusetzen. | |
| Welche sind das? | |
| Voges: Aktuelle Themen sind die Bekämpfung von Hasskriminalität, | |
| Diskriminierung von trans-Menschen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt, aber | |
| auch die bessere Ausstattung queerer Strukturen und die Aufnahme queerer | |
| Menschen ins Grundgesetz. Welche Forderungen wir in diesem Jahr ins | |
| Schaufenster stellen, wird zurzeit noch heiß im CSD-Forum debattiert. Aber | |
| eins steht fest: Wenn der Regierende Bürgermeister nicht einmal einen Plan | |
| entwickelt, wie er unsere Forderungen umsetzen kann, dann kann so ein | |
| Bürgermeister auch mal vom CSD ausgeladen werden. | |
| 17 May 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lilly Schröder | |
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