# taz.de -- Nahost-Konflikt in queerer Community: Alle gegen alle gegen alle | |
> Der Nahost-Konflikt führt zu Spannungen innerhalb der queeren Community. | |
> Bei den Pride-Demos am Wochenende wird er eine große Rolle spielen. | |
Bild: „Es gibt im Nahost Konflikt einen immensen Positionierungszwang.“ | |
Berlin taz | Wer am Wochenende zur Pride geht, wird an der einen oder | |
anderen Kufiya und dem einen oder anderen Davidstern nicht vorbeikommen. | |
„Das Thema Nahost bewegt die queere Community krass“, sagt Marcel Voges, | |
Vorstandsmitglied des Berliner CSD e. V. „Es gibt eine besondere | |
Sensibilität für Diskriminierung, das hängt mit unseren eigenen Erfahrungen | |
zusammen. Ich habe das Gefühl, dass es deshalb eine hohe Solidarität auf | |
beiden Seiten gibt.“ | |
Zudem gebe es einen „immensen Positionierungszwang“, betont | |
Antisemitismus-Experte und Mitarbeiter der Amadeu Antonio Stiftung, Stefan | |
Lauer. „Es gibt zig Konflikte auf der ganzen Welt, aber niemand muss sich | |
zu den Uiguren oder im Kongo positionieren.“ Im Nahostkonflikt hingegen | |
schon, denn dieser sei in der queeren Community ein „Brennglas“, in dem | |
unterschiedliche Aspekte verstärkt zusammenkämen: ein gemeinsamer Nenner | |
aus Postkolonialismus und Queer Theory. | |
Der Protestforscher Simon Teune beobachtet, dass das Thema Nahost in vielen | |
Demos auf der Tagesordnung steht, ob in der Klimabewegung, der Clubkultur | |
oder der queeren Szene. „Der Konflikt wird da für alle Politikfelder | |
durchbuchstabiert.“ So auch bei den anstehenden Pride-Demonstrationen, dem | |
Dyke March, dem Christopher Street Day (CSD) und seiner | |
[1][antikapitalistischen Alternative, der Internationalistischen Queer | |
Pride (IQP).] | |
Die IQP positioniert sich eindeutig propalästinensisch. Teil des | |
ursprünglichen Bündnisses der seit 2021 stattfindenden Demonstration waren | |
die Israel-Boykottbewegungen „BDS Berlin“ und „Palästina spricht“. In … | |
Vergangenheit wurden Vorwürfe der Israelfeindschaft laut, im Aufruf für | |
Samstag heißt es „No Pride in Genocide & Apartheid“. Die Mitglieder des | |
diesjährigen Bündnisses wurden bislang nicht bekannt gegeben. Der taz | |
gegenüber möchte IQP sich zu ihrer Haltung im Nahostkonflikt nicht äußern. | |
## IQP positioniert sich propalästinensisch | |
„Die müssen nicht mehr mit Namen dabei sein, es ist klar, wer | |
dahintersteckt“, sagt Stefan Lauer. „Die IQP ist ein Coup für die | |
BDS-Kampagne.“ Auf dem Demoplakat ist eine Wassermelone abgebildet, die | |
aufgrund ihrer Farben zum propalästinensischen Symbol geworden ist. Darin | |
befindet sich eine Silhouette Israels, eingefärbt – ausschließlich – in | |
Hamas-Grün. In dem Aufruf steht jedoch auch: „Queer Jews Against Genocide“. | |
Lauer vermutet dahinter eine Gruppierung, die der „Jüdischen Stimme“ | |
nahesteht, einem in der jüdischen Community isolierten Verein, dem manche | |
Terrorverharmlosung vorwerfen. | |
„Es hat sich eine Logik der Feindschaft entwickelt“, sagt Protestforscher | |
Teune. „Es gibt gar keine öffentlich sichtbare dritte Position mehr, die | |
den Antisemitismus im Angriff des 7. Oktober genauso betont wie das Leid | |
und die Situation in Gaza.“ Stefan Lauer spricht von einem „eindeutigen | |
Schwarz-Weiß-Narrativ“ von Unterdrücker und Unterdrückten, jedoch mit einem | |
„blinden Fleck“ mit Blick auf Antisemitismus. | |
Auch beim Dyke March, einer Demo für lesbische Sichtbarkeit, die am Freitag | |
zum 11. Mal stattfindet, war es im Vorfeld zu Spannungen gekommen. | |
[2][Hintergrund war ein Fundraising-Event in der Bar Möbel Olfe am | |
Kottbusser Tor Anfang Juli]. Eine Gruppe von, laut Organisator*innen, | |
„überwiegend weißen, überwiegend nicht-jüdischen Lesben“ hatte einen Ti… | |
mit einer Regenbogen-Flagge mit Davidstern bedeckt und einem Zettel mit der | |
Aufschrift: „Safe table for Jews and Israelis.“ Laut | |
Organisator*innen folgte eine verbale Auseinandersetzung unter den | |
Gästen, die „zu eskalieren drohte“. Der Soli-Abend wurde vorzeitig | |
beendetet. | |
## East Pride kündigt an, den Dyke March „Antisemitinnen“ nicht zu | |
überlassen | |
In einer Stellungnahme auf Instagram betonte das Orga-Team, dass die Aktion | |
aus ihrer Sicht nur eine Motivation hatte: „Provokation und Spaltung“. Sie | |
wünschen sich am Freitag eine hassfreie Dyke-Demo. Fahnen und Flaggen sowie | |
Schilder mit rassistischen, antisemitischen, antimuslimischen Inhalten sind | |
nicht erwünscht. Die East Pride, eine proisraelische queere Gruppe, | |
kündigte jedoch bereits an: „Wir überlassen den Dyke*March Berlin nicht | |
Antisemitinnen und Israelhasserinnen. Wir treffen uns an der großen | |
Regenbogenfahne mit Davidstern auf dem Karl-Marx-Platz.“ | |
Mit der Polizei seien für die Demo am Freitag bereits Kooperationsgespräche | |
geführt worden. Auch der CSD hat sich bereits mit der Polizei auf ihre Demo | |
am Samstag vorbereitet. Zudem werden sie von der Beobachtungsstelle democ | |
unterstützt, die vor Ort hilft, antisemitische, muslimfeindliche oder | |
rassistische Aussagen und Symbole zu erkennen und einzuordnen. | |
„In Berlin wird der Konflikt in einem immensen Ausmaß verhandelt“, sagt | |
Stefan Lauer. Zurückzuführen sei das auf die große internationale Szene. | |
Protestforscher Teune betont, dass es sich dabei jedoch nicht um eine | |
Massenbewegung handle. „Der Kreis an Leuten, der das Thema in alle Demos | |
reinträgt, ist überschaubar“ – aber präsent. | |
Manuela Kay, Mitorganisatorin des Dyke March, kritisiert, dass der | |
Nahostkonflikt in der queeren Community „total unsachlich“ geführt werde. | |
„Das Thema wird sich angeeignet und instrumentalisiert, um andere Konflikte | |
auszutragen.“ Wie so häufig bei Konflikten in der Community hätten viele | |
„einfach ein großes Bedürfnis zu spalten“. Es werde weder einander zugeh�… | |
noch in den Dialog getreten oder zugelassen, dass es eine andere Meinung | |
gibt. „[3][Indem wir uns spalten und gegenseitig diffamieren, spielen wir | |
letztlich den Rechten in die Hände].“ | |
26 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Lilly Schröder | |
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