# taz.de -- Pride-Paraden in Berlin: Queeres Volksfest gegen die AfD | |
> Mindestens 250.000 zogen am Samstag beim CSD durch Berlin, um queeres | |
> Leben zu feiern. Dabei gab sich die Parade erfreulich politisch. | |
Bild: Bunt statt braun: Teilnehmer:innen beim CSD am Samstag | |
Berlin taz | Warum der Christopher Street Day trotz aller Kritik an | |
zunehmender Kommerzialisierung und Vereinnahmung eine unverzichtbare | |
Institution ist, machte Sophie Koch bei ihrer Eröffnungsrede klar: „So | |
viele Menschen hier heute zu sehen gibt mir Kraft“, rief die sächsische | |
LGBTQI-Aktivistin der bunten und glitzernden Menge zu, die sich am | |
Samstagmittag zu Beginn der Parade auf der Leipziger Straße versammelt | |
hatte. | |
„In Sachsen sind wir Queers schon jetzt bedroht von rechten Mehrheiten.“ | |
Angesichts der [1][Wahlerfolge der AfD] sei es umso wichtiger, den Schutz | |
queeren Lebens ins Grundgesetz mit aufzunehmen, eine der Kernforderungen | |
der diesjährigen Parade. | |
Koch hielt die Eröffnungsrede für Kai Wegner, der in seiner Funktion als | |
Regierender Bürgermeister auch dieses Jahr den CSD hätte einläuten sollen. | |
Doch da er mit der 2023 an gleicher Stelle versprochenen | |
Bundesratsinitiative nicht aus dem Knick kam, [2][luden die | |
Organisator:innen ihn kurzerhand wieder aus.] | |
Vermisst dürfte den CDU-Politiker ohnehin kaum jemand haben, im Gegensatz | |
zum guten Wetter. Gerade zu Beginn und Ende der Parade sorgte stundenlanger | |
Starkregen dafür, dass viele sowieso schon sehr knappe Outfits völlig | |
durchnässt waren. Trotzdem war die Beteiligung gut: Insgesamt dürften es | |
250.000 Menschen gewesen sein, die zu Techno, Pop und Disco feiernd durch | |
Berlin zogen. Insgesamt 75 Wagen bildeten den kilometerlangen Aufzug, der | |
sich bis zum Abend zum Endpunkt am Brandenburger Tor schlängelte. | |
## Imagepolitur für Großunternehmen | |
Vertreten waren nicht nur Vereine wie die Aidshilfe oder die | |
Schwulenberatung, sondern auch zahlreiche Unternehmen. Dass nicht gerade | |
durch ihren sozialen Impact glänzende Firmen wie Bayer, Amazon und | |
Lieferando den CSD nutzen, um mit Pinkwashing ihr Image aufzupolieren, | |
blieb auch in diesem Jahr nicht aus. Immerhin fehlten die kontroversen | |
Polizei- und Bundeswehrtrucks. | |
„Den CSD mies zu machen, nur weil er kommerziell wäre, finde ich eine | |
arrogante Einstellung“, sagte der Teilnehmer Axel Wippermann. Gerade für | |
viele Queers aus dem Umland sei der CSD ein wichtiges Event. Der 65-Jährige | |
trug ein Schild mit der Aufschrift „Stonewall is not over“, eine Anspielung | |
auf das wachsende queerfeindliche Klima in der Gesellschaft. | |
Dass Queerfeindlichkeit eine ganz reale Bedrohung ist, bewies eine Gruppe | |
von zwei Dutzend Neonazis, die sich im Vorfeld verabredete, um die Parade | |
anzugreifen. Die Polizei konnte die Neonazis allerdings noch vor Beginn der | |
Parade am Potsdamer Platz festsetzen und somit Angriffe auf | |
Teilnehmer:innen verhindern. | |
Das offizielle Motto „Nur gemeinsam stark – für Demokratie und Vielfalt“ | |
sollte zwar auf die Gefahren durch AfD und Rechtsruck hinweisen, war aber | |
auch ein Seitenhieb auf die vielen Konflikte innerhalb der Community. Beim | |
Thema Nahostkonflikt klappte das mit der Gemeinsamkeit am Samstag nur | |
leidlich. Während die Queers for Israel mit mehreren hundert Menschen an | |
der Spitze israelische Fahnen schwenkten, blieb der größte Teil der queeren | |
palästinasolidarischen Bewegung dem CSD fern. | |
Die Palästina-Aktivist:innen fokussierten sich – wie bereits in den | |
Vorjahren – voll und ganz auf ihren eigenen Pride, den | |
[3][Internationalistischen Queer Pride,] der am Samstagnachmittag nach | |
Polizeiangaben mit 8.000 Menschen durch Neukölln und Kreuzberg zog. Die | |
Organisator:innen sprachen von bis zu 15.000 Teilnehmer:innen. So | |
friedlich wie beim CSD blieb es dabei nicht: Die Polizei setzte Festnahmen | |
rabiat durch, [4][wie auf einem Video auf der Nachrichtenplattform X] zu | |
sehen ist. Auch kam es laut Polizei aus der Demo heraus zu Flaschenwürfen. | |
28 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Homopolitik-der-AfD/!6022333 | |
[2] /Kai-Wegner-und-der-CSD-Zwist/!6026058 | |
[3] /Nahost-Konflikt-in-queerer-Community/!6022855 | |
[4] https://x.com/redstreamnet/status/1817285304379752564 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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