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# taz.de -- RKI, GDL und NATO: Frusten durch frosten
> RKI-Protokolle gegen Misstrauen, Gesetzentwürfe gegen radikale Parteien
> und identitäre Imker gegen asiatische Hornissen. Dazu 2-0 gegen Bayern.
Bild: Asiatische Hornissen in Deutschland. Kann man die nicht abschieben?
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: [1][Erdoğans Laune.]
Und was wird besser in dieser?
Sozis können Wahlen gewinnen. In der Türkei. Schickt uns welche.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat mehr Transparenz bei den
öffentlich gewordenen Protokollen des Robert-Koch-Instituts (RKI) aus der
Coronapandemie angekündigt. Wie gespannt sind Sie darauf?
[2][„Wir werden einander viel verzeihen müssen“] buchtitelte der dunnemals
verantwortliche Gesundheitsminister Spahn, der in der anschwellenden
Debatte bisher eher einen schalldichten Mundschutz trägt. Jedenfalls ist es
beim Verzeihen enorm hilfreich, wenn das zu Verzeihende nicht geheim
gehalten und geschwärzt wird. In Spahns Sinn kann man sich Debatten über
die vermeintlich trübe Quelle sparen, aus der die RKI-Protokolle
veröffentlicht wurden: Es wäre Sache der Politik gewesen, längst mehr
Material öffentlich zu machen. Zum einen, um die Debatten um Mundschutz,
Quarantäne, Lockdown, Impfpflicht nachvollziehen zu können. Zum Zweiten, um
aus der Entscheidungsfindung für die Zukunft zu lernen. Damals schimpften
vor allem FDP und Grüne im Bundestag, dass Kanzlerin Merkel „heute im
Parlament debattiert – und die Entscheidungen gestern mit den
Ministerpräsidenten bereits getroffen hat“. [3][Bis heute fehlen belastbare
Studien], dass Geimpfte weniger ansteckend seien als Ungeimpfte – und doch
handelte die Politik danach. Das Geständnis, Fehler gemacht zu haben, und
die Debatte dazu im Parlament – holt keinen Coronatoten zurück ins Leben,
doch vielleicht Menschen zurück in den demokratischen Diskurs.
In [4][Baltimore ist eine Brücke nach einer Kollision mit einem Schiff
eingestürzt], dabei sind vermutlich sechs Menschen ums Leben gekommen.
Jetzt wird über die wirtschaftlichen Folgen geredet und darüber, ob so
etwas in Deutschland auch passieren kann. Ist das die richtige Perspektive,
wenn Menschen gestorben sind?
Das ist Thrill-Journalismus für Leute, die sich beim Autobahnunfall
beschweren, dass man fast nichts sehen konnte: die Katastrophe näher
ranholen. Der schlichte Satz, dass es solche Brückenkonstruktionen in
Deutschland nicht gibt, wäre langweilig.
Die Ampelkoalition verhandelt mit CDU/CSU um einen Gesetzesentwurf zum
Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor radikalen Parteien. Sind das schon
Vorkehrungen für den Fall, dass die AfD an die Macht kommt?
Ziemlich ausdrücklich. Das erspart Debatten, dass die EU-Partner Polen und
Ungarn, unser Leitstern USA und unsere Staatsräson Israel schon Demokratien
sind, in die es reinregnet. Zwei Senate, befristete Amtszeiten,
Altersgrenzen, breite Wahl – das beschreibt recht genau, was diese vier
Länder nicht oder nicht mehr haben. Oppositionsführer Merz war schon dafür,
dagegen und wieder dafür. Wenigstens in der Union lebt noch das Prinzip des
Wankelmotors.
Laut Außenministerin Baerbock versucht Kremlchef Putin, die Nato in den
Ukrainekrieg hineinzuziehen. Hat sie überzeugende Argumente?
Ihr Argument gegen Putin heißt Putin. Der sieht sich längst „im Krieg gegen
die Nato“. Und wenn Guerillatruppen in der ukrainischen Armee mit
Nato-Waffen in Russland angreifen, ritzt er sich ne Kerbe in den
Schreibtisch. Baerbocks Kamerad Habeck wiederholt in seiner Osteransprache,
die Ukraine kämpfe „für sich selbst und für uns“. Da wird’s dann aber …
langsam eng mit der Trennung zwischen russischer Propaganda und westlicher
Sicht.
Nach einer harten Auseinandersetzung [5][konnten sich Deutsche Bahn und GDL
einigen]. Ist es ein „Erfolg auf fast ganzer Linie“ für die Gewerkschaft,
wie GDL-Chef Weselsky sagt?
Wenn der Bumerang einschlägt, ist Arbeiterführer Weselsky in Pension: Der
Anschluss lässt Beschäftigten Wahlfreiheit – 35 Stunden oder mehr arbeiten,
mehr Verdienst. Und wenn sie mehr arbeiten, wird das zur Keule gegen
gewerkschaftliche Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung. Bahnkunden hätten
so viel Cleverness dem Vorstand der Firma gar nicht zugetraut.
Die asiatische Hornisse breitet sich in Deutschland aus. Kann man die nicht
abschieben?
Nö, frusten durch frosten. Nur eben Klimawandel rückgängig machen. Wobei
die Zuwanderin nicht gefährlicher ist als heimische Wespen und mit ihnen
verwandt. Ganz anders verhält es sich mit der Deutschen Wespe, die derzeit
in Neuseeland Ökosysteme verheert. Die identitären Rassisten sollten Imker
werden, dann können sie in ihrer Freizeit umvolken.
Zum zweiten Mal binnen weniger Tage ist ein Reisebus in Deutschland von
einer Autobahn abgekommen. In Südafrika gab es ein weiteres schweres
Unglück mit mindestens 45 Toten. Sind Fernbusse noch ein sicheres
Verkehrsmittel?
In Deutschland: ja. Reisebusse kommen besser durch den TÜV und verursachen
weit weniger Verkehrstote als gemeine Pkw. Bei alten Modellen sogar ohne
Gurt, und aus metaphysischen Gründen dürfen termingestresste Busfahrer im
Lkw-Überholverbot trotzdem links dran vorbei. Der Rest ist offenbar die
dunkle Magie von Horrorbildern und das beklemmende Gefühl, in einer
Konservenbüchse zu kullern, die von einem Kegelclub-Torero pilotiert wird.
Verbraucherverbände raten, Busfahrende vor Fahrtantritt in ein gutes
Gespräch zu verwickeln: Lizenz, Alkoholverzicht, Sicherheitsvorkehrungen,
Fahrtzeiten, so was. Na ja, oder Fresse halten und pünktlich los.
Kakao ist derzeit so teuer wie noch nie. Wie viel ist Ihnen der
Schoko-Osterhase wert?
Schönen Gruß vom Klimawandel. In Ghana und Elfenbeinküste, die zusammen 58
Prozent des weltweiten Kakaobedarfs liefern – gab es zuletzt Dürre- und
Regenperioden, die Ernten vernichteten. Das verdreifachte den Preis binnen
eines Jahres – nicht aber die Erträge der Hersteller. In Perspektive jetzt
also raus aus den Aktien, rein in Schokohasen und nächstes Jahr
abkassieren. Noch hat die FDP nicht vorgeschlagen, die Rentenfinanzierung
auf Weihnachtsmänner umzustellen. Wenn’s schiefgeht, alles in den Mixer,
Vanilleeis drüber und auf einen Boom bei Stracciatella setzen. Für diese
Art Wirtschaft wäre es echt ein Problem, wenn Maßnahmen gegen den
Klimawandel gelängen.
Zum Start des neuen [6][Radio-Programmschemas des Bayerischen Rundfunks] am
2. April gibt es weiterhin Streit um den Stellenwert der Kultur. Geht das
nur die da drunten an oder lassen sich Lehren ziehen für den
gesamtdeutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
Die ARD stellt unter ihren rund 70 Radiosendern neun Kulturwellen her. Die
implizite Aussage, alles andere sei Unkultur, deutet schon aufs
Kernproblem: Hier bedient sich eine intellektuelle Elite großzügig an
Gebühren, die vor allem Leute zahlen, die Helene Fischer etwas Gutes tun
wollen. Die Reichweiten liegen zwischen 1,3 Prozent Marktanteil (NDR
Kultur) und 4,2 Prozent (Bremen Zwei). Was in manchen Bundesländern den
Gedanken nahelegt, die Hochkulturversorgung von der Telefonseelsorge
miterledigen zu lassen. Oder einfach mal im Uni-Viertel im Hof zu singen.
Die stärkste Radionutzung liegt zwischen 6 und 9 Uhr und noch mal
nachmittags zwischen 16 und 17 Uhr. Man tut Hessen oder Saarland kein
Unrecht, wenn man bangt, ob’s denn täglich zu vier Stunden sendbaren
Kulturthemen reicht. Lokale Kulturbeutel interessieren sich mindestens auch
für Premieren, Bücher, Debatten und Ausstellungen von nationaler Bedeutung.
Also: Deutschlandfunk Kultur oder Radio Eins als Mantelprogramm, darin vier
Stunden regionale Kultur, fertig ist die Reform – und der Shitstorm. Von
einer Kulturlobby, die ums Stattfinden fürchtet – und von ARD-HirschInnen,
die ihren Sprengel verteidigen. Die Öffentlich-Rechtlichen haben die
Chance, sich klug zu beschneiden – bevor es andere dummdreist tun.
Und was machen die Borussen?
Statt Motivationsansprache für den [7][BVB-Sieg in Bayern] mag die
Mannschaftsaufstellung der Nationalmannschaft genügt haben. Praktisch
offenes Bewerbungsverfahren.
1 Apr 2024
## LINKS
[1] /Kommunalwahlen-in-der-Tuerkei/!6001433
[2] /Erinnerungen-an-Corona/!5910767
[3] /Aufarbeitung-der-Coronapolitik/!5998111
[4] /Brueckeneinsturz-in-Baltimore/!6000834
[5] /Tarif-Einigung-zwischen-Bahn-und-GDL/!6000856
[6] /Einsparplaene-beim-Kultursender-Bayern-2/!5948228
[7] /Dortmund-schlaegt-den-FC-Bayern/!5096362
## AUTOREN
Friedrich Küppersbusch
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