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# taz.de -- Wahlerfolg der Kommunisten in Österreich: Ein Label, kein Parteiap…
> Die Wahlerfolge der KPÖ+ in Graz und Salzburg sind nicht so sehr Ausdruck
> eines Linksrucks. Sie sind eher Symptom für ein tiefes Misstrauen.
Bild: Erfolg ohne spektakuläre Werbung: Wahlplakat der KPÖ+
Zum Bürgermeister von Salzburg hat es dann doch nicht gereicht. Aber aus
der Stichwahl ging der kommunistische Kandidat als Vizebürgermeister
hervor. Nach Graz wird nun schon [1][die zweite österreichische Stadt
kommunistisch (mit)regiert.] Ein Linksruck in den Alpen?
Ausgerechnet der konservative Altkanzler Wolfgang Schüssel hat den Punkt
getroffen. Seine Reaktion auf den Wahlerfolg von Kay-Michael Dankl,
Spitzenkandidat der KPÖ+: „Dieses Label ist toxisch.“ Aber nicht „toxisc…
trifft es – sondern „Label“.
Für den historischen Kommunismus war seine Bezeichnung kein Label – kein
Etikett für eine Verpackung. Für die KPÖ+ hingegen ist es genau das: ein
Label.
Alle Kommentatoren stürzen sich nun darauf und fragen: Warum behalten die
diesen Namen? Aber die neuen KPler bewohnen diesen Namen in vielerlei
Hinsicht nicht oder nicht in der alten Weise. Bevor man das wertet, sollte
man die Differenzen betrachten.
## Eine linke Mitmachplattform
Die KPÖ+ ist keine [2][leninistische Partei.] Vielmehr hat eine linke
Mitmachplattform mit der KPÖ fusioniert. Es ist also eine Bewegung und eine
Allianz – kein zentralistischer Parteiapparat.
Diese Allianz hat kein umfassendes Politikkonzept, sondern nur eine Agenda:
soziale Politik mit Schwerpunkt Wohnen. Politik als direkte Intervention in
die unmittelbare Lebenswelt also. Weshalb das Lokale ihr Gebiet ist. Zum
Nicht- oder Neubewohnen des alten Namens gehören auch zwei Abwesenheiten.
Da ist zum einen die bemerkenswerte Abwesenheit von Nostalgie. Das Tragen
des Namens KP scheint nicht verbunden mit einer elegischen Sehnsucht nach
alten Zeichen und Zeiten. Dazu gehört auch Kay-Michael Dankls Auftreten:
Kein Dialekt. Keine Arbeiterromantik. Keine Klassenkampfrhetorik. Sein
Auftreten ringt auch bürgerlichen Kommentatoren die Bezeichnung
„sympathisch“ ab. Um das abzuwehren, wird dann sofort das „böse Wort
Kommunismus“ gegen Herrn Dankl ins Treffen geführt. Als Exorzismus gegen
die Sympathie.
Wenn Dankl sich auf eine kommunistische Tradition bezieht, dann auf eine
sehr spezielle – etwa jene auf zwei Widerstandskämpferinnen. Die
antifaschistische Tradition der Kommunisten wird an zwei Frauen geborgen.
Das ist nicht die Tradition einer Massenorganisation, sondern die einzelner
Kämpferinnen.
## Seltsam theoriefern
Die zweite bemerkenswerte Abwesenheit ist die von Theorie. Der
Sozialdemokrat Babler wurde für das „Eingeständnis“ seiner Marx-Lektüre
gebasht – die erfolgreiche KPÖ+ hingegen ist seltsam theoriefern. Dankls
offenherziges 30-maliges Scheitern an einer Lektüre des „Kapitals“ ist kein
Zufall. Wertfrei betrachtet zeugt das ebenso von Beharrlichkeit wie von
Theorielosigkeit. Man kann das gut oder schlecht finden – in jedem Fall
entspricht das einer Politik der konkreten Intervention.
Ist der Name KP also ein „Etikettenschwindel“, eine „kulturelle Aneignung…
wie ein Kommentator ironisch meinte?
In jedem Fall leistet er einer Sache Vorschub: dem flächendeckenden
Kolportieren vom „Gespenst des Kommunismus“. Allerorten steht: Das Gespenst
sei zurückgekehrt, ein Untoter sei auferstanden. [3][Aber Marxens berühmtes
Wort: „Ein Gespenst geht um in Europa] – das Gespenst des Kommunismus“ gab
nur die Angstvision seiner reaktionären Gegner wieder. Die Rede vom
Gespenst traf also schon in Bezug auf den historischen Kommunismus nicht zu
– weshalb es eben eines „Manifests“ bedurfte, um dem „Märchen vom Gesp…
des Kommunismus“ entgegenzutreten.
## Ein Retro-Feindbild
Und auch heute entspricht die Rede vom Gespenst keiner Realität, sondern
dient vielmehr einem Retro-Feindbild.
Den neuen Trägern hingegen dient die Bezeichnung eher zum Markieren einer
Differenz – jener zu den übrigen Parteien. Das mag man gut finden oder
nicht – je nach politischer Position.
Klar ist aber, dass die Wahlerfolge in Graz und Salzburg nicht so sehr
einem prononcierten Linksruck entsprechen – sondern eher einem Symptom. Die
Wahl einer Differenz, einer ganz anderen politischen Position ist Indikator
für ein tiefes Misstrauen gegen alle anderen politischen Bewerber.
26 Mar 2024
## LINKS
[1] /Buergermeisterwahl-in-Oesterreich/!5999976
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[3] /Karl-Marx-in-Trier/!5501059
## AUTOREN
Isolde Charim
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