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# taz.de -- Krieg zwischen Israel und Hamas: Die explodierte Nicht-Lösung
> Die Falle der Hamas ist aufgegangen: Der Märtyrer-Hydra wachsen immer
> neue Häupter. Dagegen hilft das Unterscheiden von Bevölkerung und
> Anführern.
Bild: Ein Panzer der iraelischen Armee steht am Grenzzaun zum Gazastreifen, 28.…
Auch sieben Wochen nach dem Attentat der Hamas, auch nach den langen Wochen
dieses Krieges im Nahen Osten, auch nach Geiselfreilassungen und Feuerpause
gilt das, was der ehemalige französische Außenminister Dominique de
Villepin gesagt hat, immer noch: „Die Hamas hat uns eine Falle gestellt.“
Und diese ist zugeschnappt.
Die Falle besteht darin, dass es keinen Ausweg gab und gibt: Nicht auf den
Terror zu reagieren, wäre schlecht gewesen. Dagegen vorzugehen wie die
Israelis, ist schlimm. Beides aber dient der Hamas. Selbst die massiven
Angriffe, auch und gerade die schrecklichen Bilder von den Verheerungen im
Gazastreifen, sie folgten und folgen noch der Intention der Terrorgruppe.
Die Falle, die die Hamas gestellt hat, ist die Falle des maximalen
Schreckens, der maximalen Grausamkeit, so Villepin.
Ihr Ziel ist es, jede Art von Frieden zu verhindern. Wie sie unverhohlen
aussprechen. Absurderweise liegt gerade in diesem Ziel eine Art
Spiegelverhältnis zwischen Netanjahu und der Hamas. Nicht in dem Sinne,
dass diese Regierung – wie schlimm sie auch sein mag – mit einer
Terrororganisation gleichzusetzen wäre. Aber es gibt zwei Momente solch
einer Spiegelung.
Da ist zum einen die jahrelange Politik, eine Zwei-Staaten-Lösung zu
verhindern. Denn es war die Hamas, die seit den 1990er Jahren alle
Friedensversuche torpediert hat.
## Die Fallenlogik der Hamas
Und da ist zum anderen die Spiegelung einer religiösen Aufladung des
Konflikts: Die Islamisierung auf palästinensischer Seite reflektiert in
gewisser Weise den politischen Aufstieg der messianischen Siedler bis in
die gegenwärtige Regierung auf israelischer Seite. Diese [1][jahrelange
Nicht-Lösung] ist explodiert.
Eine Explosion, die das Gegenteil einer Lösung ist. Auch darin besteht die
Hamas-Falle: sowohl den schlechten Status quo ante einer Nicht-Lösung als
auch jede mögliche positive Lösung zu verhindern. Ob die Hamas militärisch
und damit auch politisch besiegt werden kann und um welchen Preis, ist nach
wie vor offen. Nicht offen jedoch ist, und gerade darin liegt ja die
Fallenlogik, dass sie auf diesem Weg ideologisch kaum einzudämmen ist. Wie
einer Hydra scheinen ihr stets neue Häupter, neue „Märtyrer“ nachzuwachse…
Auch eine Ausweitung des Konflikts droht. Plötzlich findet man sich in
einem Westen wieder, dessen Anderes, dessen Alternativen Iran, Hamas,
Hisbollah, Erdoğan und Putin lauten. Alternativen, bei denen jedes linke
antiwestliche Gefühl gefriert.
Dachte man zumindest – bis vor ein paar Tagen Osama bin Ladens „Brief an
Amerika“ einen völlig unerwarteten Hype auf Tiktok auslöste. Offenbar geht
der ehemalige Al-Qaida-Anführer da als plausible antiwestliche Alternative
durch. Sein Versuch, „Palästina“ zu jenem Symbol zu machen, um das sich
Muslime weltweit versammeln, hat nun einen verspäteten paradoxen Effekt:
Heute schart sich eine Tiktok-Blase um dieses Zeichen.
Der einzige Lichtblick in dieser Nacht der Welt ist eine Differenz: die
Differenz zwischen den Bevölkerungen und ihren Anführern. „Die Hamas ist
nicht das palästinensische Volk. Netanjahu und Ben-Gvir sind nicht alle
Israelis“, so der Historiker Simon Sebag Montefiore. Die Letzteren jeweils
aber sind es, auf deren Rücken, mit deren Leben der Konflikt ausgetragen
wird.
## Protestbewegung als Rückgrat der Zivilgesellschaft
In Israel hat sich diese Differenz vor dem 7. Oktober nachhaltig
artikuliert. Die [2][Protestbewegung ist das neue Rückgrat] der
Zivilgesellschaft, so der Historiker Moshe Zimmermann.
Was die palästinensische Differenz anlangt, so ist diese, zumindest in
unseren Breiten, sehr viel stiller. Notgedrungen angesichts der autoritären
Herrschaft der Hamas. Sie ist so leise, dass man dachte, es gibt sie
überhaupt nicht. Aber manchmal lässt sie sich doch vernehmen.
So zirkulierte kürzlich ein Video auf Twitter, wo eine wütende
Gaza-Bewohnerin rief: „Das alles verdanken wir den Hunden von der Hamas“,
so die verzweifelte Mutter über den Tod ihres Kindes. Es ist dies die
zaghafte, aber einzige Stimme einer Hoffnung.
1 Dec 2023
## LINKS
[1] /Krieg-im-Nahen-Osten/!5972165
[2] /Proteste-in-Israel/!5957871
## AUTOREN
Isolde Charim
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