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# taz.de -- Kunstausstellung „Kryptomania“: Glitch im Verwertungszyklus
> Diese Kunstausstellung in Friedrichshafen nähert sich humorvoll dem Thema
> Blockchain. Das Publikum muss sich durchschlagen wie durch einen
> Dschungel.
Bild: Restitution per NFT: „Mnemonic (SA 'EY’ AMA: To Commemorate)“ von L…
Der Bitcoin ist sicher. So hat es zumindest das Portal „Bitcoin Uptime“
errechnet: 99,9887091422 Prozent der gesamten Zeit war das Netzwerk der
virtuellen Währung erreichbar. Doch was heißt schon sicher? Sobald man die
Kriterien ändert, um die zwischenzeitlich massiv abgestürzte Digitalwährung
zu bewerten, geraten sicher geglaubte Annahmen rasch ins Wanken.
„Kryptomania. Die Verheißungen der Blockchain“ im Zeppelin Museum
Friedrichshafen nähert sich dem viel diskutierten wie kaum durchdrungenen
Thema künstlerisch, technisch und gesellschaftlich an. Aufgebaut ähnlich
einem Dschungel, durch den sich das Publikum mehr assoziativ denn
chronologisch durchschlägt. So greift die Ausstellungsarchitektur auch
formal eine der im Titel [1][anklingenden Verheißungen auf:] Alles
dezentral. Zwar gibt es Kapitel, die Themen und Aspekte bündeln. Doch
überschneiden sich diese im Vorbeilaufen, grätschen Aspekte des einen
Schwerpunkts in die Videoarbeit des anderen und vice versa.
Ein walisischer Schafbauer berichtet, sein Geld heute vor allem mit dem
Mining, also dem „Schürfen“ virtueller Währungen zu verdienen. Auf dem
Hometrainer nebenan lässt sich ein Missverständnis hierzu schnell ausräumen
– es gibt keine virtuelle ohne physische Welt. Alles Gold, das digital
generiert wird, benötigt derzeit Unmengen an realer Energie. Für Bitcoin,
Ethereum oder Dogecoin müsste man wohl Jahre strampeln.
## Widersprüche aus Heilsversprechen und Horrorvisionen
Dem utopischen Potenzial stehen handfeste Hürden im Weg. „Selbst der
durchschnittliche Krypto-Mensch weiß nicht im Detail, wie Blockchain
funktioniert“, sagte der Gaming-Star und Politkommentator Steven Kenneth
Bonnell II einmal, „Ich sehe nicht, wie wir hier mehr Vertrauen haben
können und nicht weniger.“ Vertrauen scheint das Kernproblem zu sein, auch
in Friedrichshafen. Unbestechlich ausformuliert von Besucherinnen und
Besuchern auf großen Mitmachtafeln: Wem oder was vertraust du? „Niemand!“
Oder: „Meiner Freundin Anne.“ Diese Gleichzeitigkeit widersprüchlicher
Aspekte zeichnet die Ausstellung aus.
Dabei bildet die Möglichkeit, Informationen fälschungssicher und für immer
nachvollziehbar zu speichern, eine wichtige Eigenschaft der
Blockchain-Technologie. Eine vorsichtige Utopie gegen Fake News – ob die
jene erreicht, die ohnehin nicht mehr an der realen Welt interessiert sind,
steht auf einem anderen Blatt. Wer an Elon Musk denkt oder an autokratische
Staaten weltweit, möchte derzeit eher nicht auf die demokratisierenden
Potenziale einer virtuellen Technologie allein hoffen. Aber die
Verheißungen, das zeigt diese Ausstellung, rufen laut.
Die Widersprüche aus Heilsversprechen und Horrorvisionen muss die Kunst
nicht auflösen. Besonders pointiert hier in Form des „Non-Fungible-Comic“
von Julia Schneider aka docjsnyder und Noëlle Kröger, die einige ihrer
giftgrünen und schwarzen Grafiken großformatig präsentieren. Darin
überlegen sie in poppig vereinfachten Text-Bild-Kombinationen, wie und ob
Non Fungible Tokens (NFTs), also die digitalen Unikatkunstwerke,
tatsächlich die Verwertungszyklen zugunsten von Künstlerinnen und Künstlern
umgestalten könnten: „Des Kaisers neue Kleider oder der Ausdruck einer
digitalen Revolution?“
## Zeitkarten der MuseumsaufseherInnen werden zu NFTs
Einer Art Hacking-Strategie für den analogen Raum bedient sich Looty. Das
Kunstkollektiv spürt Raubkunst in britischen Museen auf – darunter die zum
allgemein bekannten Unrechtssymbol gewordenen Benin-Bronzen –, scannt sie
durchs Vitrinenglas ab und lässt die Bilder anschließend ins Ursprungsland
respektive dessen Nachfolgestaat restitutieren – auch in Form von NFTs.
Unmittelbar partizipieren kann man an „SHIFT“ von Géraldine Honauer. Die
Schweizer Künstlerin macht gestempelte Zeitkarten der MuseumsaufseherInnen
zu virtuellen NFTs, die während der Ausstellungsdauer kostenfrei erworben
werden können. Bei späterem Wiederverkauf fließt ein Teil der Erlöse als
Tantiemen an die Beteiligten.
Lässt sich dem [2][Hype um virtuelle Währungen und NFTs] noch eine
ironische Überhöhung abtrotzen? Florian Meisenberg wirft seinen
Schnuckicoin ins Rennen: Eine Installation [3][als spekulative Anordnung
des Künstlers] in von Galeristen unabhängiger Autarkie. Die blonde
Blockfrisur auf dem krakeligen Selbstporträt lässt Meisenberg unzweifelhaft
erkennen, links und rechts pflastern Eukaryot-ähnliche NFTs das Bild.
Auf dem Boden davor ein schwarzer Trichter. Wirft man Geldmünzen hinein,
sind die bald darauf weg – verschwunden in der Black Box. Doch das
Hineinwerfen erzeugt einen hörbaren Ton und hernach Energie, die zur
Generierung der künstlereigenen Währung herangezogen werden soll. Für eine
Handvoll Taler entsteht so ein völlig frei drehender, zumindest
künstlerisch wertvoller Schnuckicoin.
12 Mar 2024
## LINKS
[1] /Hype-der-Kryptokunst/!5922969
[2] /Podcast-Billion-Dollar-Apes/!5939052
[3] /Minimalismus-in-der-digitalen-Kunst/!5926475
## AUTOREN
Katharina J. Cichosch
## TAGS
Kunst
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