| # taz.de -- Biografischer Roman von Edo Popović: Vögel beobachten bei Zagreb | |
| > Der kroatische Autor Edo Popović ist ein Rebell. Wie er das eigene Spiel | |
| > nach einer Chemotherapie weiterspielt, erzählt er in „Das Leben: es | |
| > lebe!“. | |
| Bild: Edo Popvic | |
| Wer dem Tod von der Schippe gesprungen ist, steht vor der Wahl: sich Sorgen | |
| um die eigene Zukunft machen oder jetzt leben? Der 1957 im bosnischen Livno | |
| geborene kroatische Schriftsteller [1][Edo Popović] entschied sich fürs | |
| Jetzt. | |
| Stark biografisch geprägt, erzählt er in seinem neuen Roman „Das Leben: es | |
| lebe!“ von Fragen, die sich so stellen, wenn man eine Lungenembolie | |
| überlebt hat und eine Krebserkrankung mit Chemotherapie behandeln lassen | |
| muss. Die Fragen danach, was lebendig sein heißt. „Ich lebe in den Tag | |
| hinein. Keine Pläne, keine Wünsche. Nichts“, schreibt er. Was sich | |
| schrecklich fatalistisch und traurig anhört, ist es nicht. Es ist Ausdruck | |
| des unbedingten Willens, alles zu genießen, was geboten wird, ohne sich | |
| dafür in irgendeiner Art zu korrumpieren. | |
| Dass Popović – [2][Mitgründer der jugoslawischen Literaturzeitschrift | |
| Quorom], Autor des Indie-Kultromans der [3][80er Jahre | |
| „Mitternachtsboogie“], legendärer Kriegsreporter – angesichts des Todes | |
| nicht bangend in die Zukunft schaut, sondern in einem alten Haus eines | |
| verlassenen Dorfes in der Nähe von Zagreb Vögel beobachtet, eine ganze | |
| Armada Katzen großzieht, Bibel und Buddhismus studiert, fällt ihm | |
| allerdings weniger schwer als anderen. | |
| ## Die Gegenwart leben | |
| Ihn, einen der bekanntesten Autoren des Landes, hat das Jetzt immer schon | |
| mehr interessiert als das Morgen: Karriere machen, Geld scheffeln, | |
| Immobilien kaufen, Rente absichern, die Angst vor dem Urteil der anderen – | |
| dafür hat er sich noch nie interessiert. | |
| Er, der antiautoritäre Rebell unter den talentierten Autoren seiner | |
| Generation, hat inzwischen zwar kaum noch Geld, keine Kolumne mehr und auch | |
| sonst kaum Aufträge, aber: „Lieber würde ich allein Hunger leiden, als in | |
| ihrer Gesellschaft die Reste zu essen“, schreibt er. „Ich spiele mein | |
| Spiel, für das ich die Regeln selbst festgelegt habe, und das, was diese | |
| Leute für superwichtig und wertvoll erachten, sind bloß Rasseln, die man | |
| Kindern zusteckt, damit die aufhören zu weinen.“ | |
| So sehr sich Popović über die Fremdbestimmheit der Städter, das Böse im | |
| Allgemeinen und den Kapitalismus im Besonderen noch immer aufregen kann, so | |
| sehr ist er derjenige geblieben, der sich das, was um ihn herum ist, sehr | |
| genau anschaut: die Natur, seinen Schatten, seine eigenen Gedanken und die | |
| schlecht gealterten Gedanken anderer. | |
| Es tut gut zu lesen, dass Edo Popović immer noch derselbe zu sein scheint. | |
| Dass er lebendig ist. Auch wenn er inzwischen die Musik hört, die sein Sohn | |
| gut findet, seine Frau ihn aushalten muss und er sich fragt, was aus | |
| Beethoven geworden wäre, wäre der in Livno geboren. | |
| 23 Mar 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kurzgeschichten-aus-der-Silvester-sonntaz/!5129581 | |
| [2] /Literaturszene/!5199701 | |
| [3] /Archiv-Suche/!368065&s=Edo+Popovi%C4%87&SuchRahmen=Print/ | |
| ## AUTOREN | |
| Doris Akrap | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Leipziger Buchmesse 2025 | |
| Kroatien | |
| Literatur | |
| Underground | |
| Krankheit | |
| Roman | |
| Schwerpunkt Leipziger Buchmesse 2025 | |
| Erfindungen | |
| Maxim Gorki Theater | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Neuer Roman von Kerstin Hensel: „So lebten sie glücklich dahin“ | |
| Kerstin Hensels neuer Roman „Die Glückshaut“ jongliert mit Märchenmotiven. | |
| Mit leichter Ironie zeigt er, wie Glücksvorstellungen sich ändern. | |
| Gespräche über Ost und West: Trinken und reden | |
| Der Buchtitel ist Programm. Die Ost-Autorinnen Annett Gröschner, Peggy | |
| Mädler und Wenke Seemann betrinken sich und gründen den idealen Staat. | |
| Bücher über Nikola Tesla: Tanzen mit dem Strom | |
| Nikola Tesla, einer der bedeutendsten Erfinder des 20. Jahrhunderts, starb | |
| verarmt im Hotel. Wurde er lange vergessen, weil er aus dem Balkan stammte? | |
| Theater über Ex-Jugoslawien: Messe der Maßlosigkeit | |
| Allegorie auf ein gescheitertes Projekt: Oliver Frljićs zitatenreiches | |
| Theaterstück „Mass for Jugoslavia“ wurde am Berliner Gorki Theater | |
| aufgeführt. |