| # taz.de -- Frauentag im Abgeordnetenhaus: Kampftag mit Überraschungen | |
| > Bei der Frauenpolitik gibt es in der Plenardebatte viel Einigkeit. | |
| > Unerwartet taucht der Streit um die Vornamensabfrage der CDU von 2023 | |
| > wieder auf. | |
| Bild: SPD-Senatorin Cansel Kiziltepe stand am Donnerstagvormittag im Abgeordnet… | |
| Berlin taz | Es plätschert so vor sich hin an diesem Donnerstag im | |
| Abgeordnetenhaus. Was aber noch ganz anders wird. Frauenpolitik ist das | |
| große Thema des Vormittags, alle fünf Fraktionen haben das so beantragt. | |
| Immerhin ist am folgenden Tag Internationaler Frauentag, in Berlin deshalb | |
| weitgehend arbeitsfrei. Um das zu unterstreichen, will die SPD-Fraktion in | |
| der kompletten Sitzung nur Frauen ans Rednerpult schicken, und in den | |
| Reihen der Grünen ist ganz vorn an diesem Tag kein Platz für Männer. | |
| Was die Rederunde so plätschern lässt, ist die weitgehende Einigkeit, die | |
| dabei herrscht: Es gibt zu viel und ungeahndete Gewalt gegen Frauen, Frauen | |
| verdienen zu wenig und sind in Parlamenten unterrepräsentiert. Allein die | |
| AfD-Fraktion versucht, das Thema mit Migration und kulturellen | |
| Unterschieden zu verknüpfen. | |
| Worüber es Differenzen gibt: Die Grünen loben zwar einen Landesaktionsplan, | |
| vergleichen ihn aber mangels Umsetzung mit einem „Löschfahrzeug ohne | |
| Wasser, das vor einem brennenden Haus steht“. Was die SPD wiederum so nicht | |
| stehen lassen mag: Es gebe zwar noch einiges zu tun, „aber von Stillstand | |
| und Abwarten kann hier keine Rede sein.“ | |
| Was dabei auch klar wird, ist, dass es mit dem sogenannten | |
| [1][Paritätsgesetz, das für mehr Frauen im Abgeordnetenhaus sorgen soll], | |
| so schnell nichts werden wird. Ja, natürlich stehe ein Prüfauftrag dazu in | |
| den Richtlinien der Regierungspolitik des schwarz-roten Senats, ist von | |
| Cansel Kiziltepe (SPD) als Senatorin für Gleichstellung zu hören. Und sie | |
| verspricht: „Wir werden das im Senat auch besprechen.“ Bloß wann Ergebnisse | |
| vorliegen sollen, vermag sie auch auf spätere Nachfragen der Opposition | |
| nicht zu sagen. Noch nicht mal ein Zeitplan soll vorliegen. | |
| Wie zur Entschuldigung verweist Kiziltepe darauf, dass das Thema komplex | |
| ist – [2][2020 scheiterte in Brandenburg] ein solches Gesetz am | |
| Verfassungsgericht – und die Innenverwaltung zuständig sei. Dabei müsste | |
| Letzteres die Sache eher beschleunigen: Innensenatorin ist nämlich die | |
| Frau, wegen der am kommenden Tag frei ist: Iris Spranger hatte 2018 als | |
| SPD-Vizechefin in der Debatte um einen weiteren gesetzlichen Feiertag in | |
| Berlin vorgeschlagen, den auf den Internationalen Frauentag zu legen. In | |
| Gespräch waren unter anderem auch der 8. Mai oder den 17. Juni. | |
| ## Kein klares „Ja“ zum 29-Euro-Ticket | |
| Richtig Fahrt nimmt die Sitzung erst in der anschließenden Fragestunde auf. | |
| Da geben gleich zwei Senatsmitglieder auf zentrale politische Fragen keine | |
| klare Antwort. Von Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) ist kein „Ja“ zu | |
| hören, als die Grünen danach fragen, ob das 29-Euro-Ticket auf jeden Fall | |
| und trotz Spardrucks im Landeshaushalt kommt. „An irgendeiner Stelle werde | |
| ich Einsparungen machen müssen“, sagt Schreiner stattdessen. Aber sie werde | |
| sich „bemühen“, sämtliche [3][Richtlinien der Regierungspolitik] – zu d… | |
| das 29-Euro-Ticket auf Druck der SPD gehört – zu berücksichtigen. Ob bloßes | |
| Bemühen dem Koalitionspartner reicht, bleibt an diesem Vormittag offen. | |
| Noch interessanter wird es, als wiederum die Grünen [4][ein taz-Interview | |
| mit Senatorin Kiziltepe] vom vergangenen September zitieren. Darin spricht | |
| die SPD-Politikerin von einer „rassistischen Namenskampagne“ der CDU und | |
| sagt dann: „Kai Wegner hat sich dann ja auch entschuldigt für sein | |
| Verhalten.“ Die Grünen wollen wissen: Wann, wo und wie sei das geschehen? | |
| Die CDU-Fraktion hatte Anfang Januar 2023 nach den Silvesterkrawallen im | |
| Innenausschuss auf einer Liste mit 47 Fragen auch wissen wollen: „Wie | |
| lauten die Vornamen der Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit?“ | |
| Vorsitzender der CDU-Fraktion war damals der heutige Regierende | |
| Bürgermeister Kai Wegner. | |
| Der antwortet auf die Frage der Grünen so: „Wer sich wann und wo | |
| entschuldigt hat und ob überhaupt, ist eine Sache, die ich nicht | |
| beantworten kann.“ Und führt dann aus, die meisten Berliner mit | |
| Migrationshintergrund hätten bei der letzten Wahl die CDU gewählt – und | |
| deshalb gebe es keinen Grund für Entschuldigungen. | |
| ## Wiederbelebte Namensdebatte | |
| Weil in der Fragestunde nur jeweils zwei Nachfragen möglich sind, bleiben | |
| Wegners Worte im Plenarsaal offiziell erst mal unkommentiert. Unter der | |
| Hand aber heißt es sofort von den Grünen, dass die Senatorin in dem | |
| Interview dann wohl gelogen habe, weil es offenbar gar keine Entschuldigung | |
| gab. Was alles darauf hindeutet, dass nicht allein der Frauentag und die | |
| Debatte um mehr Teilhabe diese Sitzung überdauern werden. | |
| Die Namensdebatte könnte dabei auch im SPD-internen Machtkampf um den | |
| Landesvorsitz eine Rolle spielen: Im Streit über eine Koalition mit der CDU | |
| war sie 2023 ein wichtiges Argument der Gegner, das mit der angeblichen | |
| Entschuldigung einigermaßen ausgeräumt schien. Dass es die nun | |
| möglicherweise gar nicht gab, dürften schnell die Vorsitzbewerber nutzen, | |
| [5][die auf mehr Distanz zur CDU setzen]. | |
| 7 Mar 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Abgeordnete-ueber-Chancen-in-der-Politik/!5862008 | |
| [2] /Paritaetsgesetz-in-Brandenburg-gekippt/!5719855 | |
| [3] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/richtlinien-der-politik/ | |
| [4] /Senatorin-ueber-Schwarz-Rot-in-Berlin/!5958207 | |
| [5] /Vorstands-Triell-bei-der-SPD-Berlin/!5996815 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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