# taz.de -- Obdachlosigkeit in Berlin: Raus aus der Unsichtbarkeit | |
> Die Ausstellung „Mitten unter uns“ im Humboldt Forum beleuchtet den | |
> Alltag obdachloser Frauen in Berlin. Die Betroffenen kommen dabei selbst | |
> zu Wort. | |
Bild: Tausende Menschen leben in Berlin auf der Straße | |
BERLIN taz | Menschen ohne Obdach gehören in Berlin zum Straßenbild. Und | |
sie sind noch immer vielfältigen Formen von Diskriminierung und Gewalt | |
ausgesetzt. In den vergangenen Jahren sind vermehrt auch Frauen betroffen. | |
„Sie versuchen oft noch länger als Männer, ihre Situation aus Scham zu | |
verheimlichen oder aber sie bleiben der Kinder wegen in (gewalttätigen) | |
Abhängigkeitsverhältnissen“, beschreibt der Berliner Caritas-Verband die | |
besonderen Probleme der betroffenen Frauen. | |
Eine kleine, aber sehr gelungene Ausstellung im Humboldt Forum bietet | |
Gelegenheit, sich eingehender darüber zu informieren, wie Frauen ohne | |
Wohnung ihren Alltag in der Hauptstadt bewältigen. Sie wurde vom [1][Verein | |
Querstadtein] gemeinsam mit dem Stadtmuseum konzipiert. | |
Auf einer Freifläche der Ausstellung Berlin Global in der ersten Etage des | |
Humboldt Forums ist eine Art Gebäude mit sechs Türen aufgebaut. Dahinter | |
befinden sich sechs Audio-Hörstationen und kleine Bildschirme. Dort | |
berichten Anna, Janet, Janita-Marja, Richi und Susanne über ihr Leben auf | |
der Straße. In den kurzen Sequenzen sprechen die Frauen über ihren sehr | |
individuellen Umgang mit ihrer Situation. | |
Da ist etwa Susanne, die einmal gut verdient hat und nach einer | |
Zwangsräumung plötzlich auf der Straße stand. „Das geht schneller, als man | |
denkt“, musste sie erfahren. Dabei legt sie weiterhin Wert auf ein | |
gepflegtes Äußeres. „Niemand denkt, dass ich wohnungslos bin“, betont sie. | |
## „Wer auf der Straße lebt, ist nicht schwach“ | |
Janet wiederum hat nach längerer Wohnungslosigkeit in einer der jahrelang | |
leerstehenden und mittlerweile von ehemals Obdachlosen besetzten Wohnungen | |
der [2][Habersaathstraße 40–48] wieder ein Dach über dem Kopf gefunden, wie | |
sie voller Stolz berichtet. | |
Doch der Kampf um den Häuserkomplex in Mitte ist noch nicht entschieden. | |
Der Eigentümer strebt nach wie vor eine [3][Räumung und einen Abriss] an, | |
um stattdessen teure Lofts zu bauen. Die kleine Ausstellung lässt Frauen zu | |
Wort kommen, die dort dann bestimmt nicht mehr leben können. | |
Ein besonderes Plus der Exposition ist, dass sie das Leben auf der Straße | |
nicht verklärt. So berichten mehrere Frauen über Gewalterfahrungen, die sie | |
dort erleben mussten. Aber sie alle sehen sich nicht als Opfer. „Wer auf | |
der Straße lebt, ist nicht schwach“, betont Anna. Es gehöre vielmehr | |
besondere Stärke und Ausdauer dazu, unter widrigen Bedingungen zu leben. | |
Gerade das Publikum im Humboldt Forum im Berliner Stadtschloss kann in der | |
Ausstellung, die noch bis Ende März 2025 zu sehen ist, Einblicke in den | |
Alltag von Menschen bekommen, die ihnen oft fremd sind, obwohl sie „mitten | |
unter uns“ leben, wie der Titel so treffend formuliert. | |
29 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Stadtfuehrung-in-Berlin/!5572905 | |
[2] /Projekt-gegen-spekulativen-Leerstand/!5828915 | |
[3] /Adventskalender-21/!5975764 | |
## AUTOREN | |
Peter Nowak | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin | |
Ausstellung | |
Humboldt Forum | |
Häuserkampf | |
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin | |
Kolumne Zwischen Menschen | |
Obdachlose | |
Obdachlosigkeit | |
Wochenkommentar | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Versorgung Obdachloser in Berlin: Vom Arzt auf die Straße entlassen | |
Im Klinikum Friedrichshain berät ein erstes Arbeitstreffen, wie obdachlose | |
Menschen besser versorgt werden können. Die Lage in der Hauptstadt ist | |
dramatisch. | |
Verletzliche Momente fremder Personen: Wegschauen oder hinsehen? | |
Wenn fremden Menschen in der Öffentlichkeit etwas Peinliches passiert, | |
fühlt es sich falsch an, dabei zu sein. Man wird zwangsläufig Teil der | |
Situation. | |
Feindliches Design bei BVG und Bezirken: Aufenthalt unerwünscht | |
Der Künstler Martin Binder sammelt Beispiele für obdachlosenfeindliches | |
Design in Berlin. Bezirke und BVG wollen davon keine Kenntnis haben. | |
Ex-Obdachlose über Obdachlosigkeit: „Obdachlose haben keinen Feierabend“ | |
Janita-Marja Juvonen hat selbst 14 Jahre lang auf der Straße gelebt. In | |
ihrem Buch „Die Anderen“ beschreibt sie die Realität der Obdachlosigkeit. | |
Verdrängung in Berlin: Geduldeter Horror | |
Ein Vermieter schikaniert seine Mieter*innen in Berlin-Mitte mit | |
illegalen Methoden und die Politik schaut tatenlos zu. Ein fatales Signal. |