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# taz.de -- Nach dem Brandanschlag gegen Tesla: Baumfreunde gegen Autoliebhaber
> In Grünheide wird Elon Musk von jubelnden Mitarbeitenden empfangen.
> Derweil wollen Umweltaktivisten weiter den Ausbau des Werks
> verhindern.
Bild: Protest gegen den Ausbau der Tesla Gigafactory am 10.03.2024 in Grünheide
Grünheide taz | Aus einem Festzelt vor dem Tesla-Werk in Grünheide dröhnen
am Mittwochvormittag Techno-Bässe hinüber. Hunderte Mitarbeitende in
dunkler Kleidung sind aus der Entfernung in und außerhalb des Festzeltes zu
sehen. Sie warten auf [1][Tesla-Chef Elon Musk.] Dieser kommt Minuten
später mit einer Kolonne aus drei Tesla-SUVs vorgefahren. „Welcome Elon!“,
hallt es wenig später zu den zahlreichen Pressevertretern herüber, die das
Spektakel nur vom Werkszaun beobachten dürfen. Gut eine Woche stand die
Produktion nach einem Brandanschlag der linksradikalen „Vulkangruppe Tesla
abschalten“ still.
Diese bekannte sich zu [2][der gezielten Sabotage] eines Strommastes am 5.
März, der die etwa 10 Kilometer entfernte Gigafactory sowie einen Teil der
umliegenden Haushalte in Grünheide versorgte. Der Werksleiter André Thierig
ging zunächst von einem finanziellen Schaden im „hohen neunstelligen
Bereich“ aus. Nun ist Elon Musk höchstpersönlich angereist, um die
Wiederaufnahme der Produktion zu feiern. Als ein Journalist ihn fragte, ob
das Werk weiterhin ausgebaut werden soll, antwortete er nur: „Ja, absolut!“
Szenenwechsel drei Tage zuvor nach Grünheide: Hunderte Menschen gehen nach
dem Anschlag auf die Straße, um „für“ oder „gegen“ Tesla zu demonstri…
Als sich die „Tesla stoppen“-Demonstration langsam dem Ortskern von
Grünheide nähert, positioniert sich die Sprecherin der lokalen Grünen,
Lucia Maack, lieber ein paar Meter vom Wegrand entfernt. Mit vielen der
Gruppen, die an diesem Sonntag gegen Tesla demonstrieren, stand Maack schon
auf der Straße: Nabu, Grüne Liga, Berlin autofrei: Es sind die
traditionellen Verbündeten der Grünen.
Doch heute steht Lucia Maack im dunkelblauen, rot-weiß karierten
Wintermantel mit ihren zwei kleinen Söhnen, ihrem Mann und den Fahrrädern
der Familie auf der anderen Seite. Auf der Seite jener, die mit Tesla
arbeiten und Kompromisse finden wollen, statt „Tesla den Hahn abzudrehen“,
wie es das Anti-Tesla-Bündnis fordert. Erst gerade hat sie auf der
Kundgebung der Tesla-Sympathisanten im Bürgerpark Grünheide gesprochen, hat
ein Ende der „Spirale der Ablehnung“ beschworen.
Doch die Spirale ist heute bereits in vollem Gange. Als der
Demonstrationszug die Tesla-Sympathisanten erreicht, wird es hässlich.
„Tesla – den Hahn abdrehen“, skandiert der Protestmarsch.„Geht mal zu V…
geht mal zu Leag, die verbrauchen 100-mal mehr Wasser“, antwortet ein
Tesla-Befürworter. „One struggle, one fight, water is a human right“,
schallt es zurück. „Haut ab, ihr Schweine! Ihr Affen! Ihr
Kohlefetischisten! Wer seid ihr? Was wollt ihr hier?“, ruft ein Demonstrant
am Straßenrand.„What do we want? Climate Justice! When do we want it?
Now!“, schallt es von der Straße zurück.
Auf den Straßen von Grünheide wird in diesen Wochen ein Konflikt sichtbar,
der die gesellschaftliche Linke noch lange beschäftigen wird. Hier streiten
sich reformorientierte Grüne und Sozialdemokraten mit
[3][antikapitalistischen Degrowthern]. Es geht um den Umgang mit dem
Megakonzern Tesla, mit seinen Verstößen beim Arbeits- und Umweltschutz,
dem mangelnden Respekt vor demokratischen Prozessen, zum Beispiel wenn es
um die Genehmigungsverfahren für das E-Auto-Werk in Grünheide geht.
Es geht um giftige Industrieabwässer und die Tatsache, dass eine Fabrik wie
die von Tesla zwar Arbeitsplätze bringt, aber auch steigende Mieten in der
Region. Und es geht auch um die viel grundsätzlichere Frage, ob die in
Grünheide produzierten, zwei Tonnen schweren Elektro-SUVs des rechten
Milliardärs Elon Musk wirklich eine Lösung für die Klimakrise sein können.
Drei Stunden vor der „Tesla stoppen“-Demo am Sonntag läuft Manual Hoyer,
die Frau, die den Protest nach Grünheide geholt hat, durch einen
moosbewachsenen Wald, keine zwei Kilometer vom Ortskern von Grünheide
entfernt. Der Wald war mal eine künstlich angelegte und dürreanfällige
Kiefernmonokultur. Mittlerweile jedoch stehen neben den hohen Kiefern auch
viele Laubbäume. Schon in zehn oder fünfzehn Jahren könnten sie mit den
Kiefern auf Augenhöhe sein.
Knapp 50 Meter von der Landstraße entfernt haben hier rund 80
Aktivist:innen ihr Camp aufgeschlagen. Mit Ästen gesäumte Pfade führen
in den Wald hinein zu Baumhäusern, Zelten und einem Materiallager. Bei
einer Sitzgruppe aus Baumstämmen steht ein Klavier. Die Besetzer:innen
wollen Tesla daran hindern, den Wald zu roden, um sein Werk um weitere
circa 100 Hektar zu vergrößern. So will der Konzern künftig eine Million
Autos pro Jahr produzieren.
Manuela Hoyer trägt einen blauen Anorak und leicht verdunkelte
Brillengläser. Sie ist Vorsitzende der [4][Bürgerinitiative Grünheide].
Seit 2019 klar wurde, dass die Landesregierung Brandenburg eine
Elektroautofabrik direkt an einem Trinkwasserschutzgebiet bauen lassen
will, engagiert sie sich gegen Tesla.
Hoyer, 63 Jahre alt, ist ein gern gesehener Gast hier im Wald. Für die
Besetzer:innen, von denen fast niemand aus Grünheide selbst kommt, ist sie
das lokale Gesicht des Widerstands. Sie gibt Interviews und korrigiert auch
mal eine Pressesprecherin der Besetzung, wenn die sich bei den Details der
Kommunalpolitik in Grünheide als nicht 100 Prozent faktenfest erweist. „Die
Bürgerbefragung hat die Gemeinde initiiert, nicht die Bürgerinitiative“,
gibt sie ihr mit auf den Weg. 62 Prozent der Grünheider:innen hatten im
Februar bei einer Befragung durch die Gemeinde gegen die
Werkserweiterungspläne von Tesla gestimmt. Das Votum ist für die
Gemeindevertretung nicht bindend.
Hoyer hat der Brandanschlag der Vulkangruppe mitgenommen. „Das ist ein
friedliches, kreatives Camp hier, und dann machen die so eine Scheiße“,
sagt sie. Der Anschlag schade ihrer Arbeit. „Wir protestieren hier seit
2019 friedlich, aber jetzt werden wir von Politik und Medien alle in einen
Topf geworfen.“ Bei der „Vulkangruppe Tesla stoppen“ hat Hoyer sich mit
ihrer Distanzierung keine Freunde gemacht.
Drei Tage nach deren Brandanschlag landet eine E-Mail in Hoyers Postfach.
Betreff: Nachschlag zum Brandanschlag auf Tesla. Absender: Die
Vulkangruppe. „Wir glauben nicht der Sache geschadet zu haben“, schreiben
sie. „Wir empfehlen den Bürger:innen, den Gruppen vor Ort und in den
Baumhäusern sich weniger (…) von dem Distanzierungsdruck beeinflussen zu
lassen.“ Und in Bezug auf Elon Musk, der die Täter in einem Tweet als die
„dümmsten Öko-Terroristen der Welt“ bezeichnete, schreibt die Gruppe zum
Abschied: „Gruß und Kuss, eure dümmsten Ökoterrorist:innen der Welt“.
Hoyer ficht das nicht an. Sie ist überzeugt von ihrem friedlichen Ansatz,
ihren Methoden. Seit 20 Jahren wohnt die ehemalige Verwaltungsangestellte
in der Region, von ihrer Zweizimmerwohnung im Ortsteil Mönchwinkel sieht
sie die Spree. Sie weiß, wie knapp das Wasser bei ihr in der Region ist,
sieht selbst, [5][wie Dürresommer nach Dürresommer] dem Fluss zugesetzt
hat. „Ich konnte mir das in meinen übelsten Träumen nicht vorstellen“, sa…
Hoyer. „Dass die Landesregierung quasi eine Chemiefabrik hier ins
Trinkwasserschutzgebiet stellt.“
Hoyers Sorge um die Wasserqualität in Grünheide scheint berechtigt. Zuletzt
sorgte ein Bericht des regionalen [6][Wasserverbands Strausberg-Erkner
(WSE)] für Schlagzeilen. Laut dem Verband überschreite Tesla „ständig und
in erheblicher Weise“ die Schadstoffgrenzwerte für Phosphor und
Gesamtstickstoff. Teilweise seien die Grenzwerte um das bis zu Sechsfache
überschritten worden. Selbst ein Entsorgungsstopp für das Abwasser der
Tesla-Fabrik war im Gespräch.
Einer, der lange Zeit für die Entsorgung genau jenes Abwassers zuständig
war, ist Henryk Pilz. Der Bürgermeister von Erkner war bis vor einer Woche
noch Vorsitzender der Verbandsversammlung des WSE. Unter seiner Leitung war
eine Sondersitzung zum Tesla-Bericht anberaumt worden. Doch als sich das
Gremium nicht zu einer Entscheidung durchringen konnte, trat Pilz zurück.
In der Versammlung sei es um die Interessen verschiedenster Akteur*innen
gegangen, aber nicht um die Interessen der Bürger*innen. Er sagt: „Es hat
hier jemanden gebraucht, der auf den Tisch haut und ein Zeichen setzt.“ Bei
seiner Entscheidung sei es jedoch um mehr als nur um Tesla gegangen. Dem
Verband bleibt Pilz als einfaches Mitglied erhalten.
Für die Anwohner:innen geht es in Grünheide um ihr Zuhause, um die
Zukunft der Region. Doch der Kampf um die Tesla-Fabrik ist längst auch ein
Symbol für den globalen Kampf ums Wasser geworden, der sich durch die
Klimakrise noch verschärfen dürfte. Das zeigt sich auch bei den Menschen,
die Manuela Hoyers Aufruf zu der „Tesla stoppen“-Demo an diesem Sonntag
gefolgt sind.
Da ist Alex Wernke, 35, der gerade mit Aktivist:innen der Bewegung
„Aufstände der Erde“ aus Frankreich durch Deutschland tourt. Ob die
geplanten Mega-Pipelines zur Flutung der Tagebaue im Rheinland, ein
Amazon-Logistikzentrum am Trinkwasserschutzgebiet bei Nürnberg oder den
Kampf für eine nachhaltige Landwirtschaft bei Kassel – gemeinsam wollen sie
die sich an vielen Orten zuspitzenden Verteilungskämpfe ums Wasser in
Deutschland verbinden. Nach Grünheide geht es weiter zu lokalen
Wasserschützer:innen in der Lausitz.
## Wasserdeckelungen ab 2025
Da ist Elster, 28, aus einem Dorf in Süddeutschland, studierte*r
Umweltingenieur*in und Ausbildung zum/zur Baumpfleger*in. Seit dem
Aufbau der Besetzung lebt Elster in einem der Baumhäuser und will nicht
länger hinnehmen, in einer Welt zu leben, in der Profitinteressen von
Konzernen über den Interessen der Menschen stehen. „Mich treibt ein
Gerechtigkeitsempfinden an – auch in Bezug auf die Ungerechtigkeiten des
Neokolonialismus“, sagt Elster.
Da ist Stephen Musaruwa aus Botswana, der die Besetzung in Grünheide für
[7][Fridays for Future Afrika] besucht. „Ihr wisst alle, was gerade im
Kongo passiert, oder?“, fragt er. „Die Einnahmen aus den Kobalt-Minen
finanzieren dort den Bürgerkrieg.“ Kobalt ist ein essenzieller Bestandteil
moderner Lithium-Ionen-Batterien. Laut der Bundesanstalt für
Geowissenschaften und Rohstoffe ist der Kongo einer der zehn wichtigsten
Rohstofflieferanten Deutschlands.
Es sind Argumente, die auch der Sprecherin der Grünheider Grünen Lucia
Maack nicht fremd sind. Wie groß der Teil von ihr sei, der gerne bei der
Anti-Tesla-Demo mitlaufen würde? „Zehn Prozent“, sagt die 36-jährige und
lacht. Aber wegen dieser Grundsatzargumente „Tesla den Hahn abzudrehen“,
das sei ihr zu radikal. Schließlich habe der Wassermangel in der Region
auch schon vor Tesla bestanden. Allerdings werden ab dem nächsten Jahr alle
etwa 170.000 Menschen, die zum WSE gehören, von Wasserdeckelungen betroffen
sein und dürfen dann gerade einmal 105 Liter Wasser pro Person pro Tag
verbrauchen. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 128 Litern pro Tag. In
Grünheide betrifft das nicht alle. Etwa die Hälfte der Haushalte gehört zu
einem anderen Wasserverband und hat mit den Problemen, die die Gigafactory
dem WSE bereitet, deutlich weniger zu tun.
Tatsächlich gehört Brandenburg zu den trockensten Regionen Deutschlands.
Seit Jahren ist sie von Dürre betroffen. Auch wenn die extreme Dürre laut
Expert*innen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung bundesweit
vorerst vorbei ist, erholen sich Brandenburgs Böden langsamer von den
Dürrejahren als andere Bundesländer.
Maack sieht sich allen voran als Vertreterin der Grünheider:innen. Sie will
mit ihnen ins Gespräch kommen. Auch deshalb hat sie sich entschieden, auf
der Kundgebung im Bürgerpark Grünheide zu sprechen. Auch wenn sie nicht
alle Argumente ihrer Co-Redner von der Industrie- und Handelskammer, der IG
Metall und der SPD teilt, hofft sie hier mit den Menschen vor Ort ins
Gespräch zu kommen. „Wir brauchen mehr offene Gesprächsorte“, sagt sie. D…
basale Kapitalismuskritik der Demonstrierenden aus aller Welt mache die
Lage vor Ort nicht einfacher.
Um 13.51 Uhr strömen genau jene aus dem RE1 auf den Parkplatz des Bahnhofs
Fangschleuse in Grünheide. Gruppen wie Attac, Extinction Rebellion oder
Robin Wood. Sie alle haben zu der Demo in Grünheide mobilisiert. Nur 20
Minuten dauert die Fahrt vom Berliner Ostkreuz bis hierher. Manuela Hoyer
steigt auf die Ladefläche eines umgebauten Lkws und nimmt ein Mikro in die
Hand. „Die Gemeinde hat die Grünheider:innen befragt. Ich hätte es
selber nie gedacht, aber wir haben zu 62 Prozent mit Nein gestimmt. Wir
Grünheider:innen wollen die Tesla-Fabrik nicht!“
Manchmal verliert Hoyer mitten im Satz kurz die Orientierung, muss neu
ansetzen. Der Menge ist das egal. Immer wieder brandet Applaus auf. „Bisher
wurde alles über unsere Köpfe hinweg entschieden“, sagt Hoyer. In der
Öffentlichkeit tue Tesla so, als bräuchten sie zusätzliche Waldflächen für
die Werkserweiterung, um einen Güterbahnhof zu bauen. Dabei hätten sie in
einem früheren Bebauungsplan dazu längst die Genehmigung gehabt.
Stattdessen habe man sich entschieden, andere Gebäude zu bauen.
„Das ist eine Verarschung der Bevölkerung hier, jetzt so zu tun, als ob sie
klimafreundlich sind und den Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen
wollen. Das hätten sie schon längst tun können. Sie haben es nicht getan.“
Um sich von der Gegenkundgebung abzugrenzen, hat Hoyer blaue Bänder für die
Seite des Protestzugs organisiert, die am Bürgerpark Grünheide vorbeilaufen
wird. Das Blau steht für das Wasser, das sie schützen wollen.
Die Gegendemonstrant:innen stehen zwei Kilometer weiter im Bürgerpark
Grünheide. Es ist eine Kundgebung unter dem Motto #Grünheidegestalten,
organisiert von einem lokalen SPD-Mitglied. Rund 200 Menschen aus Grünheide
und Mitarbeiter:innen von Tesla stehen hier zusammen. Es gibt
Brötchen, Bratwurst und Buletten.
Lucia Maack betritt die Bühne. Lange habe sie darüber nachgedacht, ob sie
heute hier sprechen wolle. Demo und Gegendemo – Maack findet das nicht
hilfreich. Die 62 Prozent Nein der Grünheider:innen sieht Maack nicht
als das klare Mandat gegen Tesla, wie Hoyer das versteht. Das Ergebnis
zeige für sie vielmehr, „dass die Menschen in Grünheide bisher nicht
ausreichend beteiligt wurden“. Veränderung bringe oft Unsicherheit mit
sich. „Eine einfache Abstimmung mit Ja oder Nein wird dem Diskussionsbedarf
nicht gerecht!“
Nach der Kundgebung sagt Maack: Sie sei kein großer Fan von motorisiertem
Individualverkehr. Aber wenn, dann elektrisch. Und irgendwo müssten sie
gebaut werden. Im ländlichen Raum sei man schließlich aufs Auto angewiesen.
Ein älterer Ex-Politiker, der neben ihr steht, sagt: „Wir müssen den
Menschen sagen, dass sie was von Tesla haben.“ Der Bahnhof zum Beispiel,
von dem der Regionalexpress jetzt häufiger nach Berlin fährt. Und der
Radschnellweg nach Erkner.
Maack ist vor vier Jahren aus Berlin nach Grünheide gezogen, wohnt hier in
einem Einfamilienhaus im Ortsteil Altbuchhorst. Sie weiß, dass sie manch
einem städtischen Grünen vielleicht nicht radikal genug sei. Aber die Lage
auf dem Land sei nun mal eine andere als in der Stadt. „Die AfD könnte hier
über 40 Prozent bekommen“, sagt sie. „Wir sind hier viel mehr auf Bündnis…
mit anderen demokratischen Parteien angewiesen als in Berlin.“ Etwas
entfernt von der Kundgebung steht ein Tesla-Mitarbeiter in Lederjacke, sein
Kind im pinken Strampler vor sich auf dem Bauch. Eigentlich dürfe er nicht
mit der Presse sprechen. Aber er sei heute hier, weil er für seinen
Arbeitgeber einstehe.
Die Vorwürfe, bei Tesla häuften sich die Arbeitsunfälle, hält er für
überzogen. „Vorher habe ich als Tischler auf dem Bau in Berlin gearbeitet“,
sagt er. Einmal sei er mit einer Bohrmaschine abgerutscht, habe sich durch
die Hand gebohrt. Jetzt fahre er Gabelstapler in der Logistik, habe Zugang
zum Tesla-eigenen Fitnessstudio, verdiene besser und müsse nicht mehr den
ganzen Tag schwer schleppen. „Ich glaube, der Ausbau mit Ausbildungswerk
und Kita wäre eine große Chance für Grünheide“, sagt er. „Gerade wenn i…
an die Zukunft denke.“
Dann nähert sich die Anti-Tesla-Demo, mit lauten Trillerpfeifen und
„Anti-Anticapitalista“-Rufen. Der Mitarbeiter flüchtet mit seinem Kind von
der Straße in die Eingangshalle eines Seniorenheims.„Macht ihr super! Geht
weiter, na komm, macht mal“, ruft ein Grünheider, der von der von der SPD
mitorganisierten Kundgebung kommt, dem Protestzug zu. „Wer hat uns
verraten, Sozialdemokraten!“, schallt es zurück.
Ein paar Meter entfernt steht Lucia Maack. „Das ist nicht nur der schwarze
Block hier, das sind auch Umweltaktivisten“, sagt sie zu einem Grünheider
neben ihr. „Ich hab sehr gemischte Gefühle, wenn ich das sehe.“ Das
Vorgehen von Tesla, den bereits in einem früheren Bebauungsplan genehmigten
Güterbahnhof nicht zu bauen und stattdessen jetzt neue Flächen zu fordern,
findet sie „schwierig“. Eine Salamitaktik, eine Umkehrung der
Verantwortung, bei der es jetzt so wirke, als ob die Kommunalpolitik dafür
sorgen müsste, dass Tesla mit dem Güterbahnhof mehr Verkehr von der Straße
auf die Schiene bringen kann.
Warum sie dann trotzdem hier auf Seiten derjenigen steht, die weiter mit
Tesla arbeiten wollen? „Einfach Tesla den Hahn abdrehen, das ist mir zu
absolut“, sagt Maack. Die Brandenburger Grünen versuchten Tesla kritisch zu
begleiten. In den ersten Antragsunterlagen hatte Tesla noch ein Werk ohne
geschlossenen Produktionswasserkreislauf geplant. Nach Einwendungen unter
anderem der Grünen Liga Brandenburg habe Tesla dann seine Pläne angepasst:
seitdem gebe es sowohl einen geschlossenen Produktionswasserkreislauf als
auch eine dezentrale Regenwasserversickerung.
Die Abwässer der Produktion reinigt Tesla mittlerweile selber und führt das
gereinigte Wasser wieder in den Produktionskreislauf zurück. Aber Tesla hat
noch einen zweiten Prozess, in dem nach wie vor Abwässer entstehen. Das mit
Schadstoffen angereicherte Wasser aus Sanitäranlagen, Duschen und Küche ist
noch immer ein Fall für den WSE.
Trotz einer unterschwelligen Anspannung herrscht im Waldcamp am Mittwoch
noch reges Treiben. Holzstücke werden durch die Gegend getragen,
Neuankömmlinge lernen am Seil zu klettern. Die offizielle Duldung des
Baumhausdorfes läuft am Freitag aus. Obwohl sie eine Verlängerung ihrer
Duldung angefragt haben, bereiten die Besetzer*innen sich am Dienstag
und Mittwoch schon mit „Räumungsworkshops“ darauf vor, dass ihr Dorf bald
von der Polizei gestürmt wird.
„Es ist wichtig, dass die Leute wissen, worauf sie sich einlassen“, erklärt
Pressesprecher:in Leo. Trotzdem wollen die Aktivist:innen nicht
aufgeben. „Wir bleiben so lange, bis klar ist, dass die Fabrik nicht gebaut
wird!“, bekräftigt Leo. Ob der Besuch vom Tesla-Chef sie beunruhigt?
Pressesprecher René Sander verneint: [8][„Elon Musk ist nicht ins Berghain
gekommen], er wird auch nicht in den Wald reinkommen!“
13 Mar 2024
## LINKS
[1] /Der-Rechtslibertarismus-des-Elon-Musk/!5962309
[2] /Brandanschlag-auf-Tesla-Werk/!5994711
[3] /Wachstumskritisches-Denken/!5960802
[4] https://www.bi-gruenheide.de/
[5] /Landwirtschaft-in-Klimakrise/!5865074
[6] https://www.w-s-e.de/startseite
[7] https://twitter.com/FFF_Africa
[8] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2022/04/elon-musk-party-berghain-berl…
## AUTOREN
Mitsuo Iwamoto
Annika Reiß
Jonas Baur
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