# taz.de -- Fahndung nach deutschen Autonomen: Gesuchte Linke wollen sich stell… | |
> Seit einem Jahr werden neun Autonome gesucht, die in Budapest Neonazis | |
> verprügelt haben sollen. Nun wollen sich einige stellen – unter | |
> Bedingungen. | |
Bild: Rechtsextremer Aufmarsch zum „Tag der Ehre“ in Budapest, Februar 2023 | |
BERLIN taz | Die Großfahndung läuft [1][bereits seit einem Jahr]. Im | |
Februar 2023 sollen deutsche Linksradikale mehrere Teilnehmende des | |
rechtsextremen Großaufmarschs „Tag der Ehre“ in Budapest angegriffen haben. | |
Seitdem fahnden ungarische und deutsche Behörden mit einigem Aufwand nach | |
neun verdächtigen Deutschen, die verschwunden sind. Nur eine Person wurde | |
[2][im Dezember in Berlin festgenommen]. | |
Die Gesuchten sind junge Linke aus Sachsen und Thüringen, 20 bis 30 Jahre | |
alt. Ungarische Behörden veröffentlichten in Fahndungsaufrufen ihre Namen | |
und Fotos. In Deutschland leitet die sächsische Soko Linx die Ermittlungen. | |
Eltern einer Gesuchten berichteten zuletzt der taz, [3][wie ihre Familien | |
überwacht würden]: Auf dem Weg zu einer Geburtstagsfeier seien sie von | |
Fahrzeugen verfolgt worden, die Polizei sei nachts in ihr Haus | |
eingedrungen. Auch der Verfassungsschutz habe vor der Tür gestanden. | |
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) warnt derweil vor einer | |
Radikalisierung der Gesuchten. Auch Bundesverfassungsschutzchef Thomas | |
Haldenwang sprach zuletzt von militanten Kleingruppen, die mit | |
„lebensgefährlicher Brutalität“ vorgingen. Die Schwelle zum | |
Linksterrorismus rücke näher. | |
Anwälte der Gesuchten hatten dies früh als „wilde Konstruktion“ kritisier… | |
Und tatsächlich sind nun mehrere der Gesuchten bereit, sich zu stellen – | |
allerdings nur unter der Bedingung, dass es nicht zu einer Auslieferung | |
nach Ungarn kommt. | |
„Das Gerede von einer Untergrundzelle war von Beginn an ein Hirngespinst“, | |
sagte Ulrich von Klinggräff, Anwalt eines der neun Gesuchten, der taz. „Es | |
geht meinem Mandanten darum, in Ungarn nicht einem Verfahren ausgesetzt zu | |
werden, in dem grundlegende Beschuldigtenrechte missachtet werden. Unter | |
der Orbán-Regierung ist für Antifaschisten kein faires Verfahren zu | |
erwarten.“ Die dortigen Haftbedingungen seien „menschenrechtswidrig und | |
darauf angelegt, die Angeklagten zu brechen und von ihnen Geständnisse zu | |
erzwingen“. | |
## „Indiskutable Bedingungen“ | |
Von Klinggräff kündigte an, dass sich sein Mandant und weitere Gesuchte | |
stellen würden, wenn die in Deutschland zuständige | |
Generalstaatsanwaltschaft Dresden eine Nichtauslieferung nach Ungarn | |
garantiere. Das Problem sei nur, so der Anwalt: Genau dies tue die Behörde | |
bisher nicht. Die Generalstaatsanwaltschaft verweigere jegliche | |
Kommunikation und stelle „indiskutable Bedingungen“ auf. „Es wird verlang… | |
dass auf strafprozessuale Rechte verzichtet und ein Geständnis abgelegt | |
wird. Das ist völlig unhaltbar.“ | |
Für die Gesuchten gelte die Unschuldsvermutung, betont von Klinggräff. Sie | |
würden sich in Deutschland Verfahren stellen, deren Ausgang abzuwarten | |
bliebe. „Mit der Blockade der Generalstaatsanwaltschaft wird ohne Not | |
verhindert, dass für die Gesuchten ein Weg zurück gefunden wird.“ | |
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wollte sich zu den Gesprächen mit den | |
Anwält*innen nicht äußern. Auskünfte zu diesen Fragen könnten „die | |
sachgemäße Durchführung des laufenden Verfahrens gefährden und daher nicht | |
erteilt werden“, erklärte ein Sprecher. | |
Nach taz-Informationen gab es aber bereits im Dezember auch | |
Gesprächsversuche des Bundesamts für Verfassungsschutz mit Angehörigen der | |
Gesuchten, bei denen dafür geworben worden sein soll, dass diese sich | |
stellen. Das Amt soll sich als Vermittlerin angeboten haben. Auch hier soll | |
ein Anwalt aber klargemacht haben, dass Geständnisse nicht infrage kämen. | |
Der Verfassungsschutz soll wiederum betont haben, dass es keine Zusagen für | |
eine Straffreiheit geben könne. | |
## 10.000 Euro Belohnung für Hinweise | |
Und so geht die Fahndung nach den neun Gesuchten vorerst weiter. Vor allem | |
auf [4][den 30-jährigen Johann G.] haben es die Behörden abgesehen, den | |
früheren Lebensgefährten der Leipziger Linken Lina E., die bereits im Mai | |
2023 wegen Angriffen auf Rechtsextreme [5][zu gut fünf Jahren Haft | |
verurteilt wurde]. Johann G. ist seit bereits dreieinhalb Jahren | |
verschwunden, soll sich aber auch an den Angriffen in Budapest beteiligt | |
haben. Für Hinweise auf ihn hat das BKA 10.000 Euro Belohnung ausgelobt und | |
ihn in der TV-Sendung „Aktenzeichen XY… Ungelöst“ gezeigt. | |
Der im Dezember in Berlin gefassten nichtbinären Person, Maja T., droht | |
derweil weiterhin die Auslieferung nach Ungarn. Dieses Verfahren führt die | |
Generalstaatsanwaltschaft Berlin, die zu Jahresbeginn einen | |
Auslieferungshaftbefehl beantragte. In einem zweiten Schritt wird dann über | |
die tatsächliche Auslieferung entschieden. | |
Im Januar war bereits [6][ein erster Prozess gegen zwei Deutsche und eine | |
Italienerin in Budapest gestartet], die direkt nach den Angriffen im | |
Februar 2023 festgenommen wurden. Ein 30-jähriger Berliner ging dabei auf | |
einen Deal ein. Er räumte die vorgeworfene Mitgliedschaft in einer | |
kriminellen Vereinigung ein, verzichtete auf eine Beweisaufnahme und | |
erhielt eine dreijährige Haftstrafe. Gegen die anderen beiden Angeklagten | |
wird weiterverhandelt. | |
Der Italienerin Ilaria S. drohen dabei laut Staatsanwaltschaft bis zu 24 | |
Jahre Haft. Sie war in Ketten in den Gerichtssaal geführt worden – was | |
Empörung auslöste. In einem Brief aus der Haft hatte S. über Bettwanzen, | |
spärliche Nahrung und einen über Wochen untersagten Kontakt zu ihrer | |
Familie geklagt. Die italienische Regierung forderte hier von Orbán bereits | |
bessere Haftbedingungen für Ilaria S. ein. | |
21 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Fahndung-gegen-Linksaussen/!5985352 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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