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# taz.de -- Hanau-Demo in Neukölln: Gedenken und Konflikt
> Tausende Menschen demonstrieren auf der Sonnenallee gegen Rassismus,
> viele auch für Palästina. Am Ende steht Konfrontation mit der Polizei.
Bild: Im Zentrum jedes Hanau-Gedenkens: die Opfer. Hier in Berlin 2021
Berlin taz | „Hanau und Neukölln trennt nur der Zufall“, sagt die
Sprecherin des Hanau-Bündnisses, Meryem Malik, am frühen Montagabend vor
dem Start der Gedenkdemonstration vier Jahre nach dem [1][rassistischen
Anschlag] mit zehn Toten in der hessischen Stadt. Der Ort für ihre
Demonstration, die Sonnenallee, spiele eine „große Rolle“ für die
Erinnerung, an das, was geschah, und ihren „Widerstand“ gegen einen Staat,
der ihnen „keinen Schutz“ biete, wie Malik sagt.
Malik, Aktivistin der [2][Migrantifa], die anlässlich des Hanauer Terrors
gegründet wurde, spricht von einer zuletzt „beispiellosen Hetze gegen
Migrant:innen“, angefangen bei der [3][Silvester-Debatte, fortgesetzt von
jener über Gewalt in Freibädern] und einem Diskurs über ein „importiertes
Problem“ des Antisemitismus. Immer wieder stehe dabei Neukölln und
insbesondere die Sonnenallee im Fokus, etwa wenn es um Clankriminalität
oder Razzien in Shisha-Bars gehe.
Der Protest beginnt mit einem stillen Gedenken in einer Nebenstraße am
S-Bahnhof Sonnenallee. Das Publikum, überwiegend jung und vielfach
migrantisch, lauscht türkischen Liedern und einem Neuköllner Rapper und
geht bei einer Performance, einer anklagenden Rede von Mitgliedern des
Moabiter Jugendtheaters X, gemeinsam in die Knie. An einem improvisierten
Gedenkort leuchten Kerzen mit den Namen jener in Hanau Ermorderten,
Menschen legen Blumen nieder.
Als Störung empfinden viele der Teilnehmer:innen, dass die Polizei die
Veranstalter wiederholt dazu drängt, die Auflagen zu verlesen: kein
Verbrennen von Fahnen oder Puppen, kein Gutheißen von Gewalttaten, keine
israelfeindlichen Parolen, keine Werbung für Gruppen wie die Hamas oder die
kürzlich verbotene Samidoun. Angesichts des Demo-Bündnisses mit Gruppen wie
Palästina Spricht oder Young Struggle kam bereits im Vorfeld die Vermutung
auf, [4][dass das Gedenken auch ein Pro-Palästina-Protest werden würde].
Malik betont dagegen, sie seien eine „antirassistische Bewegung“, die an
diesem Tag „nicht als Palästina-Bewegung“ auf die Straße gehe.
Diskriminierungen gegen „die jüdischen Brüder und Schwestern“ akzeptiere
man nicht, das sei Konsens im Demo-Bündnis.
## Hanau: deutsche Leitkultur
Auffällig ist die große Dichte an Pali-Tüchern; inhaltlich aber stehen bei
den Reden zunächst die Situation von Migrant:innen, die Anschläge und Morde
der letzten Jahrzehnte im Mittelpunkt. Und die Kritik an einem Staat samt
seiner Polizei, der sie nicht schütze und selbst aus Hanau keine
Konsequenzen gezogen habe. „Schwarz-Tod-Gold“, ruft eine Rednerin vom
Lautsprecherwagen, an dessen Seite auf einem Transparent steht: Hanau, das
war deutsche Leitkultur.
Im Regen bewegt sich die Demonstration mit nach taz-Schätzung anfänglich
mindestens 3.000 Teilnehmern ab dem Abend gemächlichen Schrittes die
Sonnenallee herunter. Beleuchtete Buchstaben ergeben die vorweggetragene
Parole „Resistance“, auf mit Lichterketten umrandeten Schildern stehen die
Namen von Menschen, die im wiedervereinigten Deutschland von Rassisten
ermordet wurden. Die Veranstalter sprechen im Nachhinein von 10.000
Menschen. Ein Aufschwung im Vergleich zu den Vorjahren angesichts der
derzeitigen Proteste gegen rechts ist es nicht.
## Gerangel und Festnahmen
Mit der Zeit lauter und präsenter, auch durch Reden vom Lauti unterstützt,
wird ein Palästina-Block, aus dessen Mitte die Polizei auf Höhe der
Pannierstraße einen ihnen bekannten Protestler aufgrund verbotener Parolen
herauszieht. Es folgt eine Stunde, in der sich Polizei und
Demonstrant:innen gegenüberstehen und auch Sprechchöre wie „From the
river to the sea – Palestine will be free“ zu hören sind.
Die letzten Meter zum Hermannplatz geht der am Ende stark geschrumpfte
Protestzug nicht mehr, stattdessen beenden die Veranstalter ihren Aufzug.
Vorbei ist es aber nicht: Erneut gehen Polizist:innen in die Menge. Es
kommt zu hektischen Situationen und Rangeleien, mehrere Personen werden
festgenommen. Es ist nicht das Ende, das sich die an der Demo-Organisation
nicht beteiligte Initiative 19. Februar der Hanauer Angehörigen gewünscht
hatte. „Unser Gedenken soll nicht instrumentalisiert werden“, hatten sie
vorab verkündet.
20 Feb 2024
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Rechter-Anschlag-in-Hanau/!t5563930
[2] /Migrantifa-ueber-Rassismus/!5696177
[3] /Berliner-Gewaltdebatten/!5952340
[4] /Pro-Palaestina-Demos-in-Berlin/!5989212
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
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Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
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